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Leitlinie “Kolorektales Karzinom, Screening und Prävention” Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007) Kolorektales Karzinom: Entstehung, Verantwortlichkeit, Gültigkeit und Copyright der Leitlinie: KR-K Disclaimer
Gliederung der Volltextversion, Kapitel: 1. Asymptomatische Bevölkerung 3. Endoskopische Diagnostik und Behandlung von Polypen und Karzinomen
1. Asymptomatische Bevölkerung 1.1 Primärprävention bei der asymptomatischen Bevölkerung Im ersten Teil der Bochumer Konsensuskonferenz wurde überprüft, ob durch Empfehlungen zur Ernährung, zu Lebensgewohnheiten, zu Mikronährstoffen und zu Medikamenten die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms, d.h. das Risiko bei der asymptomatischen Bevölkerung, reduziert werden kann. Alle Empfehlungen zur Primärprävention bei der asymptomatischen Bevölkerung wurden einstimmig verabschiedet. Es werden nur neuere Studien zitiert. Eine umfassende Darstellung der Literatur bis 1996 findet sich bei (135).
Epidemiologische Untersuchungen weisen auf einen Zusammenhang zwischen westlichem Ernährungstyp und erhöhter Inzidenz kolorektaler Karzinome hin (104). Mehrheitlich zeigen Studien, dass eine faserreiche Kost protektiv wirkt (35, 50, 55, 119). Tierexperimentelle Daten und epidemiologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass gesättigte Fette ein höheres Risiko darstellen als ungesättigte pflanzliche Fette (73). Es besteht eine Assoziation zwischen der Menge an verzehrtem Fleisch und dem Auftreten eines kolorektalen Karzinoms, wobei insbesondere bei Aufnahme von rotem Fleisch das Risiko erhöht ist (35, 96, 120). In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben zum Einfluss von Alkohol auf die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms. (68, 90). Unklar ist insbesondere, ob Bier mit einem höheren Risiko vergesellschaftet ist als andere alkoholische Getränke.
Verschiedene Studien zeigen übereinstimmend, dass körperliche Aktivität das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt, während ein sitzender Lebensstil das Risiko erhöht (105, 133). Bei übergewichtigen Personen war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht (105, 133), wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist.
1.1.3 Mikronährstoffe und Medikamente
In zahlreichen Studien wurde der Einfluss von Mineralien, Vitaminen und Medikamenten auf die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms untersucht. In der Mehrzahl dieser Studien ist es allerdings nicht möglich, einen Effekt auf eine einzelne Substanz zurückzuführen. 1.2 Screening bei der asymptomatischen Bevölkerung 1.2.1 Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT) “Haemoccult”
Die Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (FOBT) stellt ein geeignetes Screening für ein kolorektales Karzinom dar mit einer nachgewiesenen Senkung der KRK-bedingten Mortalität (48, 60, 62, 75, 112). Eine Metaanalyse bisher durchgeführter Studien ergab bei regelmäßiger Testdurchführung eine Senkung der KRK-Mortalität um 23% (112). Es empfiehlt sich, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen. Da zwei Drittel aller KRK im Verlauf einer Woche bluten, wird die wiederholte Testung zur zuverlässigeren Erkennung von KRK führen (48, 60, 62, 75, 124). Die jährliche Testung ist der Testung im Abstand von zwei Jahren in Bezug auf die Reduktion der Mortalität eindeutig überlegen (124). Bereits bei einmalig positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut ist eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich. Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal-oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Bei positivem FOBT ist eine Wiederholung zur Bestätigung des Ergebnisses abzulehnen. Eine Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen. Die Sensitivität des Test hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab (39). Eine Rehydrierung der Testbriefchen steigert die Sensitivität des Screenings signifikant, jedoch zu Lasten der Spezifität (124), sodass sich nach derzeitigem Kenntnisstand bei Verwendung eines rehydrierten Tests für die Detektion eines KRK 17-50 Patienten einer kompletten Koloskopie unterziehen müssten. Im Gegensatz dazu sind bei Verwendung eines nicht-hydrierten Tests für die Erkennung nur 6-10 Koloskopien erforderlich, ohne dass eine geringere Krebsdetektionsrate für den nicht-hydrierten Test belegt ist. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven
Testergebnisse und somit auch die Zahl der erforderlichen kompletten Koloskopien reduzieren kann (39, 124). Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten in Form eines Merkblatts über Faktoren, die das Testergebnis beeinflussen könnten, zu informieren. Aufgrund der deutlichen Zunahme des KRK ab dem 50. Lebensjahr wird dieses Alter als sinnvoller Screening-Beginn angesehen (124). Eine obere Altersbegrenzung kann bei fortschreitender Lebenserwartung in westlichen Länden bei jetziger Datenlage nicht gegeben werden.
Auch die Sigmoidoskopie als Screening-Verfahren führt zu einer Senkung der Mortalität der KRK des Rektosigmoids um etwa 60 bis 80% (80, 83, 102). Sie weist eine hohe Sensitivität und Spezifität für Polypen und Adenome auf und bietet darüber hinaus die Möglichkeit zur Abtragung und histologischen Begutachtung. Auf der Basis der gegenwärtigen Datenlage erscheint eine Wiederholung der Untersuchung alle 5 Jahre sinnvoll. Die Sigmoidoskopie sollte als Screening-Test für das KRK ab dem 50. Lebensjahr erfolgen. Da durch die Sigmoidoskopie proximal gelegene Tumoren nicht entdeckt werden können, ist zusätzlich weiterhin ein jährlicher FOBT erforderlich (s. 1.2.1). Die Kombination beider Verfahren ist der alleinigen Sigmoidoskopie überlegen (123).
Die komplette Koloskopie ist eine sinnvolle Alternative als alleinige Screening-Untersuchung zur Diagnose eines KRK (124, 130). Die Koloskopie bietet als einziges Verfahren die Diagnose und endoskopische Abtragung präneoplastischer Läsionen im gesamten Kolon (130). Die Koloskopie muss die digitale rektale Untersuchung immer mit einschließen. Die Altersverteilung der Erkrankung und der Übergang vom Adenom zum Karzinom lassen vermuten, dass das 55. Lebensjahr einen sinnvollen Beginn für das Screening mittels Koloskopie darstellt. Schätzungen, die auf Untersuchungen zur Prokto-Sigmoidoskopie beruhen, lassen vermuten, dass bei unauffälligem Untersuchungsbefund erst nach Ablauf von 10 Jahren eine Kontrolle erforderlich ist, da das Zeitintervall der Entwicklung eines Polypen zum Karzinom 10 Jahre nicht unterschreitet (79, 83, 102, 124). In Anbetracht der Lebenserwartung in westlichen Ländern scheint die Empfehlung der Koloskopie bis zum 75. Lebensjahr gerechtfertigt, wenngleich individuelle Überschreitungen dieser Empfehlung sinnvoll sein mögen.
Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu einer von drei definierten Risikogruppen:
2.1 Sporadisches kolorektales Karzinom 2.1.1.1 Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom
Für Verwandte ersten Grades ist das mittlere Risiko nahezu verdoppelt. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn der Indexpatient sein kolorektales Karzinom vor dem 60. Lebensjahr entwickelt hat und/oder mehr als ein Verwandter ersten Grades betroffen ist (13, 33, 42, 43, 67, 99, 106, 108). In dieser Altersgruppe < 50 Jahren befinden sich allerdings auch bislang unentdeckte hereditäre Kolonkarzinome (z.B. HNPCC; siehe 2.2.2.3). Verwandte zweiten und dritten Grades von Patienten mit kolorektalen Karzinomen haben ein theoretisch erhöhtes Karzinomrisiko (RR ca. 1.3); dieses ist aber derzeit nur unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert (47, 54).
2.1.1.2 Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom
Das Risiko dieser Verwandten, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, ist im Mittel etwa 1.6-fach bis 1.8-fach gegenüber der Normalbevölkerung gesteigert (3, 129); es besteht ein 80% höheres Risiko bei Eltern und Geschwistern von Adenompatienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern (129). Auch hier korreliert die Risikohöhe negativ mit Alter des Indexpatienten: Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere Risiko ca. 2.6-fach erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4.4-fach erhöht (3). Ist der Indexpatient älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht. 2.1.1.3 Patienten mit kolorektalen Adenomen
Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Polypen im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln (5, 125, 130). Dies reflektiert den Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz; Kontrolluntersuchungen dienen insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron aufgetretener Adenome. Adenome > 1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert (5, 85, 113). Auch bei multiplen Adenomen ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (ca. 6-fach) gesteigert (5, 113). Hierbei dürfte das erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen: beim koloskopischen Nachweis von 3 oder mehr Polypen besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden (8, 94). Hyperplastische Polypen (meist < 5 mm) weisen im Gegensatz zu adenomatösen Polypen kein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome auf. 2.1.2 Empfehlungen zur Primärprävention
Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen (s.o.) auch für die Angehörigen der Risikogruppen übernommen werden; für spezielle Maßnahmen fehlen derzeit gesicherte Daten (59, 128). 2.1.3.1 Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom
A. Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei
jüngerem Manifestationsalter beim Indexpatienten, erhöht. So entspricht bei positiver Familienanamnese die Erkrankungswahrscheinlichkeit für ein kolorektales Karzinom in der Altersgruppe der 45-Jährigen derjenigen der 55-Jährigen in der Normalbevölkerung (13, 33, 42, 43, 47, 67, 78, 87, 99, 106, 108) (siehe auch Abschnitt 2.1.1.1). Ist mehr als ein Verwandter ersten Grades an einem kolorektalen Karzinom erkrankt und war der Indexpatient bei der Karzinommanifestation jünger als 45 Jahre, sollten die
Vorsorgeuntersuchungen spätestens mit 35 Jahren beginnen und zunächst alle 3-5 Jahre wiederholt werden. 2.1.3.2 Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom:
Die Empfehlung basiert auf dem in Abschnitt 2.1.1.2 dargelegten erhöhten Risiko dieser Population (3, 33, 54, 124,128, 129). 2.1.3.3 Patienten mit kolorektalem Karzinom in der Vorgeschichte <<fehlt>> 2.2 Hereditäre kolorektale Karzinome Hereditäre kolorektale Karzinome sind selten (ca. 5 % aller kolorektalen Karzinome). Allerdings hat die Diagnose erhebliche Konsequenzen für die Patienten und ihre Verwandten. Aufgrund der Verbesserung molekulargenetischer Techniken und zunehmender Aufschlüsselung der Genotyp-/Phänotypbeziehung sollte im Verdachtsfall Kontakt mit einem Zentrum aufgenommen werden. Wichtig ist auch, dass alle Patienten mit sog. hereditären kolorektalen Karzinomen ein zusätzlich erhöhtes Risiko extrakolischer Neoplasien haben. 2.2.1.1 Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP)
Patienten mit unbehandelter FAP entwickeln nahezu ausnahmslos ein kolorektales Karzinom. Hinzu kommen bei einigen Patienten extrakolonische intestinale Manifestationen wie Drüsenkörperzysten im Magen und Adenome vor allem im Duodenum und extraintestinale Manifestationen wie maligne ZNS-Tumoren, (abdominale und extraabdominale) Fibromatosen (Desmoidtumoren) sowie harmlose, jedoch oft diagnostisch wegweisende Osteome, Atherome oder Pigmentanomalien der Retina (31). 2.2.1.2 Attenuierte Familiäre Adenomatöse Polyposis
Anders als bei FAP entstehen bei der AAPC typischerweise weniger als 100 kolorektale Adenome. Extrakolische Manifestationen (z.B. Desmoide) können auftreten (31, 107). 2.2.1.3 Hereditäres Non-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom - Anlageträger
2.2.1.4 Patienten mit hamartomatöser Polyposis
2.2.2.1 Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen über die Eltern. Die Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da die frühesten Kolonkarzinome bei FAP-Anlageträgern mit 15 Jahren beobachtet wurden. Die molekulargenetische Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung des Gendefekts durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Ein Mutationsnachweis gelingt bei ca. 70 % der Patienten. Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP verantwortlichen Gendefekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammengenommen gelingt die molekulargenetische Diagnostik in über 90 % der Fälle. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in vielen Familien eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Bei ca. 70% der FAP-Patienten liegen harmlose kongenitale Hypertrophien des retinalen Pigmentepithels (CHRPE) vor. Ihr Auftreten ist von der zugrundeliegenden APC-Mutation abhängig und damit bei den Betroffenen innerhalb einer Familie weitgehend einheitlich. Wegen des kongenitalen Auftretens liegen CHRPE also auch schon bei Kindern von CHRPE-positiven FAP-Patienten vor. Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen nachgewiesen worden, so können weiter proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In diesem Falle schließt sich eine komplette Koloskopie an, die, je nach Befund, in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollte.
Die rechtzeitige Proktokolektomie ist zur Verhinderung des kolorektalen Karzinoms entscheidend. Nach der Beobachtung zum natürlichen Verlauf der FAP entsteht das Karzinom im Median im 36. Lebensjahr (15). Nach Kolektomie mit Belassung des Rektums beträgt das Risiko der Entstehung eines Rektumstumpfkarzinoms ca. 13% nach 25 Jahren (25). Aus diesem Grunde wird bei der klassischen FAP die Proktokolektomie empfohlen. Da viele Patienten Polypen im Bereich des Pouches nahe der ileoanalen Anastomose entwickeln, die maligne entarten können, wird eine jährliche Pouchoskopie empfohlen. Viele Zentren führen nicht konsequenterweise eine Proktokolektomie durch. In diesem Falle ist die jährliche Kontrolle des Rektumstumpfes erforderlich, ggf. mit Abtragung neu auftretender Polypen. Es ist nicht sicher, ob das nicht-steroidale Antiphlogistikum Sulindac, das zu einer Reduktion rektaler Adenome führt (132), auch das Risiko der Karzinomentstehung bei diesen Patienten senkt.
Über 80% aller Patienten mit klassischer FAP entwickeln Adenome des Duodenums und Drüsenkörperzysten im Magen. Das Risiko kolektomierter FAP-Patienten, an einem Duodenalkarzinom zu versterben, beträgt ca. 10% (4). Derzeit ist nicht klar, ob die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung des Duodenums lebensverlängernd ist (114).
Da die attenuierte Form der FAP ein seltenes Krankheitsbild ist (< 5 % der Individuen mit FAP), können keine klaren Empfehlungen gegeben werden.
2.2.2.3 Hereditäres Non-Polyposis Coli Kolonkarzinom (HNPCC)
Der Phänotyp des HNPCC beinhaltet nicht wie bei der FAP gesetzmäßig schon im Kindesalter auftretende präkanzeröse Läsionen (Adenome). Aus diesem Grunde wurden Kriterien definiert (siehe Tabellenanhang), die es sinnvoll erscheinen lassen, eine Mutationssuche durchzuführen. Tumoren von Patienten mit HNPCC weisen zu > 80% eine so genannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI) auf. Dieses Phänomen geht auf den zugrundeliegenden Defekt eines DNA-Reparaturenzyms zurück, durch den bei der Zellteilung entstehende Basenfehlpaarungen nicht mehr korrigiert werden können. Solche Fehlpaarungen treten besonders leicht an Stellen repetitiver kurzer DNA-Fragmente auf (sog. Mikrosatelliten). In Reparatur-defizienten HNPCC-Tumoren findet sich deshalb typischerweise an vielen Stellen des Genoms ein vom Wildtyp der normalen Zellen abweichendes Mikrosatellitenmuster, was zur Bezeichnung “Mikrosatelliteninstabilität” geführt hat.
Kolonkarzinome bei HNPCC-Patienten treten im Median im 46. Lebensjahr auf. Mehr als 50 % dieser Karzinome befinden sich im rechtsseitigen Kolon (1). Aus diesem Grunde reicht eine Rektoskopie bzw. Rektosigmoidoskopie als Vorsorgeuntersuchung nicht aus.
Die Anlageträger für ein HNPCC haben Mutationen in sog. mismatch repair-Genen. Bislang konnten Keimbahnmutationen in 5 verschiedenen Genen nachgewiesen werden: hMSH2, hMLH1, hPMS1, hPMS2, hMSH6. Über 90% der bislang identifizierten Mutationen liegen in den Genen hMSH2 und hMLH1 (86). Eine genetische Untersuchung kann erst nach humangenetischer Beratung durchgeführt werden. Die entsprechende Untersuchung sollte in Zentren erfolgen. Der fehlende Nachweis einer Keimbahnmutation eines mismatch repair-Genes bei einer Risikoperson, bei zuvor erfolgtem Nachweis dieser Keimbahnmutation bei dem Indexpatienten, schließt ein Genträgertum mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.
Diese Empfehlung ergibt sich aus dem natürlichen Verlauf des HNPCC, der allerdings stark variiert. Bei Anlageträgerinnen beträgt das Risiko, bis zum 70. Lebensjahr ein Endometriumkarzinom zu entwickeln, > 40 % und für ein Ovarialkarzinom > 5 % (1). Wegen des erhöhten Risikos von Urothelkarzinomen (> 5 %) soll eine urinzytologische Untersuchung durchgeführt werden. Ein kleiner Teil der Genträger entwickelt hepatobiliäre oder Pankreaskarzinome. Hieraus resultiert die Empfehlung zur Oberbauchsonographie.
Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome in einem Stadium entdeckt werden, das bei fast allen Patienten eine R0-Resektion erlaubt, sollte - schon im Sinne der Lebensqualität - keine prophylaktische Kolektomie erfolgen. Bei Nachweis eines Karzinoms werden die Patienten nach tumorchirurgischen Gesichtspunkten operiert. Das Risiko eines kolorektalen Karzinoms im verbliebenen Dickdarm und das Risiko von extrakolischen Neoplasien bleibt jedoch deutlich erhöht. Aus diesem Grunde müssen diese Patienten einer intensiven postoperativen Nachsorge zugeführt werden. 2.2.2.4 Hamartomatöse Polyposis
Aufgrund der Seltenheit der Krankheitsbilder können derzeit noch keine generellen Überwachungsempfehlungen gemacht werden. Die meisten Studien sind retrospektiv und umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms um den Faktor 18-50 gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht (10, 36).
Einige theoretische Überlegungen sprechen dafür, dass nichtsterodiale Antiphlogistika entweder über eine direkte Cox-2 Inhibition und/oder eine Apoptoseinduktion im proliferierenden Gewebe Polypen bei der FAP verkleinern können bzw. das Entstehen von Polypen verhindern können. Allerdings wurde bisher nicht schlüssig gezeigt, dass dieses Konzept die Ausbildung kolorektaler Karzinome verhindert. Weitere Maßnahmen wie die Gabe von Vitaminen, Calcium oder Gallensäuren, um das individuelle Gallensäuremuster zu ändern, wurden nur sporadisch eingesetzt und erlauben keine Schlüsse zur Primärprävention.
2.3 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Die in Skandinavien verbreitete (bei uns unübliche) prophylaktische Proktokolektomie bei Patienten mit Colitis ulcerosa nach 8 Jahren ohne vorherige regelmäßige endoskopische Überwachung erklärt die geringe, gegenüber der Erwartung nur insignifikant erhöhte Inzidenz kolorektaler Karzinome bei Patienten mit Colitis ulcerosa in einer dänischen Studie (71); hierzu dürfte noch der günstige Einfluss moderner medikamentöser antiinflammatorischer Therapien der Grundkrankheit eine Rolle spielen (11).
Die Datenlage zum M. Crohn ist spärlich und teilweise uneinheitlich (5, 9, 29, 41, 88). So schwanken die Angaben zum kolorektalen Karzinomrisiko zwischen keinem und einem 3,5- bis 7-fachen erhöhten Karzinomrisiko. Die Aussagekraft der meisten Studien zum kolorektalen Karzinomrisiko beim Morbus Crohn ist durch zu geringe Fallzahlen eingeschränkt. Für die Studien, die keinen Zusammenhang zwischen einem erhöhten kolorektalen Karzinomrisiko und einem Morbus Crohn beobachtet haben (9, 37), ist kritisch anzumerken, dass durchweg methodische Schwächen die Aussage relativieren. So war der Anteil von Crohn-Patienten mit einem Kolonbefall zu gering bzw. mit ausgedehnten Kolonresektionen zu hoch und/oder die Verlaufsbeobachtung zu kurz. 2.3.1.3 Andere entzündliche Dickdarmerkrankungen
Hinweise in neueren Arbeiten über ein ca. 1.8-fach erhöhtes linksseitiges Karzinomrisiko sowie über eine Wnt 2-Gen Überexpression bei Patienten mit Divertikulitis (111, 116) können derzeit nicht als abgesichert gelten. Bei kollagener Kolitis gibt es nur kasuistische Hinweise auf ein gesteigertes Risiko (12).
Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass einer optimalen medikamentösen entzündungshemmenden Behandlung der Grundkrankheit eine präventive Wirksamkeit gegen das kolorektale Karzinom zukommt (89). Hierbei haben 5-ASA Präparate und Sulfasalazin offenbar unabhängig von der Krankheitsaktivität einen protektiven Effekt durch ihre antientzündliche Aktivität, Inhibition der Prostaglandinsynthese und antibakterielle Wirksamkeit. Daneben gibt es Hinweise auf einen dosisabhängigen protektiven Effekt von Folsäure bei langdauernder, ausgedehnter Colitis (70).
Die Mortalität an kolorektalen Karzinomen kann bei Colitispatienten durch regelmäßige koloskopische Überwachung offenbar signifikant gesenkt werden (17, 21, 58). Stufenbiopsien sollten hierbei möglichst in der Remission gewonnen werden, da die histomorphologische Abgrenzung von entzündlichen gegenüber niedrig-dysplastischen Veränderungen schwierig sein kann. Es sind 2 - 4 Biopsien im Abstand von 10 -12 cm, insgesamt mindestens 40-50 Biopsien zu entnehmen. Die Biopsien sollen aus allen makroskopisch auffälligen Arealen, aber auch aus makroskopisch unauffälliger Schleimhaut erfolgen.
Beim Nachweis einer Dysplasie und deren Bestätigung durch einen unabhängigen Pathologen spielt (im Gegensatz zu älteren Empfehlungen) der Dysplasiegrad keine Rolle für die Entscheidung zur Kolektomie (44, 52). Der Stellenwert der Pouchoskopie ergibt sich aus der Häufigkeit der chronischen Pouchitis, die ihrerseits als Risikofaktor für eine Neoplasie verdächtigt wird; diese dürfte sich aus einer auch die ileale Mukosa betreffende Entzündungs-Dysplasie-Karzinom-Sequenz ableiten (44). Die Nachbeobachtungszeit nach ileoanalem Pouch ist allerdings noch zu kurz, um die Höhe des Karzinomrisikos quantitativ abschätzen zu können (52). Die v.a. in Skandinavien teilweise geübte prophylaktische Proktokolektomie nach langjähriger Pankolitis ohne vorher durchgeführte regelmäßige endoskopische Überwachung wird nicht empfohlen (92).
Da die endoskopische Diagnostik im Krankheitsverlauf bei jedem Patienten individuell zu planen und an aktuelle Problemstellungen anzupassen ist, andererseits aber keine Daten über die Wertigkeit einer endoskopischen Überwachung vorliegen, sind generelle Empfehlungen zum jetzigen Zeitpunkt trotz des oben beschriebenen erhöhten Risikos für ein kolorektales Karzinom nicht möglich. Die Indikation zur Koloskopie (über die Screening-Empfehlungen für die Normalbevölkerung hinaus) wird somit nur von konkreten klinischen Fragestellungen im Rahmen der Grundkrankheit bestimmt. 3. Endoskopische Diagnostik und Behandlung von Polypen und Karzinomen 3.1 Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik des KRK
Die Koloskopie ist das sensitivste Verfahren zur Detektion eines kolorektalen Karzinoms und stellt deshalb das Standardverfahren dar. Bei einer hohen Koloskopie muss das Coecum erreicht werden. Dies sollte bei 95% der Untersuchungen möglich sein, vorausgesetzt, es liegen keine unpassierbaren Stenosen vor. Im Vergleich zum Kolondoppelkontrasteinlauf ist die Koloskopie sensitiver und ermöglicht eine histologische Diagnostik oder therapeutische Interventionen. Bei aus technischen Gründen unvollständiger Koloskopie muss eine Röntgenuntersuchung in Doppelkontrasttechnik angeschlossen werden. Aus diesen Gründen sollte bei positivem FOBT oder zur Abklärung eines Tumorverdachts eine komplette Koloskopie durchgeführt werden. Zur Tumorlokalisation und Ausdehnung wird die Koloskopie bevorzugt, ggf. mit Röntgendokumentation (32, 95). Die Durchleuchtung ist exakter als die endoskopische Bestimmung nach anatomischen Strukturen oder die Lokalisation mittels Diaphanoskopie. Eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte, wenn überhaupt, nur im Rektosigmoid erfolgen.
Die komplette Koloskopie sollte erfolgen, um neoplastische Läsionen proximal der Tumorstenose zu identifizieren. Eindeutige stützende Literaturangaben sind nicht verfügbar. Ein präoperativer Kontrasteinlauf mit Barium oder Gastrografin erlaubt keinen zuverlässigen Ausschluss einer synchronen Neoplasie.
3.2 Sigmoidoskopie versus Koloskopie
Zur Abklärung eines positiven FOBT bzw. eines Tumorverdachtes wird von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe die Koloskopie bevorzugt, da hiermit auch die zunehmend rechtsseitig auftretenden Adenome und Karzinome erkannt werden. Wird initial eine Sigmoidoskopie durchgeführt, sollte beim Nachweis neoplastischer Polypen eine komplette Koloskopie erfolgen. Dieses Vorgehen gilt auch bei dem Nachweis von Adenomen < 5 mm und ist unabhängig von der Anzahl der Adenome. Bei nicht neoplastischen Polypen ist die Datenlage nicht eindeutig. Überwiegend wird keine weitere Diagnostik vorgeschlagen (2, 93, 100, 118, 126, 136). Chromoendoskopie und Zoomendoskopie sind besonderen z.Zt. wissenschaftlichen Fragestellungen (z.B. flat adenoma, kleine de novo Karzinome) vorbehalten (49, 57, 63, 64, 65, 66).
Diese Vorgehensweise wird weder von der Lokalisation noch von der Zahl der Polypen beeinflusst. Bei Polypen < 5 mm sind Adenome mit invasiven Karzinomen Raritäten. Es ist anzustreben, dass diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die Möglichkeit zur Polypektomie besteht. (79, 124, 127, 130).
Voraussetzung für die Polypektomie großer Polypen ist die Erfahrung des Therapeuten (18). So ist die Polypengröße, die Wuchsform, die Lokalisation sowie der Allgemeinzustand des Patienten zu berücksichtigen. Das erhöhte Perforationsrisiko im proximalen Colon ist ebenfalls zu berücksichtigen. Alternative Verfahren (chir. Resektion, transanale Abtragung) sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen. Abgetragene Polypen sollten eine Markierung der basalen Anteile (Abtragungsfläche) durch Anbringen einer Stecknadel oder durch “Tipp-Ex” erhalten. Alternativ ist auch eine Fixierung auf einer Korkplatte möglich, wenn die unmittelbare Weiterbearbeitung durch den Pathologen erfolgt. Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Gesunden ist strittig (18, 22, 23, 24, 28, 81). Eine Polypenlokalisation durch Durchleuchtung ist wünschenswert. Die Lokalisation von Polypen darf nur dann durch die Angabe der eingeführten Gerätelänge beschrieben werden, wenn diese im Rektum oder unteren Sigma liegt, da die Ungenauigkeit der Angabe mit der Entfernung zur Anokutanlinie wächst. Die Durchleuchtung ist exakter als die endoskopische Bestimmung nach anatomischen Strukturen oder die Lokalisation mittels Diaphanoskopie. Eine endoskopische Markierung ist nur in besonderen Fällen präoperativ angezeigt, die bessere Alternative ist die intraoperative Koloskopie zur Lokalisation des Polypen bzw. dessen Abtragungsstelle.(32)
3.5 Endoskopische Kontrollen nach kompletter Polypektomie
Die Empfehlungen zur Nachsorge nach Polypektomie gelten bei vollständiger Abtragung unabhängig von der Anzahl der Polypen. Bei multiplen Polypen bestimmt der ungünstigste histologische Befund das weitere Vorgehen. Entsprechendes gilt für Adenome < gleich 5 mm nach Zangenentfernung. Nach Abtragung nicht neoplastischer Polypen gelten die allgemeinen Regeln zur KRK-Prävention (24, 28, 77, 81, 117, 121, 122, 124, 131, 137).
3.6 Kontrollendoskopien bei unvollständiger Ektomie der Polypen
3.7 Medikamentöse Sekundärprävention
Anlage 1: Anlage 2:
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