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Asthma Hintergruende
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Asthma Diagnose und Therapie

Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie.
Entwickelt durch das medizinische Wissensnetzwerk “evidence.de” der Universität Witten/Herdecke

Version 01/2004
Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007)

Hintergrundinformationen


1.4.H Einteilung von Empfehlungsklassen


1.4.1.H: Einteilung der Evidenzstärke (nach  [
20])

Grad der Empfehlung

 

Evidenzklasse

 

A

Ia: Evidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien

Ib: Evidenz aufgrund zumindest einer randomisierten, kontrollierten Studie

B

IIa: Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten kontrollierten Studie  ohne Randomisierung

IIb: Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten quasi-experimentellen  Studie

III: Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller deskriptiver Studien (z.B. Vergleichsstudien, Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien)

C

IV: Evidenz aufgrund von Berichten / Meinungen von Expertenkreisen,  Konsensuskonferenzen und / oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten

 

Evidenzbasierte Empfehlungen sind in dieser Leitlinie orange und fett hervorgehoben.

Praktische Handlungsempfehlungen ohne wissenschaftliche Evidenz (“good practice Points”) werden durch einen
=> Pfeil hervorgehoben.

Die Evidenzklassen sind bei den jeweiligen Literaturstellen unter Referenzen angegeben.

 


3.2.1.H Typische Allergene im Verlauf der Jahreszeiten

Weihnachten bis Ostern = Baumpollen (Dezember – Februar Hasel / Birke, anschl. Birke)
freies Intervall von ca. 3 Wochen dann
Pfingsten bis August und später = Gräser, Roggen
mit Beginn der Heizperiode und Winterzeit = Hausstaubmilbe
Aktuelle Pollenflugkalender, siehe auch:
http://www.wetteronline.de/pollen.htm


3.3.H Weitere Laboruntersuchungen

Eine Reihe von biologischen Markern zur Bestimmung der Atemwegsinflammation ist untersucht worden, ohne dass hierfür bis jetzt ein klinischer Stellenwert bestimmt werden konnte. Ihre Untersuchung sollte daher den Spezialisten vorbehalten bleiben.

    =>Die Bestimmung der Sputumeosinophilie und anderer spezifischer Marker sollte dem Spezialisten vorbehalten bleiben.

Ein Differentialblutbild (Eosinophilie) und ein Serum IGE sind beim Verdacht auf eine Allergische Bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) oder ein Churg-Strauss-Syndrom sinnvoll. Eine arterielle Blutgasanalyse empfiehlt sich beim akuten schweren oder lebensbedrohlichen Asthmaanfall sowie ggf. zur Abgrenzung gegenüber der COPD.


3.4.2.H Limitation des Peak-flow (PEF)-Protokolls

Das Peak-flow (PEF)-Protokoll sollte stets nur in Zusammenschau mit anderen klinischen Parametern bewertet werden [268, 556]. Der Patient sollte seine Peak-flow (PEF)-Messungen so lange unter Aufsicht durchführen, bis sein Arzt von der korrekten Durchführung des Tests überzeugt ist.

Besondere Probleme ergeben sich aus folgenden Gründen:

  • Gelegenheitsmessungen des Peak-flows (PEF) detektieren nicht sicher die intermittierende, anfallsartige Bronchokonstriktion. Sie können nur hilfreich sein, wenn die individuellen Werte des Patienten bekannt und stabil sind.
  • Kleinkinder und ältere Menschen können die Peak-flow (PEF)-Messung häufig nicht verlässlich durchführen, so dass man bei diesen Patienten auf klinische Befunde und Symptome angewiesen ist.
  • Durch bauliche Unterschiede zwischen verschiedenen Peak-flow-Metern können Messungenauigkeiten zustande kommen [375].
  • Technische Fehler bei der Durchführung können sowohl zu niedrig als auch zu hoch gemessene Werte ergeben.
  • Falsche Angaben bei Simulation eines Asthma bronchiale sind möglich.
  • Die üblichen Geräte sind nicht eichbar.


3.5.H Messung von bronchialer Obstruktion und Hyperreagibilität


3.5.1.H Fluss-Volumen-Diagramm (Spirometrie)

Die klassische Spirometrie erlaubt es, bedeutsame Lungenfunktionsstörungen auszuschließen sowie zwischen Obstruktion und Restriktion zu unterscheiden. Der umfassenderen Darstellung einer Atemflussbehinderung dient die Pneumotachographie, welche die zeitgleiche Aufzeichnung von Fluss und Volumen eines ex- oder inspiratorischen Atemmanövers ermöglicht. Die gebräuchlichsten spirometrischen Messgrößen sind die Vitalkapazität (VC) und der Atemstoß (FEV1). Bei der Vitalkapazität handelt es sich um das Volumen, welches nach einer maximalen Ausatmung eingeatmet werden kann.

Der Atemstoß ist definiert als das Volumen, welches bei einer forcierten Expiration in der ersten Sekunde ausgeatmet wird. Da der Atemstoß von der Vitalkapazität abhängt, ist es sinnvoll, den Atemstoß auf die inspiratorische oder langsam geatmete expiratorische VC zu beziehen. Daraus ergibt sich der Tiffeneau-Wert (FEV1/VC) als Parameter zur Abschätzung der Atemwegsobstruktion. Im Fluss-Volumen-Diagramm lässt sich die Abhängigkeit der Stärke des Luftstroms vom Lungenvolumen darstellen. Diese ist ein empfindlicheres Maß für die Atemwegsobstruktion als der Atemstoß.

Zusätzlich können an der Konfiguration des Diagramms charakteristische Funktionsstörungen erkannt werden. Die quantitative Beschreibung erfolgt mit Hilfe der maximalen expiratorischen Stromstärke (PEF) sowie der Stromstärken zu dem Zeitpunkt, an dem 25 %, 50 % und 75 % der Funktionellen Vitalkapazität (FVC) ausgeatmet sind. Das inspiratorische Fluss-Volumen-Diagramm (unmittelbar nach der forcierten Expiration wird forciert und maximal eingeatmet) bietet zusätzliche Information und wird mit der inspiratorischen Spitzenstromstärke (PIF = peak inspiratory flow) quantifiziert.


3.5.2.H Bestimmung von Atemwegswiderstand und spezifischer Atemwegsleitfähigkeit (Bodyplethysmographie)

Der Bodyplethysmograph besteht aus einer ca. 1 m3 großen Kammer, die luftdicht verschließbar ist. Innerhalb der Kammer befindet sich ein Pneumotachograph, über den die Atemstromstärke und das Atemvolumen gemessen werden. Zwischen Pneumotachograph und Mundstück ist ein Verschlussventil, durch das der Atemfluss unterbrochen werden kann. Druckwandler messen die Druckänderungen am Mund und in der Kammer. Die Änderungen des Kammerdrucks sind hierbei proportional dem Alveolardruck. Das Gerät ermöglicht die Messung des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV) und des Atemwegswiderstandes (Raw). Das Messprinzip beruht auf dem Boyle-Mariotte-Gesetz, welches besagt, dass in einem luftdicht abgeschlossenen System bei konstanter Temperatur das Produkt von Druck und Volumen konstant ist.

Der Atemwegswiderstand ist analog dem Ohm'schen Gesetz definiert als die Stromstärke, die sich aufgrund einer Druckdifferenz entlang der Atemwege einstellt. Er setzt sich aus dem Strömungswiderstand innerhalb der Atemwege und dem Reibungswiderstand (Gewebewiderstand) zusammen und hängt weitgehend vom Durchmesser der großen Atemwege ab. Die Berechnung erfolgt aus der Differenz von Alveolardruck und Munddruck und ist weitestgehend unabhängig von der Mitarbeit des Probanden. Erforderlich sind zwei Atemmanöver: Es erfolgt die schnelle, gleichmäßige Ein- und Ausatmung im Bodyplethysmographen zur Aufzeichnung der Atemschleife. Im Anschluss wird das Ventil verschlossen, während der Patient weiteratmet. Hiermit kommt es zu einem Ausgleich zwischen Alveolar- und Munddruck, und es wird die Verschlussdruckkurve ermittelt.

Aus dem Quotienten der Steigungen der Verschlussdruckkurve und der Druck-Strömungskurve ergibt sich die Größe des Atemwegswiderstandes (Resistance Raw), der in kPa/l/sec angegeben wird. Die volumetrische oder spezifische Atemwegsleitfähigkeit (Conductance sGaw) entspricht dem Reziprokwert der Resistance dividiert durch das gleichzeitig gemessene zugehörige Thorakale Gasvolumen (TGV). Je größer die Dehnung der Lungen (sprich hohes TGV), desto größer ist die Leitfähigkeit (Gaw) oder desto kleiner ist der Atemwegswiderstand (Raw). Die spezifische Conductance wird in 1/kPa*s angegeben.


3.5.3.H Metacholinprovokation im 5-Stufen-Test

Drei Substanzen sind heute für die inhalative unspezifische bronchiale Provokation gebräuchlich. Hierbei unterscheiden sich Metacholin und Carbachol vom Histamin dadurch, dass die applizierten Provokationsdosen wegen der langen Wirkdauer kumulativ errechnet werden, wohingegen Histamin in seiner Wirkung sehr rasch abklingt und daher in linear steigender Konzentration appliziert wird. Alle drei wirken direkt an muskarinartigen cholinergen Rezeptoren der Atemwegsmuskulatur und führen dort bei empfindlichen Personen zur Bronchokonstriktion.

Um eine relativ konstante intrabronchiale Deposition der Provokationssubstanz zu gewährleisten, wird häufig ein Reservoirsystem (Provokationstest II®, Pari-Medanz, Starnberg) eingesetzt. Hierbei wird das Medikamentenaerosol aus einem pressluftgetriebenen Düsenvernebler in einem Reservoir mit antistatischem Belag zwischengespeichert. Sind die Partikel klein genug (2,5 µm), bleiben sie über ca. 20-30 Sekunden in dem wasserdampfgesättigten Reservoir stabil. Der Patient inhaliert mit einem langsamen inspiratorischen Vitalkapazitätsmanöver, wobei das verfügbare Aerosol zu ca. 80 % intrabronchial deponiert wird. Durch Variation der Beutelfüllung können mindestens vier binäre Verdoppelungsstufen der Provokationssubstanz erzielt werden, ohne dass die Substanzkonzentration im Vernebler verändert werden muss.

Die Provokation wird wie folgt vorgenommen: Begonnen wird die Provokation mit 0.33 % -igem Metacholin im 0,5 l Beutel. Die Beutelfüllung wurde dann über 1 l, 2 l, 4 l bis maximal 8 l gesteigert, was kumulativen Metacholindosen von 0,015 mg, 0,046 mg, 0,106 mg, 0,228 mg und 0,471 mg entspricht. Nach jeder Provokationsstufe wird die FEV1 oder der Peak-flow (PEF)-Wert ermittelt und in ein halblogarithmisches Koordinatensystem übertragen. An dem Punkt, an dem das FEV1 (PEF) um 20 % gegenüber dem Ausgangswert vermindert ist, wird im Koordinatensystem eine Gerade gefällt und die PD20 (Provokationsdosis, die einen FEV1 Abfall um 20 % bewirkt) ermittelt. In der lungenfachärztlichen Praxis findet immer auch eine zusätzliche ganzkörperplethysmographische Kontrolle des Atemwegswiderstandes statt, der auch bei kaum veränderten FEV1 wert signifikant ansteigen kann.

Bei positivem Ausfall kommt es zudem häufig zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung.


3.5.4.H Bronchiale Hyperreagibilität

Der Ausdruck Hyperreagibilität bezeichnet die gesteigerte Bereitschaft der Atemwege, auf verschiedene nichtimmunologische Reize mit einer Engstellung zu reagieren. Die Reaktion auf pharmakodynamische Substanzen wird nach quantitativen Kriterien festgelegt. In der Metacholinprovokation werden anhand der sog. PD20 folgende Schweregradeinteilung zugrunde gelegt:

PD20 <= 0,015 mg Metacholin

schwerstgradig

PD20 <= 0,046 mg Metacholin

schwergradig

PD20 <= 0,228 mg Metacholin

mittelgradig

PD20 <= 0,471 mg Metacholin

leichtgradig

PD20 >   0,471 mg Metacholin

keine Hyperreagibilität


3.5.5.H Bronchiale Obstruktion

Der Atemwegswiderstand wird bei Spontanatmung gemessen und ist daher von forcierten Atemmanövern unabhängig. Er ist von der Körpergröße, dem Alter und dem Geschlecht bei erwachsenen Probanden weitgehend unbeeinflusst. Ein Raw bis 0,35 kPa*s/l wird als normal angesehen. Als Beurteilungskriterium für den pathologisch erhöhten Atemwegswiderstand gilt folgende Einteilung:

Normal

<0,35 kPa*s/l

Leicht erhöht

0,35-0,5 kPa*s/l

Mittelgradig erhöht

0,5-1,0 kPa*s/l

Schwer erhöht

>1,0 kPa*s/l

Die Einteilung der dynamischen Lungenvolumina in Schweregrade der Obstruktion erfolgt nach folgenden Kriterien:

Schweregrad

FEV1

FEV1/VC

Leicht

>70 % Soll

55 %

Mittel

40-70 % Soll

40-55 %

Schwer

<40 % Soll

<40 %


4.2.1.1.1.H Allergenkarenz Hintergrundinformationen

Die meisten Studien zur Allergenkarenz beziehen sich auf die Vermeidung von Inhaltsstoffen in Nahrungsmitteln und weniger auf in der Luft vorhandene Allergene (Aero-Allergene). Unsicher ist, ob die Ergebnisse von Nahrungsmittel-Allergenen auf Aero-Allergene übertragbar sind. Aktuell werden zwei Studien durchgeführt, in denen bereits während der Frühschwangerschaft eine Hausstaubmilbensanierung durchgeführt wird. Bei den Kindern dieser Mütter konnte, mit der Einschränkung der Unmöglichkeit einer tatsächlichen Asthmaklassifikation im Säuglingsalter, ein Jahr nach der Geburt ein geringer jedoch signifikanter Rückgang von mit Giemen einhergehenden Atemwegserkrankungen demonstriert werden [102, 135].

In mehreren randomisierten, jedoch nicht verblindeten Studien konnte bei Allergenkarenz ein vorübergehender Rückgang von atopischem Ekzem und Neurodermitis in den ersten beiden Lebensjahren belegt werden. Eine Auswirkung auf die Entwicklung eines späteren Asthma bronchiale fand sich jedoch nicht [245, 653].
Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass ein enger Kontakt zu Hunden oder Katzen im Säuglingsalter die Entwicklung eines späteren Asthmas oder einer Allergie reduziert. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass die hohe Allergenexposition zur Toleranzentwicklung führt [
243, 447, 472]. Eine Studie aus dem European Respiratory Survey zeigt unterschiedliche Effekte der Haustierhaltung im Kindesalter, abhängig von der Tierart (Katze oder Hund) und der vorbestehenden Allergen-Sensibilisierung [585].


4.2.2.1.H Alternativmedizinische Therapieansätze, Klima- und Höhen-Therapie im Einzelnen:


4.2.2.1.1.H Naturheilkunde

Aktuell findet sich keine Evidenz für die Wirksamkeit von naturheilkundlichen oder pflanzlichen Präparaten. Es existieren 17 Studien mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. In 9 Studien konnte eine gewisse Verbesserung der Lungenfunktion dargestellt werden. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Resultate auf die Gesamtbevölkerung übertragbar sind [259].


4.2.2.1.2.H Akupunktur

In einem Cochrane Review [329] von 21 Studien blieben zahlreiche methodologische Fragen offen. Nur in sieben Studien (174 Patienten) erfolgte bei Patienten mit chronischem Asthma eine Randomisierung zu anerkannten Akupunkturpunkten und Placeboakupunktur. Ein häufiges Problem war die Verblindung, welche nur bei der Beurteilung möglich war. Der Einsatz der Placeboakupunktur widerspricht dem ganzheitlichen Ansatz der chinesischen Medizin und wurde daher häufig abgelehnt. Die Studienmethodologie war sehr inhomogen. Die Akutbehandlung mit Akupunktur zeigte durchaus positive Effekte, doch blieben diese deutlich schwächer als die von inhalierbaren Bronchodilatatoren und Cromonen. Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf die Behandlung von chronischem Asthma bronchiale mit regelmäßiger Akupunktur gelang nur in einer Studie.

Der Cochrane Review fand keine Evidenz für eine klinisch bedeutsame Wirkung der Akupunktur und keine statistisch belegte Verbesserung der Lungenfunktion. Hier müssen weitere Studien folgen, die ggf. auch andere Endpunkte als die Lungenfunktionsdaten haben [329].


4.2.2.1.3.H Luftionisation

Luftionisatoren werden häufig für den Gebrauch bei Asthmasymptomen beworben und verkauft. Es existiert jedoch keine Evidenz, dass diese Geräte die Asthmasymptome oder die Lungenfunktionsdaten verbessern. Sie führen jedoch in dem Raum, in dem sie eingesetzt werden, zu einer Reduktion der Hausstaubmilbenbelastung. Somit könnten sie im Rahmen eines Hausstaubmilbensanierungsregimes eingesetzt werden. Hierzu existieren jedoch bisher keine Studien.

Eine Studie wies darauf hin, dass es durch die Luftionisation zu einer Zunahme des nächtlichen Hustens kommen könne [621].

    => Luftionisation kann nicht empfohlen werden, da keine positive Wirkung nachgewiesen werden konnte und über Nebenwirkungen (nächtlicher Husten) berichtet wurde.


4.2.2.1.4.H Homöopathie

Ein Cochrane Review fand nur drei methodologisch ausreichende Studien zur homöopathischen Behandlung des Asthma bronchiale [328]. In einer Studie (24 Patienten) führte die homöopathische Behandlung zu einer Verbesserung des Symptomscores und der Forcierten Vitalkapazität (FVC). Ein Einfluss auf die Einsekundenkapazität (FEV1) und die bronchiale Hyperreagibilität fand sich nicht. In der zweiten Studie fanden sich Verbesserungen sowohl in der Behandlungs- als auch in der Placebogruppe. In der dritten, jedoch schlecht dokumentierten, Studie fand sich eine Verbesserung der Lungenfunktion in der Behandlungsgruppe.

Der Wert der Homöopathie in der Asthmabehandlung ist nicht ausreichend belegt. Größere Studien mit definierten Medikamenten und klar umrissenen Einschlusskriterien sind erforderlich.


4.2.2.1.5.H Hypnose

Die Studien zur Hypnose beim Asthma bronchiale sind meist nicht ausreichend kontrolliert. Die Patientenkollektive und Endpunkte der Studien variieren erheblich. Ein Review kommt zu dem Ergebnis, dass Hypnose bei Asthma effektiv sein könnte, insbesondere, wenn die Patienten für diese Behandlungsform empfänglich sind [231]. Zur Überprüfung dieser Aussage sind jedoch größere randomisierte und besser kontrollierte Studien erforderlich.


4.2.2.1.6.H Manuelle Therapie inklusive Massage und Spinale Manipulation

In einem Cochrane Review werden vier relevante Studien genannt [254]. Zwei Studien zur chiropraktischen Behandlung kommen zu dem Ergebnis, dass diese Therapie bei der Asthmabehandlung keinen Stellenwert besitzt. Zur Massage liegen keine Informationen vor.


4.2.2.1.7.H Atemtherapie und Yoga

Das Therapieprinzip von Yoga und Buteyko besteht in der Verminderung der Hyperventilation durch Reduktion der Atemfrequenz. In einem Cochrane Review fand sich kein Einfluss auf die Lungenfunktion. In zwei Studien wurde eine Reduktion des Medikamentenverbrauchs und in zwei Studien eine Reduktion der Anfallshäufigkeit angegeben. Nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin kann man derzeit keine Empfehlung für oder gegen die Atemtherapie zur Asthmabehandlung geben.


4.2.2.1.8.H Höhen- und Höhlentherapie (Speleotherapie)

Die Höhlen- oder Speleotherapie verwendet die unterirdische Atmosphäre als Heilmittel. Ein Cochrane Review fand bei den existierenden Studien keine ausreichende Evidenz der Wirksamkeit dieser Therapie, obwohl in zwei von drei Studien 124 Kinder eine vorübergehende Symptombesserung zeigten [46]. Randomisierte und kontrollierte Studien mit längerer Nachbeobachtung sind erforderlich.

Der Aufenthalt im Hochgebirge mit niedriger Luftverschmutzung und geringer Allergenbelastung soll sich positiv auf die klinische Situation von Kindern mit Asthma auswirken [441, 554]. Es existieren jedoch keine kontrollierten Studien oder längerfristige Nachbeobachtungen zu diesem Thema.


4.2.2.1.9 H Klimatherapie (“Seeluft”)

Zur Klimatherapie an der See wurden keine neueren Studien gefunden, die eine Beurteilung nach evidenzbasierten Kriterien zulassen würden. Einige Publikationen, mit kleinen Patientenzahlen und älteren Datums, wollen einen stabilisierenden Effekt auf die Asthmaerkrankungen und eine Dosisreduktion inhalativer Steroide durch Klimatherapie an der See nachweisen [527, 517, 372].


4.4.2.1.2.3.1.H Hintergrundinformationen: Geschichte der Entwicklung von Beta2-Sympathomimetika

Bereits 1921 beobachteten Alexander und Paddock im Gegensatz zu gesunden Probanden bei Patienten mit Asthma bronchiale, denen sie Pilocarpin injizierten, eine ‚asthmatische Atmung‘. Die Autoren folgerten, dass die Symptome durch Bronchokonstriktion bedingt seien und durch ein Ungleichgewicht von cholinergen und sympathischen Nervenerregungen entstünden, da die Atemnot durch die Gabe von Adrenalin rasch beseitigt werden konnte.

Adrenalin ist der Vorläufer der wichtigsten Medikamentengruppe zur Behandlung des Asthma bronchiale, der Beta2-Sympathomimetika. Das 1856 von Vulipan im Nebennierenmark nachgewiesene Hormon erhielt 1897 den Namen Epinephrine. Seine Reinherstellung gelang 1901, seine synthetische Herstellung 1904. Der Begriff Rezeptor wurde von Paul Ehrlich im gleichen Jahr in die Pharmakologie eingeführt und hat das pharmakologische Denken und Forschen der nächsten Jahrzehnte bestimmt. Die moderne Rezeptorentheorie besagt, dass ein Medikament auf zellulärer Ebene nur dann wirksam werden kann, wenn ein molekularer Reaktionspartner mit spezifischen Eigenschaften, nämlich ein spezifischer Rezeptor, vorhanden ist, bei dem es sich in der Regel um membranintegrierte Strukturen handelt.

1948 zeigte Ahlquist, dass durch Adrenalin nicht ein, sondern zwei Rezeptortypen stimuliert werden können, die er Alpha- und Beta- Rezeptoren nannte. Alpha-Rezeptoren befinden sich weitgehend in den Blutgefäßen der Haut und der Schleimhaut, Beta-Rezeptoren am Herzmuskel und in der glatten Bronchialmuskulatur. Dies erklärt, warum Adrenalin als potenter Bronchodilatator unerwünschte Nebenwirkungen wie Tachykardie, Blutdruckanstieg und Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs hervorruft, die den therapeutischen Einsatz erheblich einschränken. Auch synthetische Weiterentwicklungen des Adrenalins wie Orciprenalin hatten gravierende kardiale Nebenwirkungen. 1967 gelang Lands der Nachweis von zwei unterschiedlichen Typen von Beta-Rezeptoren: Beta1-Rezeptoren, die überwiegend im Herzmuskel anzutreffen sind, und Beta2-Rezeptoren, die hauptsächlich in der glatten Bronchialmuskulatur lokalisiert sind. Dies ermöglichte die Entwicklung weitgehend selektiv wirkender Beta2-Sympathomimetika für die Therapie des Asthma bronchiale.

Die Synthese von Beta2-Sympathomimetika gelang erstmals 1969/70 mit der Entwicklung von Terbutalin, Fenoterol und Salbutamol. Neben der rasch einsetzenden bronchodilatatorischen Wirkung besteht eine günstige Beeinflussung der mukoziliären Clearance und eine geringe Wirkung auf die Mediatorfreisetzung von Mastzellen und Leukozyten. Kurzwirksame Beta2-Agonisten führen in der Langzeittherapie zu einer Toleranzentwicklung bzgl. der antikonstriktorischen, nicht jedoch der bronchodilatatorischen Wirkung. Das Ziel, die bronchoprotektive und bronchodilatatorische Wirkung von Beta2-Sympathomimetika über einen längeren Zeitraum nutzen zu können, führte zur Entwicklung langwirksamer extrem potenter und hochselektiver Agonisten am Beta2-Rezeptor (Formoterol und Salmeterol). Es gibt Hinweise, dass sich beim Gebrauch langwirksamer Beta2-Sympathomimetika eine Toleranz sowohl bei der bronchodilatatorischen als auch der antikonstriktorischen Wirkung einstellt. Bei gleichzeitiger Verbesserung der klinischen Symptomkontrolle bleibt die klinische Relevanz dieses Phänomens jedoch zu hinterfragen.


4.4.2.1.2.3.2.H Hintergrundinformationen: Aerosoldeposition [
301]

Die Rezeptoren für Beta2-Sympathomimetika liegen überwiegend in der glatten Muskulatur der kleinen Atemwege unter 2 mm Durchmesser. Bei der Verteilung eines Aerosols in den unterschiedlichen Lungenabschnitten unterscheidet man drei physikalische Prinzipien: Impaktion, Sedimentation und Brown’sche Diffusion. Die Lungendeposition wird entscheidend durch die Partikel- oder Tröpfchengröße sowie durch das Ausmaß der bronchialen Obstruktion beeinflusst.
Schwere Partikel können Richtungswechsel des Luftstroms nicht nachvollziehen, berühren im tangentialen Strom die Atemwege und bleiben dort liegen. Dies wird als Impaktion bezeichnet und findet dort statt, wo sich die Richtung des Luftstroms ändert, also im Oropharynx und den großen Luftwegen. Hohe inspiratorische Flussraten und bronchiale Obstruktion führen durch turbulente Flüsse zur vermehrten Impaktion.

Die Sedimentation folgt der Schwerkraft und hängt von Größe und Dichte der Teilchen ab. Langsame Atemzüge und Luftanhalten begünstigen die Sedimentation, welche bevorzugt in den kleinen Atemwegen und Alveolen stattfindet.

Die Brown’sche Diffusion betrifft nur sehr kleine Partikel (< 1 µm) und ist daher klinisch wenig bedeutsam. Teilchen dieser Größe werden durch das zufällige Zusammenstoßen von Gasmolekülen gegen die Alveolar- und Bronchialwände gedrückt und hierdurch deponiert.
Zusammenfassend gelangen Partikel < 3 µm im Mittel in die Alveolen, Partikel zwischen 1 und 5 µm in die kleinen Atemwege und Partikel zwischen 5 und 10 µm in die großen Atemwege. Mit steigender Partikelgröße nimmt das Ausmaß der oropharyngealen Deposition erheblich zu, nämlich 50 % bei Partikeln von 8 µm und nahezu 100 % bei Teilchen von 16 µm und mehr.

Die Geschwindigkeit der Inhalation ist entscheidend für den Ort der Deposition. Die rasche Inhalation führt zur erhöhten Impaktion im Oropharynx und den großen Atemwegen, wohingegen die langsame Inhalation die Deposition infolge Sedimentation und Diffusion in tiefer gelegenen Lungenabschnitten erleichtert.

Elektrostatische Kräfte, Teilchenform und Teilchenwachstum durch hygroskopische Effekte spielen bei der Aerosoldeposition ebenfalls eine Rolle. Die Bronchialwand selbst ist elektrisch neutral, aber geladene Medikamentenpartikel können Ionen gegensätzlicher Ladung innerhalb der Atemwege anziehen und so die Deposition erleichtern. Hygroskopische Teilchen deponieren wegen ihrer raschen Größenzunahme im wasserdampfgesättigten Milieu im proximalen Bronchialbaum.
Einengung der Atemwege durch Schleim oder Obstruktion sowie kleine Lungenvolumina und Hyperventilation vermindern durch hohe Turbulenzen die periphere Deposition. Bei obstruktiven Patienten überwiegt die Impaktion und somit die zentrale Deposition in den großen Atemwegen.
Sobald Medikamentenpartikel in den Atemwegen deponiert sind, werden sie entweder absorbiert (lösliche Partikel) oder durch mukoziliäre Clearance abtransportiert (un- oder schwerlösliche Partikel). Letztere findet in den zilientragenden Atemwegen oberhalb der Bronchiolen statt, wohingegen Phagozytose durch Makrophagen, Absorption und Leckage ins Interstitium in den nichtzilientragenden Abschnitten der Lunge erfolgen.


4.4.2.1.2.3.3.H Hintergrundinformationen: Dosieraerosol (pMDI) [
301]

Seit mehr als vierzig Jahren werden Dosieraerosole zur inhalativen Medikamentenapplikation in der Therapie des Asthma bronchiale eingesetzt.

Dosieraerosole generieren Tröpfchen von 20-40 µm Größe, die durch das Verdampfen des Treibgases bei gleichzeitiger mit Abkühlung einhergehender adiabatischer Expansion rasch schrumpfen. Das zu applizierende Medikament liegt bereits in mikronisierter lungengängiger Größe vor (ca. 4 µm). Der überwiegende Teil des applizierten Medikaments bleibt durch Impaktion im Oropharynx liegen, da die großen Teilchen der Richtung des Inspirationsflusses nicht folgen können. Durch Spacersysteme kann dies zumindest teilweise verhindert werden. Der Anteil des intrapulmonal deponierten Medikaments beträgt bei Beta2-Sympathomimetika ca. 30 % der applizierten Gesamtdosis.

Ein Dosieraerosol sollte mit langsamer gleichmäßiger Inspiration und anschließendem Luftanhalten inhaliert werden. Eine Erhöhung des inspiratorischen Flusses von 20 auf 80 l/min führt zu einer Abnahme der Lungendeposition um ca. 50 %.


4.4.2.1.2.3.4.H Hintergrundinformationen: Pulverinhalator [
301]

Medikamentenpulver können auch ohne Anwendung von Treibgasen inhaliert werden. Allerdings verändern sich die Fließeigenschaften von Pulvern in lungengängiger Größe (< 10 m) ganz erheblich. Durch elektrostatische Anziehung und van-der-Waal Kräfte wird das Pulver klebrig und verhält sich eher wie wasserarmer Schlick. Zusätzlich kommt es durch hygroskopische Effekte zur Umkristallisation und Partikelvergrößerung. Beim Pulverinhalator werden daher Medikamentenpartikel < 5 µm mit großen (> 50 µm) inerten Trägerpartikeln, z.B. Laktose oder Glukose, vermischt und so komplexe Aggregate hergestellt. Dies führt zur Abnahme elektrischer Ladung und besserer Einatembarkeit des Pulvers.

Die Einatmung durch den Pulverinhalator führt zu turbulenten Flüssen, die das Pulver desagglomerieren somit in Aerosolform überführen und in den Respirationstrakt befördern. Der Inspirationsfluss reicht selten aus, um ein mikronisiertes Medikamentenpulver völlig zu desagglomerieren. Die Energie zur Desagglomeration eines Pulvers hängt mit der Geschwindigkeit des Luftstroms zusammen und kann nach dem Energiesatz ΔP=1/2Ρv2 berechnet werden. Zur vollständigen Desagglomeration der Partikel sind in der Regel Flussgeschwindigkeiten von über 200 m/sec erforderlich. Es verbleiben daher im Aerosol teilweise agglomerisierte Partikel, sogenannte Duplets und Triplets. Eine Dosiskonstanz der abgegebenen ‚respirablen‘ Teilchen ist beim Pulverinhalator daher schwerer zu erreichen als beim Dosieraerosol. Meist gelangen weniger als 10 % des applizierten Pulverinhalats tatsächlich in die Lunge.

Beim Pulverinhalator führt die langsame Inhalation zur Impaktion in den oberen Luftwegen, da das Pulver nicht in seine wirksamen Bestandteile aufgelöst wird. Mit höheren inspiratorischen Flussraten verbessert sich die Desagglomeration. Die höhere Geschwindigkeit der kleinen Partikel führt jedoch auch wieder zu einer höheren oropharyngealen Deposition. Da die Impaktion jedoch proportional zum Quadrat des Partikeldurchmessers ist und nur indirekt von der Flussrate abhängt, spielt dies nur eine untergeordnete Rolle.

Beim Turbohaler® wird aus einem Reservoir über eine perforierte Scheibe durch Rotation eine bestimmte Menge Partikel portioniert und in den Inhalationskanal transportiert. Das Besondere des Turbohalers® ist seine spezielle Technologie der Pulverherstellung, in der die einzelnen mikronisierten Partikel zu ca. 50 bis 200 µm großen, locker gepackten Pellets zusammengefasst werden. Diese werden bei der Inhalation an einem helixartig aufgebauten Austrittsrohr (‚Verwirbelungsdüse‘) vor dem Mundstück teilweise zerschlagen, so dass der inhalierfähige Anteil steigt. Der Turbohaler® gibt von allen Multidosispulversystemen verglichen mit der Nominaldosis die größte Medikamentenaerosolmasse ab, wobei die Dosis jedoch am stärksten variiert.

Beim Gebrauch des Turbohalers® wird zur optimalen Medikamentendeposition nach maximaler Expiration schnell und kräftig durch das Gerät eingeatmet. Inspiratorische Flüsse (PIMF) von 60 l/min sind hierbei wünschenswert, und die hohe Flussgeschwindigkeit insbesondere in der frühen Einatemphase ist für die Generierung feiner Partikel entscheidend.

 


4.4.2.2.9.H Hintergrundinformationen: Ergänzende Therapie


4.4.2.2.9.1.H Helium

Die Gabe von Helium / Sauerstoffgemisch (Ratio 80:20 oder 70:30) beim akuten Asthmaanfall kann anhand der vorliegenden Daten nicht empfohlen werden [239, 284].


4.4.2.2.9.2.H Intravenöse Flüssigkeitsgabe

Es existieren keine kontrollierten Studien zum Wert der intravenösen Flüssigkeitsgabe im Asthmaanfall. Bei manchen Patienten müssen Elektrolytentgleisungen oder Hypovolämie ausgeglichen werden. Eine Hypokaliämie kann durch Gabe von Beta2-Sympathomimetika und / oder Steroiden entstehen.


4.4.2.2.9.3.H Ketamin

Trotz häufiger Anwendung, gerade durch Notfallmediziner, ist die Gabe von Ketamin im schweren Asthmaanfall bisher nur unzureichend untersucht. Es fehlen kontrollierte Studien, die einen deutlichen Therapieerfolg gegenüber den Risiken zeigen [317]. Ein RCT mit 53 Patienten zeigt keinen klinischen Benefit [257]. Einzelfallberichte schildern eine klinische Verbesserung der bronchialen Obstruktion bei beatmeten Patienten mit therapierefraktärem Status asthmaticus.


4.4.2.2.9.4.H Inhalationsanästhetika

Die Gabe von Inhalationsanästhetika im schweren Asthmaanfall ist bisher ebenfalls unzureichend untersucht. Es fehlen kontrollierte Studien. Auch hier existieren zahlreiche Fallberichte über eine bronchodilatatorische Wirkung von Inhalationsanästhetika (insbesondere Halothan) bei beatmeten Patienten, ohne dass bisher systematische Untersuchungen vorgenommen wurden [439].


4.4.2.2.9.5.H Mukolytika

Die bronchiale Hypersekretion ist ein wesentliches Merkmal des Asthmas. In diesem Zusammenhang scheint die Therapie mit mukolytischen Pharmaka wie Ambroxol oder N-Acetylcystein pathophysiologisch sinnvoll und gilt gerade in Mitteleuropa als therapeutische Option bei der akuten Asthma-Exazerbation. Für einen routinemäßigen Einsatz von Mukolytika bei akutem Asthma gibt es jedoch keine ausreichende Evidenz durch gut durchgeführte klinische Studien [484].

    Die routinemäßige Verschreibung von Mukolytika ist bei Asthma nicht indiziert (C)


4.6.4.6.H Entscheidungsalgorithmus Inhalationssysteme nach
614


5.4.3.H Asthmabehandlung in der Schule

Bei einer Asthmaprävalenz von 10 – 15 % muss in einer normalen Schulklasse von drei bis vier asthmatischen Kindern ausgegangen werden, die während des Schulbesuchs potentiell bedeutsamen Triggern wie Anstrengung, Dämpfen und Tierkontakt ausgesetzt sind. [576]. Daher ist es für den Lehrer wichtig, die Merkmale des unkontrollierten Asthmas zu kennen und zu wissen, wie man sich beim akuten Asthmaanfall verhält. Die Zeichen des unkontrollierten, schweren und lebensbedrohlichen Asthma bronchiale sind beim Kind die gleichen wie beim Erwachsenen (siehe Abschnitt 4.2. und 7.1).
Viele Ängste und Unsicherheiten bei der Asthmabehandlung in der Schule lassen sich durch entsprechende Schulung der Lehrpersonen beseitigen [
167, 242, 249].

    => Jede Schule sollte in Zusammenarbeit mit Kinderärzten, Allgemeinärzten und Schularzt Leitlinien für die Behandlung des akuten Asthmaanfalls erstellen. Lehrkörper und Mitarbeiter sollten mit diesen Richtlinien vertraut sein. Die Kinder sollten mit elterlicher Erlaubnis ihren Bronchodilatator in die Schule mitbringen dürfen und bei leichten Asthmasymptomen selbständig einsetzen.

    Bei akuter Atemnot oder Giemen sollten 10 Hübe des Bronchodilatators über 10 Minuten appliziert werden und das Kind hierbei unter ständiger Aufsicht bleiben. (A)

    Falls sich der Anfall legt, sollte das Kind entweder in den Klassenverband zurückkehren, unter weiterer Beobachtung bleiben oder unter elterlicher Aufsicht nach Hause geschickt werden. Unter keinen Umständen darf das Kind allein gelassen werden. (C)

    Legt sich der Anfall unter Therapie mit Bronchodilatatoren nicht, sollte die Schule entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und Absprachen umgehend den Hausarzt oder den Rettungsdienst verständigen. (C)

    => In einer Notfallsituation sollte erst der Rettungsdienst und dann die Eltern des Kindes verständigt werden.

    => Während des Wartens auf medizinische Hilfe sollten begleitende Maßnahmen entsprechend 5.4.1.2 durchgeführt werden.


Hintergrundinformationen 6.1.H:

Anhand vertraulicher Untersuchungen zu über 200 Asthmatodesfällen in Großbritannien konnten einzelne Faktoren der Erkrankung, der medizinischen Behandlung, des Patientenverhaltens und psychosozialer Einflüsse herausgearbeitet werden, die zum Versterben des Patienten beitrugen. Die meisten Asthmatodesfälle ereigneten sich außerhalb des Krankenhauses [2, 84, 86, 377, 619].


6.1.1.H Schweregrad der Erkrankung (B)

Die meisten Patienten, die verstarben, litten an einer schweren chronischen Asthmaerkrankung. Nur selten trat bei Patienten mit sonst mildem oder mittelgradigem Asthma ein tödlicher Asthmaanfall auf [2, 84, 86, 235, 377, 619].


6.1.2.H Medizinische Behandlung (B)

Viele der Asthmatodesfälle traten bei Patienten auf, die keine ausreichende Behandlung mit inhalativen oder oralen Steroiden erhalten hatten und / oder deren Asthmaerkrankung nicht ausreichend überwacht wurde. Einige Patienten waren nicht in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, andere hätten bereits früher zum Pneumologen überwiesen werden müssen. Die überwiegende Zahl der Patienten besaß keinen schriftlichen Selbstbehandlungsplan. Es bestand eine positive Korrelation zwischen häufigem oder steigendem Gebrauch von Beta2-Sympathomimetika und einem tödlichen Asthmaanfall [2, 84, 86, 377, 563, 581, 619].
Immer wieder treten Asthmatodesfälle auch nach inadäquater Verschreibung von Betablockern oder starker Sedativa auf. Eine kleine Patientengruppe reagierte auf nichtsteroidale Antiphlogistika. Jeder Asthmapatient sollte nach zurückliegenden Reaktionen auf Substanzen dieser Stoffklasse befragt werden.


6.1.3.H Patientenverhalten und psychosoziale Faktoren (B)

Verhaltensauffälligkeiten oder psychosoziale Risiko-Konstellationen fanden sich bei der Mehrzahl der im Asthmaanfall verstorbenen Patienten [2, 84, 86, 377, 619].


6.1.3.1.H Tabelle: Folgende Patientengruppen tragen ein erhöhtes Risiko, einen beinahe-tödlichen (‚near fatal‘) oder tödlichen Asthmaanfall zu erleiden:

Kombination eines schweren Asthma bronchiale
charakterisiert durch:

  • Lebensbedrohlicher Asthmaanfall in der Vergangenheit
  • Stationäre Krankenhausaufenthalte wegen Asthma, insbesondere im letzten Jahr
  • Nutzung von drei oder mehr Asthmamedikamenten
  • Häufiger Gebrauch von Beta2-Sympathomimetika
  • Häufiges Aufsuchen der Notaufnahme, insbesondere im letzten Jahr
  • Instabiles (‚brittle‘) Asthma

mit auffälligen Verhaltensmustern oder psychosozialen Einflüssen
charakterisiert durch:

  • Non-Compliance bezüglich Therapie oder Verlaufskontrollen
  • Nichteinhalten von Arztterminen
  • Selbstentlassung aus dem Krankenhaus
  • Psychose, Depression, sonstige psychiatrische Erkrankung oder Autoaggression
  • Aktueller oder kürzlich zurückliegender Tranquilliantienmissbrauch
  • Fehlende Krankheitseinsicht
  • Alkohol- oder Drogenmissbrauch
  • Adipositas
  • Lernschwierigkeiten
  • Berufliche Probleme oder Arbeitslosigkeit
  • Wirtschaftliche Probleme
  • Soziale Isolation
  • Kindesmisshandlung
  • Häusliche, eheliche oder juristische Probleme

Diese Beobachtungen werden durch Fall-Kontroll-Studien gestützt [267, 464]. Verglichen mit Kontrollpatienten, die mit Asthma ins Krankenhaus eingewiesen wurden, wiesen die im Asthmaanfall verstorbenen Patienten signifikant häufiger folgende Merkmale auf: Lernschwierigkeiten; Psychosen oder Verschreibung von antipsychotische Medikamenten; finanzielle Schwierigkeiten oder Probleme am Arbeitsplatz; Nichtwahrnehmen von Arztterminen; frühzeitige Selbstentlassung aus der stationären Behandlung; Konsum von Drogen oder Alkohol; Übergewichtigkeit; in der Vergangenheit erlittener beinahe-tödlicher (‚near fatal‘)  Asthmaanfall.

Verglichen mit Kontrollpatienten mit Asthma hatten die im Asthmaanfall verstorbenen Patienten eine stärkere Ausprägung ihrer Asthmaerkrankung und wiesen häufiger folgende Merkmale auf: Aufsuchen einer Notaufnahme oder stationäre Behandlung wegen Asthmasymptomen im vergangenen Jahr; Erleiden eines beinahe-tödlichen (‚near fatal‘)  Asthmaanfalls in der Vergangenheit; inadäquate medizinische Behandlung und fehlende Kontrolle der Lungenfunktion; fehlende Compliance bei der Medikamenteneinnahme.

    Dem Behandlungsteam muss bewusst sein, dass Patienten mit schwerem Asthma und einem oder mehreren negativen psychosozialen Risikofaktoren ein erhöhtes Risiko haben, an einem Asthmaanfall zu sterben. (B)

Studien, die ‚Beinahetodesfälle‘ bei Asthmatikern mit Asthmatodesfällen verglichen, fanden für beide Patientengruppen dieselben Risikofaktoren [93, 264, 474]. Die Patienten, die den Asthmaanfall überlebten, waren meist jünger, hatten häufiger schon in der Vergangenheit einen beinahe-tödlichen (‚near fatal‘) Asthmaanfall erlitten, litten seltener unter Begleiterkrankungen, hatten seltener eine Verzögerung der medizinischen Behandlung erlebt und hatten besseren Zugang zur medizinischen Notfallbehandlung.

Nicht alle Patienten mit einem beinahe-tödlichen (‚near fatal‘) Asthmaanfall mussten maschinell beatmet werden.
Bei allen Patienten, die einen beinahe-tödlichen (‚near fatal‘) Asthmaanfall überlebt haben, sollte sowohl bei Erwachsenen wie auch bei Kindern ein naher Angehöriger in die weitere Therapieplanung miteinbezogen werden.
Außerdem sollten die Patienten mit ‚brittle Asthma‘ identifiziert werden.

    Patienten mit ‚brittle Asthma‘ und solche, die einen beinahe-tödlichen (‚near fatal‘) Asthmaanfall überlebt haben, sollten lebenslang unter regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle betreut werden. (C)


6.1.4.H Jahreszeit

In Großbritannien häufen sich die Asthmatodesfälle bei jungen Menschen (bis 44 Jahren) in den Monaten Juli und August und bei älteren Menschen in den Monaten Dezember und Januar [93, 264, 295].


6.1.5.H Vorhersagbarkeit und Prävention von schweren Asthmaanfällen

Die meisten Asthmaanfälle (88-92%), die eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordern, entwickeln sich relativ langsam über einen Zeitraum von sechs oder mehr Stunden. Eine Studie fand sogar bei 80 % der Patienten eine Entwicklung über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden [43, 302, 303, 481, 598, 641]. Es besteht demnach meist ausreichend Zeit für eine effektive medikamentöse Intervention und damit häufig auch die Möglichkeit, schwere Asthmaanfälle, die eine Krankenhauseinweisung erfordern, zu verhindern. Die Patienten, die wegen eines schweren Asthmaanfalls stationär behandelt werden müssen, weisen häufig die gleichen Risikofaktoren auf wie die Patienten, die im Asthmaanfall sterben oder einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall überleben.

    => Patienten, die wegen eines schweren Asthmaanfalls stationär behandelt werden mussten, sollten mindestens für ein Jahr lungenfachärztlich nachbetreut werden.


6.6.4 H Umgang mit Notrufen

Patienten mit einem akuten Asthmaanfall oder ihre Angehörigen rufen häufig an, um Unterstützung zu erbitten. Ein solcher Anruf erreicht entweder die Allgemeinpraxis, den ärztlichen Notdienst, den Rettungsdienst oder die Notaufnahme eines Krankenhauses.

In städtischen Gebieten wird bei Notfallsituationen meist der Rettungsdienst über die Telefonnummer 112 alarmiert. Jeder Asthmapatient sollte die Notrufnummer der Region kennen und aufgefordert werden, sie im Fall eines akuten Asthmaanfalls zu nutzen.

    Jede der genannten Institutionen sollte einen Fragenkatalog haben, anhand dessen Patienten mit Zeichen des akuten oder lebensbedrohlichen Asthmaanfalls identifiziert werden können. (C)

Merkmale des akuten oder lebensbedrohlichen Asthmaanfalls
Jedes der folgenden Merkmale kann auf einen akuten oder lebensbedrohlichen Asthmaanfall hinweisen [
45, 70, 116, 343, 414, 530]:

  • Agitation oder Bedrängnis
  • Schwierigkeit beim Sprechen
  • Hörbares Giemen
  • Ausgeprägter Husten
  • Bewusstseinsverlust
  • Ausbleibende Besserung auf Medikamentengabe
  • Eine vorausgegangene Episode eines schweren Asthmaanfalls
  • Bei einem Anruf wegen eines Patienten mit einem vermuteten Asthmaanfall sollten folgende Fragen gestellt werden, um den Schweregrad des Anfalls abschätzen zu können (B):

      1. Ist der Patient bei Bewusstsein?
      2. Atmet der Patient?
      3. Hat er Schwierigkeiten beim Atmen?
      4. Ist er aufgeregt oder in akuter Bedrängnis?
      5. Kann er in ganzen Sätzen sprechen? (beim Kind: Kann es essen oder trinken?)
      6. Musste er bereits früher einmal wegen eines Asthmaanfalls ins Krankenhaus?
      7. Hat er bereits Medikamente eingesetzt?
      8. Was ist daraufhin passiert?

Nicht jeder Patient kann seine aktuelle Krankheitssituation richtig einschätzen. Es ist wichtig, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass dies evtl. der erste schwere Asthmaanfall eines Patienten ist und dass er mit der Schwere der Symptome nicht vertraut ist. Es mag aber auch sein, dass sich der Anfall aus einer länger gehenden Verschlechterung heraus entwickelt und der Patient die Schwere der Symptome, die tatsächlich lebensbedrohlich sind, unterschätzt.

Allen Praxen wird empfohlen, für ihre Patienten und Mitarbeiter Abläufe zu definieren, wie beim akuten Asthma medizinische Beratung sowie die Akutbehandlung in Praxis und Notaufnahme in Anspruch genommen werden kann. Insbesondere das Empfangspersonal sollte diesbezüglich geschult werden. Risikopatienten sollten diese Abläufe genau kennen.

    Das Praxispersonal sollte geschult werden, in welchen Situationen ein direktes Verweisen auf die Notrufnummer des Rettungsdienstes erfolgen sollte. (C)

    Anrufern mit Atembeschwerden haben die höchste Dringlichkeitspriorität und benötigen ggf. einen Notarztwagen, wenn der Patient [45, 70, 116, 342, 343, 414, 530]:

      nicht in ganzen Sätzen sprechen kann (B) oder
      an Asthma leidet, welches unter Therapie nicht besser wird (B) oder
      ein Kind unter 12 Jahren ist, welches an Asthma leidet oder schon früher Atemprobleme hatte. (C)


6.7.1.H Besonderheiten der Sauerstofftherapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)

Obwohl hohe inspiratorische Sauerstoffflüsse beim akuten Asthmaanfall, der in jedem Lebensalter auftreten kann, erwünscht sind, gibt es jedoch Patienten über 50 Jahre mit akuter bronchialer Obstruktion, die an einer schweren COPD mit chronisch ventilatorischer Insuffizienz leiden (CO2 Retention). Da bei Patienten mit COPD die Atmung primär über die Sauerstoffspannung geregelt wird, kann eine Erhöhung des Sauerstoffpartialdruckes durch kontinuierliche, hoch-konzentrierte Sauerstoffgabe zu einer Reduktion des Atemantriebs und somit zur Auslösung bzw. Verstärkung einer Hyperkapnie führen.

Daher sollte bei diesen Patienten nach der Inhalation über den Vernebler im Rettungswagen die inspiratorische Sauerstoffkonzentration auf 28 % (Venturi Maske) reduziert werden. Alternativ können 2 l Sauerstoff pro Minute über eine Nasensonde appliziert werden.

    => Patienten mit COPD können gefahrlos inspiratorische Sauerstoffkonzentration von 28 % (Venturi Maske) erhalten. Alternativ können 2 l Sauerstoff pro Minute über eine Nasensonde appliziert werden.

    =>Es ist wünschenswert, dass Patienten mit COPD und chronisch ventilatorischer Insuffizienz einen Notfallausweis bei sich tragen, auf dem vermerkt ist, dass ihnen hohe Sauerstoffkonzentrationen schaden können.

    => Patienten mit einem Asthma bronchiale, die älter als 50 Jahre sind, sollten idealerweise einen Notfallausweis bei sich tragen, in dem vermerkt ist, dass im Anfall hohe Sauerstoffkonzentrationen gefahrlos appliziert werden können.


7.H Praxisorganisation und Qualitätssicherung für die Betreuung von Asthmapatienten


7.1.H Patientenkartei (-datenbank)

Im Rahmen des Disease Managements ist in der Praxis die Führung einer Kartei aller Asthmapatienten erforderlich. Nur hierdurch kann ein hoher Qualitätsstandard der Asthmabehandlung gewährleistet werden. Therapie- und Verlaufsdaten aller Asthmapatienten können so gruppiert und bewertet werden und stehen einer externen Qualitätskontrolle zur Verfügung.


7.1.1.H Patientenkartei: Identifikation von Patienten

Die Asthmaprävalenz in der Gesamtbevölkerung lässt Rückschlüsse darüber zu, wie viele Asthmapatienten im Krankengut einer Allgemeinpraxis zu erwarten sind. Bei einer Prävalenz von 5-10 % [334, 486] sollten in einer Allgemeinpraxis durchschnittlicher Größe ca. 100-200 Patienten in der Asthmakartei geführt werden. Krankenberichte, Wiederholungsrezepte und Krankenhauseinweisungen können hierüber Aufschluss geben. Im Sprechzimmer sollte ein Hinweis angebracht werden, entsprechende Patienten in die Datenbank aufzunehmen. Zusätzlich sollte jeder Patient beim Routine Check-up nach Atemwegssymptomen befragt werden.


7.1.2.H Patientenkartei: ‚Aktives‘ und ‚inaktives‘ Asthma bronchiale

In der Datenbank sollte zwischen ‚aktiven‘ und ‚inaktiven‘ Asthmapatienten unterschieden werden. Als ‚inaktiv‘ könnte man solche Patienten definieren, die im letzten Jahr keine Verschreibung von spezifischer Medikation erhielten. Diese Patienten können auch in einer separaten Datenbank geführt werden.


7.2.H Spezielle Patientengruppen

Einige ethnische Minderheiten weisen einen ungünstigeren Krankheitsverlauf mit höheren Raten der Exazerbation und Krankenhauseinweisung auf [87, 485, 561]. In manchen Ländern sterben Patienten ethnischer Minderheiten häufiger im Asthmaanfall als ein entsprechendes Vergleichskollektiv [94, 373]. Minderheiten können aufgrund von Sprachproblemen, kultureller Isolation oder mangelndem Zugang zu medizinischer Behandlung benachteiligt sein. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status eines Patienten und einem ungünstigen Verlauf seiner Asthmaerkrankung [221, 246, 383, 428, 632].

Heranwachsende und ältere Patienten leiden häufiger an einem ungünstigen Verlauf ihrer Asthmaerkrankung. Heranwachsende suchen häufiger als andere Altersgruppen eine Notaufnahmestation auf und nutzen seltener die Möglichkeit einer regelmäßigen strukturierten Kontrolluntersuchung [198, 401]. Die Asthmaerkrankung des alten Menschen ist bisher, trotz hoher Mortalität und Morbidität dieser Altersgruppe, in der klinischen Forschung weitgehend unberücksichtigt geblieben [93, 159, 173].


7.3.H Wiedereinbestellungen: Verlaufskontrollen

Bisher existieren wenig evidenzbasierte Daten zur routinemäßigen Einbestellung von Asthmatikern. Die regelmäßige klinische Kontrolle von Asthmapatienten führt zu einer Verbesserung der Asthmakontrolle, die sich, unter anderem, in einer Verringerung der Fehltage von Schule oder Arbeitsplatz und einer Abnahme der Exazerbationshäufigkeit widerspiegelt [105, 155, 256]. Eine regelmäßige Einbestellung ist jedoch üblich. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Asthmapatient von einem Arzt, einer Krankenschwester oder einer Arzthelferin gesehen wird [623].


7.3.1.H Wiedereinbestellungen: Häufigkeit

Eine regelmäßige Wiedereinbestellung führt im Gegensatz zu Gelegenheitskonsultationen nach Notwendigkeit oder Patientenwunsch zu einer Reduktion der Exazerbationsrate und Verminderung der Krankheitstage [83, 180, 238].

Patienten mit saisonalem Asthma und solche, die unter Langzeittherapeutika (controller) stehen, sollten mindestens einmal pro Jahr gesehen werden. Die Wiedereinbestellung richtet sich nach der Schwere der Symptome, der Anzahl von Krankschreibungen oder Schulfehlzeiten, der Häufigkeit von Asthmaanfällen, der Notwendigkeit der oralen Stoßtherapie mit Steroiden und der Krankenhauseinweisung. Patienten mit ‚inaktivem‘ Asthma müssen nicht einbestellt werden.


7.3.2.H Wiedereinbestellungen: Organisation

Die Konsultation kann durch den Patienten selbst initiiert werden. Alternativ kann der Patient anhand der Asthmakartei regelmäßig einbestellt oder entsprechend der Verschreibungsintervalle seiner Medikamente gesehen werden. Meist kommen mehrere Faktoren zum Tragen. Nicht jeder Patient wünscht regelmäßige Kontrollen, doch sollte die Möglichkeit einer regelmäßigen und strukturierten Überprüfung der Asthmatherapie jedem Patienten angeboten werden.

Die Datenbanken der Praxis müssen zur Erleichterung der Einbestellung Suchfunktionen enthalten und regelmäßig überarbeitet werden.

Wünschenswert ist ein regelmäßiger Abgleich der durchgeführten Therapie mit aktuellen Leitlinien. Dies führt ebenfalls zu einer messbaren Verbesserung der Behandlungsqualität [200, 399].


7.4.H Datenerhebung

Ein Datensatz für die Erfassung von Verlaufsdaten erwachsener Asthmapatienten ist erhältlich über den Bundesverband der Pneumologen (www.pneumologenverband.de).


7.5.H Praxisausstattung

Die suffiziente Betreuung von Asthmapatienten erfordert eine Basisausstattung, die regelmäßig überprüft und gewartet werden muss. Ebenso müssen das ärztliche Notfallset regelmäßig überprüft und die Notfallmedikamente auf Verfalldaten überprüft werden. Folgende Dinge sollten zur Basisausstattung in der Arztpraxis gehören:

  • Messlatte und Längennomogramm
  • Peak-flow-Meter
  • Peak-flow-Nomogramm
  • Großvolumiger Spacer
  • Tragbarer Vernebler. Der Vernebler sollte sowohl in der Praxis als auch vor Ort einsetzbar sein. Er sollte regelmäßig entsprechend der Betriebsanleitung gewartet werden [74, 291].
  • Placebo Applikationssysteme. Mit Placebosystemen kann der Patient verschiedene Applikationsformen inhalierbarer Medikamente ausprobieren und die Handhabung von Inhalatoren erlernen. Die einfachsten Applikationssysteme sind dem Patienten auch am leichtesten zu erklären.
  • Asthmatagebuch und Patienteninformation. Schulungsmaterialien und Asthmatagebücher sollten in der Praxis vereinheitlicht vorliegen. Entsprechende Materialien können z.B. über Pharmafirmen wie z.B. Klinge oder die Deutsche Atemwegsliga oder die Deutsche Lungenstiftung bezogen werden.


7.6.H Notfälle

Jede Allgemeinpraxis sollte sicherstellen, dass eine Notfallbehandlung und ggf. stationäre Einweisung des Asthmapatienten rund um die Uhr möglich ist. Jeder Praxismitarbeiter muss informiert sein, an wen sich der Patient in einer Notfallsituation wenden kann und die regionale Notrufnummer des Rettungsdienstes kennen. Ebenso sollten die betroffenen Patienten wissen, wie sie schnelle medizinische Hilfe erlangen können. Hierzu muss der Patient entsprechend instruiert und sein Wissen regelmäßig überprüft werden.

Patienten mit Exazerbation des Asthma bronchiale müssen jederzeit, auch ohne Voranmeldung, einen Termin erhalten können.


7.6.1.H Notfallset

Dem Praxisinhaber bzw. diensthabenden Arzt sollte stets ein gut sortiertes Notfallset zur Verfügung stehen. Es sollte folgende Dinge enthalten:

  • Peak-flow-Meter
  • Großvolumiger Spacer
  • Vernebler
  • Notfallmedikamente (siehe 4.3.)
  • Tragbares Sauerstoffsystem
  • Einweisungsformular mit Arztbrief


7.7.H Aufgabenverteilung in der Allgemeinpraxis

    In einer Gemeinschaftspraxis sollte ein Arzt für die Behandlungsplanung und Schulung der Asthmapatienten verantwortlich sein. (C)

    Alle Praxismitarbeiter sollten bei der Planung von Asthmatherapie und Asthmaschulung mit einbezogen werden. (C)


7.7.1.H Die Rolle des nichtärztlichen Personals (Asthmatrainer)

Anhand des Ausbildungsstands der Mitarbeiter sind drei Modelle einer gemeinsamen Betreuung des Asthmapatienten denkbar:

Minimales Level
Der Patient wird stets vom Arzt gesehen. Es gibt keine für die Asthmabehandlung qualifizierte Kraft. Die Arzthelferin misst lediglich den Peak-flow (PEF), überprüft die Inhalationstechnik und erhebt Daten für die Asthmakartei.

Mittleres Level
Arzt und Helferin betreiben gemeinsam eine Asthmasprechstunde. Die Fachkraft führt Belastungsuntersuchungen und Reversibilitätstestungen durch, leitet zur Peak-flow-Messung an, führt Asthmaschulungen durch und versorgt den Patienten mit Schulungsmaterialien.

Maximales Level
Die Arzthelferin oder Krankenschwester betreibt die Asthmasprechstunde weitgehend eigenverantwortlich und konsultiert den Arzt bei Bedarf. Sie erhebt kurze Anamnesen und Verlaufs-Informationen, formuliert individualisierte Behandlungspläne, gibt nach Rücksprache mit dem Arzt Rezepte aus, berät die Patienten am Telefon und betreut initial auch jene, die ohne Termin wegen eines Notfalls in die Sprechstunde kommen.

    Nichtärztliches Personal sollte nur entsprechend seines Ausbildungsstands als Asthmatrainer eingesetzt werden. (C)


7.7.2.H Voraussetzungen für eine von Krankenschwester / Arzthelferin geführte Asthmasprechstunde

Eine von nichtärztlichem Personal geführte Asthmasprechstunde verbessert erwiesenermaßen die Symptomkontrolle und Überwachung des Asthmapatienten [276, 358]. Ist das Personal jedoch nicht entsprechend qualifiziert, werden meist nur Routinekontrollen durchgeführt und der Patient lernt nicht, mit seiner Erkrankung besser umzugehen [477].

Eine von der Krankenschwester / Arzthelferin geführte Asthmasprechstunde erfordert im Idealfall:

  • Eine motivierte Fachkraft mit spezieller Ausbildung und Motivation zur regelmäßigen Weiterbildung.
  • Einen in der Asthmatherapie engagierten Arzt.
  • Eine praxiseigene Asthmadatenbank.
  • Ein effizientes Dokumentationssystem.
  • Einen strukturierten Diagnose-, Überwachungs- und Behandlungsplan.
  • Einen ausreichenden Zeitrahmen für die Patientenschulung.
  • Regelmäßige Kontrollbesuche, die zwischen Patient und Schwester vereinbart werden [479]
  • Ein eigenes Sprechzimmer für die Krankenschwester / Arzthelferin.


7.8.H Qualitätssicherung

Es existiert eine gute Evidenz, dass Leitlinien die klinische Praxis nicht automatisch beeinflussen. Im Rahmen der Qualitätssicherung sind regelmäßige Überprüfungen der Behandlungsqualität an vorgegebenen Eckpunkten erforderlich, um langfristig positive Effekte zu erzielen und Leitlinieninhalte in die Therapieplanung zu implementieren [222].


7.8.1.H Behandlungsstrategien

Eine strukturierte Behandlung bietet erwiesenermaßen Vorteile für den Asthmapatienten [44, 83, 399].

Die Teilnahme von Ärzten an Qualitätszirkeln hat erwiesenermaßen ebenfalls positive Auswirkungen auf die Asthmabehandlung [399]. Eine randomisierte kontrollierte Studie zeigte den Wert der fortgesetzten ärztlichen Fortbildung (CME) unter besonderer Berücksichtigung der Asthmatherapie. Hierdurch lernt der Fortbildungsteilnehmer, die Fähigkeiten seiner Patienten mittels Selbstregulationstheorie bei der Selbstbehandlung zu fördern [110].
Die Patienten, die das Gefühl hatten, von ihren Ärzten in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden, hatten bessere klinische Ergebnisse [
17].


7.8.2.H Zielgruppen und Risikopatienten

Kinder, die häufig wegen Atemwegssymptomen vorgestellt werden, leiden häufiger unter Asthma. Sie bilden daher eine Risikogruppe und sollten bezüglich einer Asthmaerkrankung gezielt untersucht werden [322, 397]. Kinder mit fortbestehenden Asthmasymptomen sollten dauerhaft behandelt werden. Inhalative Steroide verbessern Symptome und Lungenfunktion [19, 534].
Die Evidenz der Wirksamkeit von Selbstbehandlungsplänen ist bei Patienten mit persistierenden Symptomen [
197, 308] oder wiederkehrenden Exazerbationen – notfallmäßige Verneblertherapie in der Praxis, häufige Steroidstoßtherapie, Hospitalisationen [220, 223, 648] und Vorstellung auf der Notaufnahme- am deutlichsten.

Als Risikogruppen sollten identifiziert werden:

    Kinder mit häufigen Atemwegsinfektionen (C)
    Kinder über 5 Jahren mit persistierenden Asthmasymptomen (A)
    Asthmapatienten mit psychiatrischen Erkrankungen oder Lernschwierigkeiten (C)
    Patienten, die große Mengen Beta2-Sympathomimetika verbrauchen (B)

    Die Ausgabe von Selbstbehandlungsplänen sollte insbesondere bei folgenden Patientengruppen angestrebt und dokumentiert werden (B):

      Mittelgradiges bis schweres Asthma bronchiale
      Regelmäßige Asthmasymptome
      Häufige Exazerbationen oder Notwendigkeit der Steroidstoßtherapie
      Konsultation der Notaufnahmestation oder notfallmäßige Verneblertherapie in der Praxis
      Häufiger Arztwechsel


7.8.3.H Dokumentation

Ein minimaler Datensatz für die Verlaufskontrolle des Asthmapatienten findet sich im Anhang 6. Dieser Datensatz kann auch im Sprechzimmer als Checkliste für die Verlaufskonsultation bereitliegen und später bei der Prozessbeurteilung und Qualitätssicherung dienen.
Checklisten helfen, sowohl Erst- als auch Verlaufskonsultationen effektiv zu gestalten. Als Erinnerungsstützen können Hinweise im Computer oder Stempel in der Patientenakte eingesetzt werden.


7.8.4.H Überprüfung der Behandlungsqualität

Patienten mit einem stabilen Asthma haben weniger Symptome, eine bessere Lungenfunktion und leiden seltener unter Exazerbationen. Eine normale Lungenfunktion ist ein valider Prädiktor für einen positiven Krankheitsverlauf mit Auswirkung auf die Lebensqualität der Patienten [22, 274, 475].
Die klinische Überprüfung der Qualität und Effektivität der Patientenversorgung ist ein essentieller Bestandteil der Asthmatherapie. Hierbei dient eine begrenzte Zahl von abzufragenden Inhalten dazu, die Einhaltung von Praxisleitlinien und die Effektivität der Versorgung zu überprüfen.


7.8.5.H Patientenbefindlichkeit

Zur Frage der Patientenbefindlichkeit wird die Wertigkeit einzelner Merkmale derzeit untersucht. Im wesentlichen beziehen sie sich auf zwei Fragen:

  • Beeinflusst die Asthmaerkrankung die Befindlichkeit des Patienten möglichst wenig?
  • Ist die Lungenfunktion optimiert?

Man hat verschiedene Lebensqualitätsfragebögen eingesetzt, um den Einfluss des Asthmas auf die Patientenbefindlichkeit zu untersuchen. Solche psychologischen Messinstrumente der Lebensqualität, so einfach sie auch gestaltet sein mögen, sind für die klinische Praxis jedoch nicht empfehlenswert.

Das einfache Scoresystem aus Abbildung 4 kann als Beispiel dienen, wie durch wenige Fragen bereits während der Routineuntersuchung wertvolle Daten zur Befindlichkeit erfasst werden können, die gut mit der Krankheitsaktivität korrelieren [274].

Abbildung 4 Beispiel Score zur Krankheitsaktivität

Wenn Sie die letzten vier Wochen bewerten:

1. Konnten Sie wegen Ihrer Asthmasymptome (oder Husten) nachts schlecht schlafen? Ja/nein

2. Haben Sie am Tag typische Asthmasymptome verspürt (Husten, Giemen, Brustenge oder Atemnot)? Ja/nein

3. Hat das Asthma Sie in den Aktivitäten des täglichen Lebens behindert (z.B. Hausarbeit, Schulbesuch oder Berufstätigkeit)? Ja/nein
 

 

Score

Nein in allen Fragen
Ja in einer Frage
Ja in zwei oder drei Fragen

 

niedrige Krankheitsaktivität
mittlere Krankheitsaktivität
hohe Krankheitsaktivität

 


7.9.H Akute Exazerbationen

Vertrauliche Untersuchungen von Asthmatodesfällen zeigen, dass bei den Patienten häufig im Vorfeld über längere Zeit keine objektiven Lungenfunktionsuntersuchungen vorgenommen wurden [84, 86, 377]. Auch beim schweren Asthmaanfall wird nur selten eine apparative Bestimmung der Atemwegsobstruktion vorgenommen, wobei hier häufig eine Klassifikation anhand der Fähigkeit in ganzen Sätzen sprechen zu können, vorgenommen wird [398, 400, 444].

Eine frühzeitige Behandlung mit oralen Steroiden beeinflusst den Krankheitsverlauf einer akuten Exazerbation positiv und reduziert die Zahl der notwendigen Krankenhauseinweisungen [497, 499].

Patienten mit einem akuten Asthmaanfall sind Zielgruppe für eine Intensivierung der Asthmaschulung, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Selbstbehandlungsplänen.

Zur Qualitätssicherung sollten folgende Aspekte der Asthmakartei überprüft werden:

7.9.1.H Tabelle: Qualitätssicherung und externe Kontrolle

  • Zahl der Patienten in der Asthmakartei
    In Prozent des gesamten Patientenstamms
     
  • Überprüfung der Inhalationstechnik
    In Prozent aller Patienten der Asthmakartei
     
  • Versorgung mit einem individualisierten Behandlungsplan
    In Prozent aller Patienten der Asthmakartei
     
  • Überprüfung der aktuellen bronchialen Obstruktion mittels Peak-flows (PEF) oder FEV1
    In Prozent aller Patienten der Asthmakartei
    (hierbei sollten die Werte der einzelnen Patienten als Prozent des Bestwertes oder als Prozent des Sollwertes angegeben werden und Mittelwerte für die Praxis angegeben werden)
     
  • Anzahl der Konsultationen wegen Asthmasymptomen
    In Prozent aller Patienten der Asthmakartei
     
  • Versorgung mit Langzeittherapeutika (controller)
    In Prozent aller Patienten der Asthmakartei korreliert zu den verschiedenen Behandlungsstufen entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga
    (Beachten Sie, dass die Behandlungsnotwendigkeit durch die aktuelle Symptomkontrolle und die Lungenfunktion bestimmt wird - es besteht sonst die Gefahr, die Patienten auf einer zu hohen Behandlungsstufe zu belassen.)
     
  • Nutzung von kurzwirksamen Bronchodilatatoren (reliever)
     
  • Stabilität der Erkrankung
     
  • Prozentsatz der Patienten, die pro Monat mehr als einen Bronchodilatator benötigen
     
  • Anzahl der Stoßtherapien mit oralen Steroiden wegen Asthmaexazerbation
     
  • Nutzung von Verneblertherapie mit Bronchodilatatoren im Notfall
     
  • Notaufnahmebesuche wegen Asthmaexazerbation
     
  • Notfalleinweisung wegen Asthmaexazerbation
     
  • Diese Daten werden von Disease Management Programmen erfasst

 


7.10.H Standardisierung von Daten

In Tabelle 7.9.1.H finden Sie typische Zielindikatoren zur Dokumentation der Asthmabehandlung. Auch wenn die Diagnose nicht endgültig standardisiert ist und die Fälle einzelner Praxen sich unterscheiden (Case-Mix Index), können routinemäßig erhobene Daten wie das Verschreibungsverhalten oder die von Disease Management Programmen erfassten Daten helfen, sich in Qualitätszirkeln mit anderen Praxen auszutauschen.

Die aktuellen Lungenfunktionsdaten als Prozentsatz des Bestwertes sind in der Praxis ein valides Instrument, die Behandlungsdaten von Patienten mit einem unterschiedlichen Maß der fixierten Obstruktion im Sinne der Qualitätskontrolle zu vergleichen [125].
Die von Disease Management Programmen erfassten Daten sind speziell markiert, um eine doppelte Erfassung zu vermeiden. Im Rahmen der Qualitätskontrolle können sowohl die Qualität der Asthmatherapie einer Praxis bewertet als auch die Patienten identifiziert werden, deren Asthmasymptome schlecht kontrolliert sind.


7.10.1.H Datenerhebung und Informationstechnologie

Die Nutzung von standardisierten Dokumentationsformularen kann bei der Führung des Krankenblattes helfen und die Datenverarbeitung erleichtern. Ebenso befinden sich neue Computerdatenbanken zur Verbesserung der Grundversorgung der Asthmapatienten in Entwicklung. Die vorliegende Leitlinie könnte hierfür ebenfalls dienlich sein.

Bis solche computergestützten Systeme erhältlich sind, kann es nützlich sein, die Qualität der Patientenversorgung anhand einer Stichprobe zu erfassen und dem Qualitätsmanagement zugänglich zu machen. Bei Patienten, die zu diesem Zweck nicht in die Praxis kommen möchten, kann eine Telefonbefragung hilfreich sein.


7.11.H Empfehlungen – Praxisorganisation und Qualitätssicherung

    => Die Verbesserung computergestützter Datenverarbeitung ist notwendig, um eine Qualitätssicherung in der primärärztlichen Behandlung des Asthma bronchiale zu ermöglichen.

    Eine Asthmakartei sollte in jeder Allgemeinpraxis geführt werden. (C)

Zu Forschungs- und Qualitätssicherungszwecken sollte die Datenbank zwischen ‚aktiven‘ und ‚inaktiven‘ Asthmapatienten differenzieren.

Alle Datenbanken müssen Suchfunktionen enthalten und regelmäßig überarbeitet werden.

    Die klinische Verlaufskontrolle sollte strukturiert erfolgen und standardisiert dokumentiert werden. Hierbei sollten Inhalationstechnik, Morbidität, Peak-flow Werte, aktuelle Therapiepläne und Selbstbehandlungspläne erfasst werden. (C)

    Es sollte die Möglichkeit bestehen, die Therapie jedes einzelnen Patienten mit aktuellen Leitlinien abzugleichen. (B)

    Die Allgemeinpraxis sollte allen Asthmapatienten einen unbeschränkten Zugang zur sofortigen Behandlung ermöglichen. (C)

    Der Hausarzt sollte in der Asthmabehandlung ein besonderes Augenmerk auf die komplexen Bedürfnisse ethnischer Minderheiten, sozial benachteiligter Patienten und solcher mit Kommunikationsbehinderungen haben (C).

    In einer Gemeinschaftspraxis sollte ein Arzt für die Behandlungsplanung und Schulung der Asthmapatienten verantwortlich sein. (C)

    Alle Praxismitarbeiter sollten bei der Planung von Asthmatherapie und Asthmaschulung mit einbezogen werden. (C)

    Nichtärztliches Personal sollte nur entsprechend seines Ausbildungsstands als Asthmatrainer eingesetzt werden. (C)

    Die Teilnahme an regelmäßigen Qualitätszirkeln ist wünschenswert. (C)

    Ärzte sollten regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen, die besonderen Wert auf die Selbstregulationstheorie in der Asthmatherapie legen. (A)

    Im Rahmen der Qualitätssicherung sollten Patienten mit aktivem Asthma und solche mit asthmaspezifischer Medikation unter folgenden Aspekten bewertet werden:

      hat aktuell keine oder nur geringfügige Symptome, (C)
      kann mit dem verschriebenen Inhalationssystem korrekt umgehen, (A)
      verwendet inhalative Steroide, (A)
      hat eine normale Lungenfunktion (PEF oder FEV1 > 80 % des Sollwertes),(C)
      aktueller PEF oder FEV1 Wert > 85 % des Bestwertes (C),
      Vorliegen eines Selbstbehandlungsplanes. (A)

Im Rahmen der Qualitätssicherung sollten in der Praxis bei Asthmapatienten, die notfallmäßig oder ohne Voranmeldung in die Sprechstunde kommen, folgende Aspekte dokumentiert werden:

    Messung von PEF oder FEV1 (C)

    Verordnung oraler Steroide (A)

    Wiedereinbestellung nach der Notfallkonsultation zur Objektivierung der klinischen Besserung und Intensivierung der Patientenschulung, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz eines Selbstbehandlungsplans. (C)

    => Die Verbesserung computergestützter Datenverarbeitung ist notwendig, um die Qualitätssicherung in der primärärztlichen Behandlung des Asthma bronchiale zu ermöglichen.


7.12.H Zusammenarbeit mit Fachärzten und Krankenhaus


7.12.1.H Überweisung zum Pneumologen

Die Überweisung zum Pneumologen oder pulmologisch geschulten Kinderarzt sollte entsprechend der Leitlinien erfolgen.

  • Gründe zur Überweisung sind zum Beispiel:
  • Schwierigkeiten der Diagnosestellung
  • Fehlende Besserung unter Therapie
  • Berufsbedingtes Asthma bronchiale
  • Instabiles (‚brittle‘) Asthma
  • Krankenhauseinweisung mit lebensbedrohlichem Asthma bronchiale
  • Andere Probleme oder Fragestellungen, die der Allgemeinarzt nicht bewältigen kann
  • Eine Überweisung zum Pneumologen sollte stets erfolgen, wenn Unklarheiten bei Diagnose oder Therapie bestehen oder eine berufsbedingte Erkrankung vermutet wird. (C)


7.12.1.1.H Überweisungsschreiben

Die Behandlungsqualität verbessert sich durch ein Überweisungsschreiben, welches folgende Information enthält:

  • Grund der Überweisung, Behandlungsaspekte, für die Hilfestellung benötigt wird und Erwartung längerfristiger Maßnahmen.
  • Eventuell gewünschte längerfristige Mitbehandlung.
  • Gesichtspunkte des familiären und sozialen Umgebungsumfelds, sofern diese für den Fall relevant sind.
  • Bereits durchgeführte Diagnostik und Therapie einschließlich der verwandten Medikation und deren Dosierung.


7.12.1.2.H Mitbehandlung

Die gemeinsame Behandlung von Allgemeinarzt und Pneumologen setzt einen gut funktionierenden wechselseitigen Informationsaustausch voraus. Die Zusammenarbeit von Spezialist und Primärarzt ist gut untersucht worden und hat ihren Wert insbesondere bei der Behandlung folgender Patientengruppen mit Asthma bronchiale [217]:

  • Patienten mit instabilem oder schwer einzustellendem Asthma bronchiale.
  • Patienten, die sich trotz intensiver Schulung durch den Allgemeinarzt und seines Personals in der Selbstkontrolle ihrer Asthmaerkrankung unsicher fühlen.
  • Patienten mit einer Steroiddauertherapie.
  • Situationen, in denen Allgemeinarzt und Pulmologe der Meinung sind, dass eine gemeinsame Behandlung erforderlich ist.


7.12.1.3.H Kommunikation zwischen Primärarzt und Spezialist

Zur Verbesserung des Qualitätsstandards der Asthmabehandlung ist ein ständiger Informationsaustausch zwischen Primärarzt und Spezialist erforderlich. Notwendig ist eine gemeinsame Fortbildung, die Entwicklung von Therapiestrategien sowie der regelmäßige Informationsaustausch zur Qualitätskontrolle. Solche Aktivitäten sind trotz intensiver zeitlicher Beanspruchung in der Allgemeinarzt- oder Spezialpraxis zwingend erforderlich.

    Eine qualitativ gute Asthmabehandlung setzt einen intensiven Informationsaustausch und gute Kommunikation voraus. (C)


7.12.2.H Fachschwestern/ -Pfleger in der pulmonologischen Betreuung

Diese Aspekte sind zur Zeit in Deutschland nicht relevant, könnten aber im Rahmen der ambulanten Versorgung in Zukunft beinhalten:

  • Pflegeüberleitung vom Krankenhaus zur gemeindenahen Versorgung. Einhaltung von Kontrollterminen, Verbesserung des Informationsaustausches und Einhaltung von Entlassanweisungen.
  • Bindeglied zwischen Allgemeinpraxis und Krankenhaus und Informationsträger für die Asthmabehandlung.
  • Sicherstellung des Informationsaustausches und Weiterbehandlung bei Patienten, die ambulant in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandelt werden.
  • Sicherstellung oder Ergänzung der durch Krankenhaus oder Allgemeinpraxis durchgeführten Asthmaschulung.
  • Koordination der Versorgung mit Inhalationsgeräten.
  • Koordination der Wartung von Inhalationsgeräten.
  • Fachschwestern und –Pfleger sollten die Möglichkeiten der ambulanten und stationären Versorgung in ihrem Bereich kennen. Sie sollten eine Ausbildung zum Asthmatrainer besitzen. Außerdem sollten sie der Aufgabe angemessene Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten besitzen.


7.12.3.H Krankenhauseinweisung

Jeder Patient mit Zeichen des lebensbedrohlichen Asthmas oder mit akutem schwerem Asthma bronchiale, welches binnen 15-30 Minuten nicht auf die Therapie anspricht, sollte ins Krankenhaus eingewiesen werden [247].

Bei instabilem (‚brittle‘) Asthma oder in der Nacht sollte die Indikation zur Krankenhauseinweisung großzügig gestellt werden [75]. Die meisten Asthmatodesfälle ereignen sich in der Nacht [70].


7.12.3.1.H Inhalt der Einweisung

Jeder wegen Asthmaexazerbation ins Krankenhaus eingewiesene Patient sollte neben der Einweisung einen Kurzbrief erhalten, aus dem folgendes hervorgeht:

  • Patientendaten
  • Aktueller Untersuchungsbefund
  • Liste der akut applizierten Medikamente (einschließlich Sauerstoff)
  • Häusliche Medikation
  • Weitere relevante Information

Für die Praxis sollte ein Standardbrief entworfen werden, der diese Informationen enthält und der dem Notfallkoffer beiliegt. Dies spart Zeit und liefert dem aufnehmenden Arzt alle benötigten Informationen.


7.12.4.H Krankenhausentlassung (Arztbrief)

Der Hausarzt sollte alle relevanten Informationen über den Krankenhausaufenthalt binnen 72 Stunden erhalten.

    Der Kurzbericht muss in wenigen Sätzen alle relevanten Informationen enthalten. (C)

    Der Hausarzt benötigt insbesondere Informationen über (C)

      Steroidtherapie (Dauer und Dosierung)
      Entlassungsmedikation
      Peak-flow-Wert (PEF) bei Entlassung
      Plan zur Verlaufskontrolle

    Idealerweise mit dem Kurzbericht, spätestens aber 2 Wochen nach Entlassung benötigt der Hausarzt einen Arztbrief mit folgenden Informationen: (C)

      Detaillierte Epikrise
      Absprachen zum Entlasszeitpunkt, z.B. weiterführende Diagnostik
      Langfristige Planungen

 

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Eine Aktualisierung dieser Leitlinien ist nicht geplant (Stand September 2007)

 

 

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Update:03/09/09

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