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Kopfschmerzen und Migräne Therapie
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Kopfschmerzen und Migräne

Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie
Entwickelt durch das Wissensnetzwerk „evidence.de“ der Universität Witten/Herdecke

Version 4/2003
Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007)

Therapie Haupttext

Die hier vorliegende Version richtet sich an Ärzte und Gesundheitsfachleute.
Für Betroffene, Angehörige und Betreuer existiert eine
Patientenleitlinie.

Die Leitlinie Kopfschmerzen in der Version 4/2003 basiert auf anderen nationalen und internationalen Leitlinien-Dokumenten, die übersetzt, inhaltlich und formell überarbeitet und an hausärztliche Erfordernisse angepasst wurden. Eine Aktualisierung wird nicht mehr vorgenommen.
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Entwicklung der Leitlinie, Autoren, Copyright...

Gliederung (Fortsetzung: Therapie Haupttext)

    4. Therapie
      4.1 Therapie des Spannungskopfschmerzes
        4.1.1 Behandlungsindikation und -ziel
        4.1.2 Nichtmedikamentöse Therapie und Prophylaxe
        4.1.3 Empfehlungen zur nichtmedikamentösen Therapie bei Spannungskopfschmerzen
        4.1.4 Medikamentöse Therapie
          4.1.4.1 Akuter (episodischer) Spannungskopfschmerz
          4.1.4.2 Empfehlungen Therapie akuter Spannungskopfschmerzen
          4.1.4.3 Behandlung des Spannungskopfschmerzes bei Kindern
          4.1.4.4 Chronischer Spannungskopfschmerz
          4.1.4.5 Empfehlungen Therapie chronischer Spannungskopfschmerzen
      4.2 Therapie der Migräne
        4.2.1 Behandlungsindikation und -ziel
        4.2.2 Nichtmedikamentöse Therapie und Prophylaxe der Migräne
        4.2.3 Empfehlungen Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Migräne
        4.2.4 Medikamentöse Therapie der Migräne
      4.3 Therapie des substanz- (medikamenten-) induzierten Kopfschmerzes
        4.3.1 Nichtmedikamentöse Therapie
        4.3.2 Ambulanter Entzug
        4.3.3 Stationärer Entzug
        4.3.4 Praktische Hinweise zum Entzug
      4.4 Therapie des Clusterkopfschmerzes
      4.5 Therapie des cervikogenen Kopfschmerzes


4. Therapie


    4.1 Therapie des Spannungskopfschmerzes


      4.1.1 Behandlungsindikation und -ziel

      Bei akutem Spannungskopfschmerz ergibt sich die Indikation zur medikamentösen Behandlung aus der Stärke der subjektiv empfundenen Schmerzintensität [10] [250]. Eine medikamentöse Langzeitprophylaxe ist bei chronischem Spannungskopfschmerz indiziert, wenn die Kopfschmerzen:

      • täglich oder
      • mindestens jeden zweiten Tag
      • über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten

                   auftreten und nichtmedikamentöse Maßnahmen zu keinem ausreichenden Erfolg geführt                        haben [10] [250].

      Als Behandlungsziel sollte eine weitgehende Kopfschmerzfreiheit erzielt werden [10]. Während der Behandlung ist es zur Überprüfung des Behandlungserfolges ratsam, ein Kopfschmerztagebuch (weiter-)zu führen.


      4.1.2 Nichtmedikamentöse Therapie und Prophylaxe

      Wichtig ist eine systematische Beratung und Führung der Patienten [21, 231, 251].
      Die Patienten sollten über auslösende Faktoren und eine entsprechende Lebensführung informiert werden. Unter
      Patientenleitlinien.de finden Sie eine Patientenleitlinie, die laienverständlich diese Aspekte aufgreift. Sie wurde auf der gleichen Wissenbasis wie diese Ärzteleitlinie erstellt.

      Viele Patienten mit Spannungskopfschmerzen neigen zur Selbstüberforderung und zeigen erhöhte Skalenwerte für Angst, Depression und Stresserleben [145]. Oft fehlen ausreichende Strategien zur Stressbewältigung [250]. Hinzu kommen häufig ungünstige Körperhaltungen, wie z.B. Bildschirmarbeit, mangelnde Bewegung oder unausgewogene Ernährung [250]. Auf diese Aspekte sollte in Gesprächen besonderer Wert gelegt werden. Beratung zu regelmäßigem Essen und ausreichender Flüssigkeitszufuhr in Verbindung mit einem gestuften Kreislaufprogramm sollte durchgeführt werden [250]. Empfohlen werden können Ausdauersportarten (Sporttherapie).

      Als weitere therapeutische Maßnahmen kommen in Betracht [250]:

      • Entspannungstechniken (insbesondere: Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen) [28, 258]
      • Stressbewältigungstraining
      • Biofeedback
      • Psycho- bzw. verhaltenstherapeutische Maßnahmen

      Bei Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen führte eine Kombination von nichtmedikamentösen (Stressbewältigungstraining) mit medikamentösen Therapieverfahren zu den besten Resultaten [140].

      Der therapeutische Nutzen bei Spannungskopfschmerzen ist bei folgenden Therapieformen derzeit nicht bewiesen [10]:

      • Akupunktur [162, 163, 364]
      • Akupressur
      • TENS (transkutane Nervenstimulation)
      • Chirotherapie
      • Massagen
      • Manuelle Therapie [31]


      4.1.3 Empfehlungen zur nichtmedikamentösen Therapie bei Spannungskopfschmerzen

      Patienten mit Spannungskopfschmerzen sollten beraten werden zu auslösenden Faktoren mit Bewusstmachung pathogenetischer Einflüsse und zur Änderung der Lebensführung. (C)
      Die Patientenleitlinie kann dabei eine Hilfe sein. (C)
      Empfohlen werden können weiterhin:

      • Entspannungstechniken (insbesondere: Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen) (B)
      • Stressbewältigungstraining (B)
      • Biofeedback (C)
      • Psycho- bzw. verhaltenstherapeutische Maßnahmen (C)
      • Ausdauersportarten (C)

      Eine Kombination von nichtmedikamentösen (Stressbewältigungstraining) mit medikamentösen Therapieverfahren führt bei Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen zu den besten Resultaten. (A)


        4.1.4 Medikamentöse Therapie


        4.1.4.1 Akuter (episodischer) Spannungskopfschmerz [
        321]

        Für Paracetamol und nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxen und Ketoprofen) ist die Wirksamkeit bei akutem Spannungskopfschmerz belegt [315] (Dosierung siehe Tabelle 4.1). Insgesamt sollte mit Monopräparaten, die Analgetika oder nichtsteroidale Antiphlogistika enthalten, behandelt werden [10]; Kombinationspräparate können zu Schmerzmittelmissbrauch und Abhängigkeit führen [211]. Dies gilt insbesondere für Kombinationspräparate, die Codein enthalten. Kombinationspräparate mit Coffein (z.B. Thomapyrin) werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zurzeit in einer umfangreichen Studie untersucht [249]. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht ganz sicher, welche Rolle Coffein dabei spielt.

        Eine Dauermedikation mit Analgetika sollte vermieden werden. Sie sollten nicht häufiger als 10 mal im Monat eingesetzt werden [250].

        Für die lokale Applikation von Pfefferminzöl im Schläfenbereich konnte bei leichten Spannungskopfschmerzen in einer kleinen Studie eine ähnlich gute Wirkung wie für 1000 mg Paracetamol nachgewiesen werden [118, 248]. Triptane sind therapeutisch nicht wirksam bei akuten Spannungskopfschmerzen [33, 41, 197].

        Eine neuere Studie beschreibt die sichere Wirkung von 500-1000 mg Metamizol p.o. bei akuten Spannungskopfschmerzen [208].


        4.1.4.2 Empfehlungen Therapie akuter Spannungskopfschmerzen

        Zur Therapie des akuten Spannungskopfschmerzes empfohlen werden können: Paracetamol (A) und nichtsteroidale Antiphlogistika (A).
        Triptane sind beim akuten Spannungskopfschmerz nicht wirksam (A).

          Tabelle 4.1: Wirkstoffe und Dosierungen zur Behandlung des akuten Spannungskopfschmerzes (modifiziert nach [10])

          Wirkstoff/-gruppen

          Einzeldosis (mg)

          maximale Tagesdosis (mg)

           

          Analgetika

           

           

           

          Paracetamol
          Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

          500 - 1.000

          2.000

           

          Metamizol
          Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

          500 - 1.000

          2.000

           

          Nichtsteroidale Antiphlogistika/
          Analgetika

           

           

           

          Acetylsalicylsäure
          Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

          500 - 1.000

          1.500

           

          Ibuprofen
          Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

          400 - 600

          1.200

           

          Naproxen
          Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

          500 - 1.000

          1.000

           


          4.1.4.3 Behandlung des Spannungskopfschmerzes bei Kindern

          Die Behandlung von Kindern mit Spannungskopfschmerzen soll in dieser Leitlinie nicht umfassend dargestellt werden. Die Therapievorschläge sollen eine erste Orientierungshilfe sein. Nähere Angaben zur Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindesalter können den Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft [85] entnommen werden.

          Bei der Therapie kindlicher Spannungskopfschmerzen können die Substanzen eingesetzt werden, wie sie bei der Behandlung der Migräne bei Kindern (siehe 4.2.4.1.11 Behandlung der Migräne bei Kindern) zur Anwendung kommen.

          Beim episodischen Spannungskopfschmerz eingesetzt werden können Paracetamol (250 mg im Alter von 6-8, 500 mg im Alter von 9-12 Jahren) oder Flupirtin (50 mg im Alter von 6-8 und 100 mg im Alter von 9-12 Jahren) [256]. Triptane dürfen nicht angewendet werden. Nichtmedikamentös eingesetzt werden kann die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS).

          Beim chronischen Spannungskopfschmerz sollten prophylaktisch in erster Linie nichtmedikamentöse Therapieverfahren eingesetzt werden, die Wirksamkeit von Entspannungs- und Biofeedbackverfahren ist belegt [37, 175]. Eine medikamentöse Prophylaxe kann bei Kindern nicht empfohlen werden.


          4.1.4.4 Chronischer Spannungskopfschmerz [
          288, 372] [321]

          Chronische Spannungskopfschmerzen sollten wegen der Gefahr eines Schmerzmittelmissbrauchs nicht mit Analgetika therapiert werden [250]. Indikationen zur Prophylaxe bei Spannungskopfschmerzen sind in Kapitel 4.1.1 beschrieben.

          Auf eine regelmäßige Einnahme von Analgetika beim chronischen Spannungskopfschmerz sollte verzichtet werden. Eine Kombination von nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapieansätzen ist aber von Vorteil. Insgesamt sind aber die Therapieerfolge geringer als bei der Migräne [10].

          Liegen Migräne und Spannungskopfschmerz gleichzeitig vor, wird meistens die Spannungskopfschmerzprophylaxe mit der Migräneintervallbehandlung kombiniert [10].

          Mittel der 1. Wahl

          Als Mittel der ersten Wahl bei chronischem Spannungskopfschmerz erwiesen sich Amitriptylin und Amitriptylinoxid; im Vergleich zu anderen trizyklischen Antidepressiva ist für sie die Datenlage am besten [90, 119, 376] (Dosierung siehe Tabelle 4.2). Weiter gehören Doxepin [223], Imipramin [321] und Clomipramin [186] zu den Mitteln der ersten Wahl.

          Mit einem Erfolg der Behandlung mit Antidepressiva ist nach frühestens 4-6 Wochen zu rechnen. Wichtig ist, dem Patienten zu erklären, dass Antidepressiva hier nicht als Therapie einer Depression verstanden werden sollte, sondern zur Anhebung der Schmerzschwelle dienen [250], und dass ein Effekt nach frühestens 2 Wochen eintritt. Bei allen oben genannten Medikamenten ist eine einschleichende Dosierung wichtig.

          Mittel der 2. Wahl

          Als Mittel der zweiten Wahl kommen Mianserin [186] und Maprotilin [93] in Frage, wenn nach 6-8wöchiger Behandlungsdauer keine Besserung erzielt werden konnte.

          Weitere Therapeutika

          Aufgrund unterschiedlicher Dosisangaben und Injektionsschemata in einzelnen Studien zur Injektion von Botulinumtoxin in die perikranielle Muskulatur ist zu dieser Therapieform keine einheitliche Empfehlung zu geben [321].

          Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI), wie z.B. Fluoxetin, Paroxetin und Citalopram, sind nicht wirksam beim chronischen Spannungskopfschmerz [25, 187, 281], bei der Homöopathie wurde keine über einen Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit nachgewiesen [357].


          4.1.4.5 Empfehlungen Therapie chronischer Spannungskopfschmerzen

          Zur Therapie des chronischen Spannungskopfschmerzes als Mittel der ersten Wahl empfohlen werden können: Amitriptylin (A), Amitriptylinoxid (B) Doxepin (B), Imipramin (B) und Clomipramin (B).

          • Bei nach 6-8 Wochen ausbleibender Besserung können als Mittel der zweiten Wahl folgende Therapeutika zum Einsatz kommen: Mianserin (B) oder Maprotilin (B).
          • Unwirksam bei chronischem Spannungskopfschmerz sind selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) (A).
          • Die Homöopathie zeigt keine über einen Placoboeffekt hinausgehende Wirkung (A).

            Tabelle 4.2: Wirkstoffe und Dosierungen zur Behandlung des chronischen Spannungskopfschmerzes (modifiziert nach [10])

            Wirkstoff/-gruppen

            Tagesdosis (mg)

            maximale Tagesdosis (mg)

             

            Antidepressiva

             

             

             

            1. Wahl

             

             

             

            Amitriptylin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            25-75

            150

             

            Amitriptylinoxid
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            30-90

            120

             

            Doxepin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            25-75

            150

             

            Clomipramin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            25-75

            150

             

            Imipramin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            30-75

            100

             

            falls nach 6-8 Wochen ohne Erfolg

             

             

             

            2. Wahl

             

             

             

            Mianserin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            30-60

            90

             

            Maprotilin
            Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

            25-50

            100

             


          4.2 Therapie der Migräne


            4.2.1 Behandlungsindikation und -ziel

            Der akute Migräneanfall erfordert eine medikamentöse Therapie. Dadurch soll der Anfall kupiert oder eine deutliche Besserung von Kopfschmerz und vegetativer Begleitsymptomatik erreicht werden [10]. Als erfolgreich eingestuft wird die Therapie des Anfalls [69], wenn

            • eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder kopfschmerzfrei innerhalb von 2 Stunden nach Applikation des Präparats [253] erreicht werden konnte und
            • diese Wirkung bei 2 von 3 Migräneattacken reproduzierbar war.

            Eine medikamentöse Prophylaxe sollte erfolgen [10, 69], wenn Migräneattacken

            • häufiger als 3 mal pro Monat auftreten und diese Attacken nicht ausreichend behandelt werden können durch Akutmedikamente (oder wenn die Akuttherapie aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen wird),
            • zu einer regelmäßigen Arbeitsunfähigkeit führen,
            • subjektiv unerträglich sind,
            • länger als 48 Stunden andauern,
            • häufig kompliziert (mit neurologischen Ausfällen über mehrere Stunden bis Tage) verlaufen,
            • nach einer Schmerzmittelentzugstherapie aufgetreten sind oder
            • wenn die Häufigkeit der Attacken zunimmt und Schmerz- und Migränemittel an mehr als 10 Tagen im Monat eingenommen werden.

            Prophylaxeziele sind reduzierte Häufigkeit, Dauer und Schwere der Migräneattacken und das Vermeiden des medikamenteninduzierten Kopfschmerzes durch Einsparung von Schmerzmitteln. Optimal ist eine Reduktion von mindestens 50% [10, 69].
            Vor und während der Therapie empfiehlt sich das Führen eines
            Kopfschmerztagebuchs.


            4.2.2 Nichtmedikamentöse Therapie der Migräne und Prophylaxe

            Beim akuten Migräneanfall können Reizabschirmung in dunklen, ruhigen Räumen, eine ausreichende Schlafmenge und lokale Eisbehandlungen oder lokaler Druck auf den Kopf [61, 183, 294] eine Verringerung der Beschwerden unterstützen. Studien zu diesen Maßnahmen gibt es nicht.

            Wichtig für eine Migräneprophylaxe ist die Aufklärung des Patienten über Symptome (Symptome, Diagnostische Hinweise), Pathogenese (Pathogenese) und Anfallsauslöser (Auslöser und Triggerfaktoren), sowie über Therapie- und Prophylaxemöglichkeiten [10], auch mit Hilfe einer Patienteninformation (Patientenleitlinie). Auslösende Faktoren können dann evtl. durch den Patienten gemieden werden. Wichtig ist außerdem die Aufklärung des Patienten über den Verlauf und den chronischen Charakter der Migräne und darüber, dass die Migräne nicht lebensbedrohlich, nicht lebenslimitierend und nicht ursächlich behandelbar ist, dass ihre Symptome aber beeinflussbar sind.

            Ein Kopfschmerztagebuch hilft bei der Einschätzung von Stärke und Dauer der Kopfschmerzen, der Medikamenteneinnahme und der Dokumentation der Begleiterscheinungen und der Messung des Behandlungserfolgs.

            Die prophylaktische Wirkung ist wissenschaftlich belegt für folgende nichtmedikamentöse Behandlungsformen :

            • Ausdauersportarten, besonders Jogging [57, 106], auch Schwimmen, Fahrradfahren
            • Verhaltenstherapie [27, 244, 258] [102]:
            • multimodale Therapieansätze (Verbindung von kognitiven Techniken, Stress- und Reizverarbeitungstraining, Schmerzbewältigungstechniken und Techniken der progressiven Muskelrelaxation) [14, 137, 141, 142, 267] [217]
            • progressive Muskelrelaxation allein [154]
            • Vasokonstriktionstraining (spezifische Biofeedbacktherapie) [101]

            Besondere Erfolge zeigen Patientenseminare [131]. Das Migräne-Patientenseminar (MIPAS) [104] ist noch in Vorbereitung und besteht aus Aufklärung über Auslöser, Pathogenese, Veränderung der Lebensführung und medikamentöse Therapien sowie Stressanalyse und –bearbeitung und Entspannungstechniken.

            Keinen Wirkungsnachweis bzw. keine wissenschaftliche Belege gibt es für folgende Behandlungsarten [69] [63]:

            • TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) [331]
            • physikalische Therapie [330], allerdings durch Kombination Verbesserung der Rate der Patienten, die auf verhaltenstherapeutische Maßnahmen ansprechen
            • Homöopathie [80, 357, 365]
            • autogenes Training
            • chiropraktische Therapie
            • Manualtherapie
            • Zahnextraktionen
            • Aufbiss-Schienen
            • Frischzell-Therapie
            • lokale Injektionen in Nacken oder Kopfhaut
            • Neuraltherapie
            • Reizströme
            • Magnetströme
            • Psychophonie
            • Ozontherapie
            • Tonsillektomie
            • Fußreflexzonenmassage
            • Sanierung vermeintlicher Pilzinfektionen des Darmes
            • Entfernung von Amalgamfüllungen
            • Hysterektomie
            • klassische Psychoanalyse

            Die Wirkung der Akupunktur wird kontrovers diskutiert. Legt man bei Akupunkturstudien das Erfolgskriterium von pharmakologischen Studien an (>50%ige Besserung), ist die Akupunktur mit einer Besserung von >33% nicht wirksam (Metaanalyse von 10 Studien: [219]). Insgesamt reicht die Datenlage aufgrund der schlechten Qualität der meisten Studien nicht aus, um die Akupunktur als hinreichend belegt anzusehen [10, 36, 86, 218, 242, 333, 362]. Eine Übersichtsarbeit fand einen signifikanten Zusammenhang zwischen niedrigem methodischen Standard und positivem Ergebnis der Studien zur Akupunktur [86].


            4.2.3 Empfehlungen Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Migräne

            Folgende nichtmedikamentöse Therapieverfahren können bei Migräne empfohlen werden:

            • Beratung des Patienten zu Auslösern, Pathogenese, Symptomen, Diagnose- und Therapieverfahren (C) (siehe auch unter Patientenleitlinie)
            • Ausdauersportarten (B)
            • Entspannungstechniken (B)
            • Biofeedback (B)
            • Verhaltenstherapie, insbesondere multimodale Therapieansätze (B)
            • Beste Erfolge bei Komb. von med. mit nichtmed. Therapieverfahren (B).


                4.2.4 Medikamentöse Therapie der Migräne


                4.2.4.1 Akuttherapie des Migräneanfalls

                Die medikamentöse Behandlung zur Anfallskupierung sollte frühzeitig erfolgen, allerdings erst dann, wenn der Patient sich aus seiner Erfahrung sicher ist, dass es sich bei seinen Kopfschmerzen um eine Migräneattacke handelt [10]. Zudem sollte eine Migräneattackenbehandlung nicht häufiger als 6-8x im Monat erfolgen [249]. Eine stratifizierte Behandlung hat gegenüber einer Stufentherapie bessere Ergebnisse.

                Bei einer Stufentherapie würde zunächst z.B. mit Metoclopramid und Acetylsalicylsäure behandelt. Erst bei ungenügender Wirkung würde ein Triptan eingesetzt. Die stratifizierte Behandlung besteht darin, dass bei leichten bis mittelschweren Migräneanfällen z.B. mit Metoclopramid und Acetylsalicylsäure behandelt würde und bei schweren Migräneattacken gleich ein Triptan eingesetzt würde [200].


                4.2.4.2 Empfehlungen zur Akuttherapie des Migräneanfalls

                Bei einem akuten Migräneanfall sollte frühzeitig behandelt werden (C).
                Eine stratifizierte Therapie hat gegenüber einer Stufentherapie bessere Ergebnisse (B)


                4.2.4.1.1 Antiemetika oder Dopaminantagonisten

                Viele Migränepatienten leiden während eines Anfalls unter Übelkeit und Erbrechen. Durch Antiemetika wie Domperidon und Metoclopramid (Dosierung siehe Tabelle 4.4) werden diese vegetativen Begleitsymptome gebessert. Sie führen aber auch zu einer verbesserten Resorption der Analgetika durch eine Wiederanregung der zu Beginn der Migräneattacke beeinträchtigten gastrointestinalen Motilität [356]. Insgesamt ist die Wirksamkeit von Dopaminantagonisten bei einem Migräneanfall gut belegt [79, 204, 271, 337]. Eine direkte Reduktion der Kopfschmerzen konnte für Metoclopramid i.v. nachgewiesen werden [79, 293]. Zur Vermeidung extrapyramidal motorischer Nebenwirkungen (EPMS) sollte Metoclopramid bei Kindern unter 12 Jahren nicht eingesetzt bzw. Domperidon bevorzugt werden.

                Zur Vermeidung extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen sollten diese Antiemetika bei Kindern und Jugendlichen nicht eingesetzt werden. Bei dringlicher Indikation sollte Domperidon bevorzugt werden. Dopaminantagonisten sollten 10-15 Minuten vor der oralen Einnahme des Analgetikums bzw. des Antiphlogistikums gegeben werden [10].


                4.2.4.1.2 Empfehlungen zu Antiemetika bei Migräne

                Bei einem akuten Migräneanfall ist die Wirksamkeit gut belegt für Dopaminantagonisten wie Domperidon (B) und Metoclopramid (A).


                4.2.4.1.3 Analgetika und Nichtsteroidale Antiphlogistika

                Acetylsalicylsäure [47, 184, 193, 337, 338] [257], Ibuprofen [130, 136, 167, 171], Paracetamol [196, 204], Naproxen [13, 178, 228, 344] und Diclofenac-K [326] sind die Analgetika der ersten Wahl bei leichten und mittelschweren Migräneanfällen [70, 136, 191, 257] (Dosierung siehe Tabelle 4.4), wobei zur Wirksamkeit von Diclofenac-Kalium noch weitere Studien wünschenswert wären. Tolfenaminsäure [179] [225] ist ebenfalls wirksam, der Eintritt der Wirkung erfolgt allerdings etwas langsamer [69]. Das bei nichtsteroidalen Antirheumatika bekannte Risiko der gastrointestinalen Blutung ist für Ibuprofen am geringsten, gefolgt von Diclofenac und Naproxen [182, 188, 269].

                Bei alleiniger oraler Anwendung beträgt die optimale Dosis für ASS und Paracetamol mindestens 1000 mg, für Ibuprofen 400-600 mg und für Diclofenac-Kalium (Diclofenac-K) 50-100 mg [63]. Die Einnahme der Analgetika sollte bevorzugt nach Gabe eines Antiemetikums als Brause- oder Kautablette erfolgen, weil dadurch die Resorption beschleunigt wird. Paracetamol wird nach rektaler Gabe besser als nach oraler Gabe resorbiert, insbesondere bietet sich die rektale Gabe bei anfänglicher Übelkeit und Erbrechen an [69]. Gegenüber Plazebo erwies sich die Kombination von Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Coffein bei mittelschweren Migräneanfällen als überlegen [199], allerdings kann diese Kombination den Medikamentenmissbrauch fördern.

                Die kombinierte orale Gabe von lysiniertem ASS und Metoclopramid hat eine ähnlich gute Wirksamkeit wie Sumatriptan [337] bei schweren Migräneanfällen. Schwere Migräneanfälle können auch durch eine intravenöse Gabe von lysiniertem ASS und Metoclopramid kupiert werden [65, 328].

                Metamizol scheint ebenfalls wirksam zu sein [63]. In einer einfach blinden, nicht randomisierten aber placebokontrollierten Studie erwies sich die i.v.-Gabe von Metamizol als wirksam und gut verträglich [26]. Auch eine orale Wirksamkeit wird vermutet und in einigen Fällen bestätigt. Noch liegt keine Zulassung für diese Indikation vor. Das Agranulozytoserisiko wird zur Zeit im Rahmen eines Stufenplanverfahrens nach Stufe I erneut durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bewertet. Wegen der möglichen Wirkung auf den Kreislauf mit Schockgefahr sollte die intravenöse Gabe langsam erfolgen [10].

                Die neueren COX2 Inhibitoren werden derzeit in klinischen Studien getestet [63] und können derzeit noch nicht empfohlen werden.


                4.2.4.1.4 Empfehlungen zu Analgetika und nichtsteroidalen Antiphlogistika bei Migräne

                Leichte Migräneattacken
                Mittel der ersten Wahl bei einem leichten bis mittelschweren akuten Migräneanfall sind Analgetika bzw. Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure (A), Ibuprofen (A), Paracetamol (A), Diclofenac-K (A) oder Naproxen (B).
                Schwere Migräneattacken
                Schwere Migräneanfälle können bei einem Großteil der Patienten durch eine intravenöse Gabe von Lysinacetylsalicylat (ASS-Lysinat) kupiert werden (A).


                4.2.4.1.5 Mutterkornalkaloide

                Obwohl nur wenige prospektive Studien zu den Mutterkornalkaloiden vorliegen, gelten Ergotamin und Dihydroergotamin als nachweislich wirksam [53, 340, 368], allerdings waren in Vergleichsstudien von Mutterkornalkaloiden mit Triptanen die Triptane signifikant besser wirksam [323, 343, 368] (Dosierung siehe Tabelle 4.4). Außerdem wies Sumatriptan im Gegensatz zu Ergotamin geringere vasokonstriktorische Wirkung an den Koronararterien auf [111, 203].

                Insgesamt ist der Einsatz von Ergotamin und Dihydroergotamin heute in der Therapie der akuten Migräneattacke nicht mehr generell zu empfehlen [340]. Ergotamintartrat sollte nur bei sehr langen Migräneattacken oder bei solchen mit multiplem Wiederkehrkopfschmerz („recurrences“) eingesetzt werden. Ebenso können die Patienten, bei denen die Behandlung ihrer Migräneanfälle mit Mutterkornalkaloiden innerhalb von zwei Stunden erfolgreich ist und die keine Neigung zu Nebenwirkungen und Dosissteigerung aufweisen, bei dieser Behandlungsform bleiben [69].

                Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten ergeben sich bei durch gehäufte Einnahme von Ergotamin und Dihydroergotamin verursachten Dauerkopfschmerzen, die kaum von Migränekopfschmerzen abgegrenzt werden können [62]. Die Häufigkeit der Einnahme sollte nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft auf max. 10/Monat eingeschränkt werden [69] [63].

                Eine Mutterkornalkaloid-Überdosierung kann sich durch Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und Muskelschmerzen sowie allgemeine Abgeschlagenheit bemerkbar machen (Tabelle 2H). Ergotamin kann verschiedenste ischämische Komplikationen verursachen [270]. Unter Ergotismus versteht man eine unkontrollierte Anwendung von Mutterkornalkaloiden mit Extremitätenparästhesien, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen und Verwirrtheit, bei chronischem Ergotismus bestehen Durchblutungsstörungen durch Vasospasmen, besonders der Arterien der Extremitäten, der Karotiden, der Herzkranz- und der Nierengefäße.

                Dosierungshinweise:
                Dihydroergotamin wird oral schlecht resorbiert und sollte parenteral gegeben werden [
                10]. Die orale Resorption von Ergotamin ist ebenfalls schlecht und variabel, es sollte als Zäpfchen gegeben werden (z.B. 2 mg Supp.) [69]. Maximal sollten 3 mg Ergotamintartrat p.o. pro Attacke bzw. 6 mg pro Woche (bei zweimaliger Anwendung und mindestens 48 Stunden Pause zwischen den Attacken) gegeben werden [10]. Bis zu 24 Stunden nach Gabe von Arzneimitteln, die Ergotamin oder Dihydroergotamin enthalten, sollten keine Triptane verabreicht werden. Andersherum sollte nach Applikation von Sumatriptan mindestens 12 Stunden gewartet werden, bis Mutterkornalkaloide eingesetzt werden [9, 10].

                Insgesamt sollten Mutterkornalkaloide als Monosubstanzen und nicht in Mischpräparaten verabreicht werden [69].


                4.2.4.1.6 Empfehlungen zu Mutterkornalkaloiden bei Migräne

                • Die Wirksamkeit von Ergotamin und Dihydroergotamin bei Migräneanfällen ist nachgewiesen (B).
                • Insgesamt ist der Einsatz von Ergotamin und Dihydroergotamin aber heute in der Therapie der akuten Migräneattacke nicht mehr generell zu empfehlen (C).
                • Ergotamintartrat sollte nur bei sehr langen Migräneattacken oder bei solchen mit multiplen „recurrences“ (Wiederkehrkopfschmerz) eingesetzt werden (C).
                • Patienten, die ihre Migräneattacken bereits erfolgreich mit Ergotaminen kupieren und keine Neigung zu Nebenwirkungen und zur Dosissteigerung aufweisen, können diese Behandlungsform beibehalten (C).
                • Nach einer Gabe von Ergotaminen muss 24 Stunden gewartet werden, bevor Triptane gegeben werden dürfen (C).


                4.2.4.1.7 Triptane

                Triptane (selektive Serotonin-(5-HT1B/1D-)-Agonisten) (Dosierung siehe Tabelle 4.4) wie Sumatriptan [121, 335] [134] [367], Rizatriptan [8, 12, 88, 110, 113, 120, 126, 173, 332, 342, 354], Naratriptan [29, 135, 169, 278] [336], Almotriptan [238, 239] [39, 40] [212], Zolmitriptan [54, 99, 129, 226, 241, 262, 276] [170], Eletriptan [114, 305, 311] und Frovatriptan sind Mittel der Wahl bei schweren Migräneanfällen. Für sie ist die Wirksamkeit und Verträglichkeit in vielen Studien, auch Langzeitstudien [124, 325, 352], belegt.

                Insgesamt zeigen die einzelnen Triptane keine größeren Unterschiede hinsichtlich ihrer Wirksamkeit [112, 241, 339]. Für Sumatriptan besteht die längste Erfahrung und die größte Variationsbreite in der Applikationsform und Dosis. Ein Effektivitätskriterium für alle Triptane besteht darin, dass innerhalb von zwei Stunden Kopfschmerzfreiheit oder Arbeitsfähigkeit erreicht wird.

                Eine neue Studie gibt einen Überblick über die Wirksam- und Verträglichkeit der einzelnen Triptane (Sumatriptan, Naratriptan, Zolmitriptan und Rizatriptan) [5]. Dabei weisen Sumatriptan 25 mg und Naratriptan 2,5 mg etwas weniger Nebenwirkungen auf, zeigten aber eine geringere Effektivität als Rizatriptan. Insgesamt zeigte Rizatriptan das günstigere Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil, hauptsächlich aufgrund der besseren Wirksamkeit in Bezug auf Schmerz- und Symptomfreiheit nach 2 Stunden [5]. Üblicherweise wird in Studien 50-100 mg Sumatriptan als Vergleichsdosis empfohlen (z.B. bei Ferrari [87]). Diese Dosen Sumatriptan sind deutlich wirksamer als eine 25-mg-Dosis, die Nebenwirkungsrate ist aber auch höher.

                Ein neues Triptan ist Frovatriptan, dem bei guter Wirksamkeit eine geringere Wiederkehrrate für Kopfschmerzen zugeschrieben wird [125]. Bei Naratriptan und Frovatriptan kann es bis zu vier Stunden dauern, bis die Wirkung eintritt. Tabelle 4.3 gibt einen Überblick über Vor- und Nachteile verschiedener Triptane.

                Tabelle 4.3 Vergleich der verschiedenen Triptane (modifiziert nach Hennen, Wuppertal, und Tfelt-Hansen [339])

                Substanz

                Vorteile

                Nachteile

                 

                Sumatriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Variable Applikation

                Höchste Nebenwirkungsrate, ggf. zu kurze Wirkung

                 

                Zolmitriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Bei Sumatriptan-Resistenz mitunter wirksam

                 

                 

                Naratriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Wenig Nebenwirkungen, etwas seltener Wiederkehrkopfschmerz

                Langsamer Wirkungseintritt (Wirkungseintritt zwischen 2-4 Stunden), weniger wirksam

                 

                Rizatriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Etwas schneller und besser wirksam (10 mg) als Sumatriptan (100 mg)

                Bei Propranolol-Gabe nur 5mg erlaubt, etwas häufiger Wiederkehrkopfschmerz

                 

                Almotriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Gute Verträglichkeit

                Etwas weniger wirksam

                 

                Eletriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Etwas besser und schneller wirksam als Sumatriptan

                Unter 80 mg-Dosis mehr Nebenwirkungen als unter 100 mg Sumatriptan

                 

                Frovatriptan
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Weniger Wiederkehrkopfschmerz, HWZ >20 Stunden

                Verzögerter Wirkungseintritt (Wirkungseintritt zwischen 2-4 Stunden)

                 

                Im Durchschnitt sind etwa 30% Patienten nach oraler Gabe eines Triptans nach 2 Stunden kopfschmerzfrei, bei subkutaner Gabe von Sumatriptan etwa 50%. Bei etwa 70% hat sich der Kopfschmerz nach 2 Stunden deutlich gebessert.

                Sumatriptan ist in Studien mit Acetylsalicylsäure [324, 337] und Ergotamin [322] verglichen worden. 100 mg Sumatriptan waren signifikant besser und schneller wirksam als 2 mg Ergotamintartrat in Verbindung mit 200 mg Coffein. Gemessen wurden Schmerzfreiheit nach 2 Stunden, Geschwindigkeit des Wirkeintritts, Minderung von Begleitsymptomen und zusätzlicher Einsatz von anderen Medikamenten. Triptane reduzieren im Gegensatz zu Ergotaminen auch die unangenehmen Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen. Ergotamine wirken ausgeprägter vasokonstriktorisch an den Koronarien als Sumatriptan [111, 203]. Vorteil bei Gabe von Ergotamintartrat war die geringere Wiederkehrkopfschmerzrate innerhalb von 24 Stunden (30% gegen 41%). Ansonsten waren die Triptane den Ergotaminen in allen Belangen überlegen [30, 343, 368].

                Insgesamt kommt es nach der Gabe von Triptanen in 25-40% der Fälle zu erneuten Kopfschmerzen („Wiederkehrkopfschmerz“ oder „recurrence“). Im Mittel treten Kopfschmerzen 16 Stunden nach Gabe eines Triptans wieder auf, eine erneute Gabe ist dann wieder wirksam [87, 353]. Sollte die Erstgabe allerdings keine Wirkung gezeigt haben, ist auch eine erneute Gabe von Triptanen während der gleichen Attacke nicht erfolgversprechend. Eine gute Wirksamkeit eines Triptans bei einem Patienten garantiert aber nicht, dass jede weitere Migräneattacke ebenso erfolgreich mit diesem Triptan angegangen werden kann [56]. Etwa 25-30% der Patienten sprechen nicht an.

                Triptane müssen nicht unbedingt zu Beginn einer Attacke eingenommen werden, sie wirken, anders als die Ergotamine, zu jedem Zeitpunkt innerhalb einer Attacke. Die Wirkung von Triptanen ist allerdings nach frühzeitiger Gabe besser [42]. Der Wirkeintritt liegt bei 30-60 Minuten nach oraler Einnahme und bei 10 Minuten nach subkutaner Applikation von Sumatriptan.

                Das Intervall zwischen einer Triptangabe und einer eventuell vorher erfolgten Ergotamineinnahme sollte bei 24 Stunden liegen.
                Bei Patienten mit Aura sollte ein Triptan erst nach Abklingen der Aura und mit Einsetzen der Kopfschmerzen gegeben werden.

                Nebenwirkungen

                Werden die Kontraindikationen Tabelle 2H beachtet, weisen Triptane eine gute Verträglichkeit auf. Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit können auftreten. Seltener sind Enge- und Druckgefühl in Hals und Brust sowie Missempfindungen [329]. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen wurden bei Gabe von Sumatriptan in einer Häufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet [55]. Bei diesen Patienten war entweder die Diagnose Migräne falsch oder sie wiesen Kontraindikationen (z.B. bekannte koronare Herzkrankheit) auf. Weiterhin besteht auch bei Triptanen die Gefahr der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes [84, 98, 164, 192]. Triptane sollten an nicht mehr als 10 Tagen im Monat eingesetzt werden [10].

                Insgesamt liegt die Nebenwirkungsquote im Bereich der gängigen Nebenwirkungen bei 1-3%, maximal bei 8-10%. Häufiger sind Nebenwirkungen bei Eletriptan 80 mg und Sumatriptan 100 mg zu beobachten.


                4.2.4.1.8 Empfehlungen zu Triptanen bei Migräne

                Die Triptane Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan weisen bei schweren, akuten Migräneattacken die beste Wirksamkeit auf (A).
                Bei Patienten mit Übelkeit oder Erbrechen kann die Gabe intranasal oder subkutan erfolgen (C).


                4.2.4.1.9 Opioide

                Die klinischen Studien zum Einsatz von Opioiden (Codein, Pethidin, Methadon, Butorphanol) in unterschiedlichen Darreichungsformen (oral, intranasal, i.m.) bei Migräne [71, 75, 91, 300] haben aufgrund verschiedener methodischer Probleme nur eine eingeschränkte Aussagekraft [10]. Zum Beispiel schwankte die Studiendauer oder Opioide wurden mit anderen Wirkstoffen wie Paracetamol oder H1-Rezeptorantagonisten kombiniert. Insgesamt legen die Studienergebnisse aber eine gewisse Wirksamkeit von Opioiden bei Migräne nahe. Hierbei ist neben dem Nebenwirkungs- und Abhängigkeitspotenzial zu beachten, dass diese Wirkstoffe nicht explizit zur Behandlung der Migräne zugelassen sind [10]. Opioide können besonders bei Migränepatienten Übelkeit, Erbrechen und andere Nebenwirkungen hervorrufen [91] [229].


                4.2.4.1.10 Behandlung der Migräneattacke im ärztlichen Notdienst

                Häufig haben Patienten, die mit einem Migräneanfall den ärztlichen Notdienst oder die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, schon erfolglos versucht, durch orale Medikamente den Anfall zu kupieren. Dann sollte eine parenterale Behandlung erfolgen [68]. Die zusammenfassende Darstellung der Behandlungsalternativen erfolgt in Tabelle 4.4.
                Bei schweren Migräneattacken sollten 10 mg Metoclopramid intravenös verabreicht werden, anschließend 500 oder 1000 mg lysinierte Acetylsalicylsäure intravenös [
                65] [193], was weniger wirksam ist als die Gabe von 6 mg Sumatriptan subkutan, dafür aber sicherer und kostengünstiger [69] [65]. Sumatriptan 6 mg subkutan ist gut wirksam, allerdings darf Sumatriptan nur verwendet werden, wenn eine vorher eventuell erfolgte Mutterkornalkaloidgabe mindestens 24 Stunden zurückliegt [69].

                Alternativ können im Einzelfall (unter bestimmten Voraussetzungen, siehe Empfehlungen zu Mutterkornalkaloiden bei Migräne) auch Dihydroergotamin 1-2 mg subkutan oder intramuskulär gegeben werden [2].

                Obwohl keine prospektiven klinischen Studien für eine Behandlungsindikation beim akuten Migräneanfall vorliegen, wird häufig auch Metamizol (1000 mg i.v.) verabreicht (siehe dazu auch unter 4.2.4.1.3 Analgetika und Nichtsteroidale Antiphlogistika).

                Opioide sind wenig wirksam und können besonders bei Migränepatienten Übelkeit, Erbrechen und andere Nebenwirkungen hervorrufen [91] [229].

                Patienten, bei denen Migräneattacken häufig außerhalb der Sprechstundenzeit auftreten, sollten ggf. mit entsprechenden Notfallmedikamenten zur Verabreichung durch den Notarzt versorgt werden.

                Tabelle 4.4 Therapie des Migräneanfalls (modifiziert nach [
                68])

                Leichte Migräneattacke

                 

                Domperidon 20 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder Metoclopramid 10-20 mg p.o. oder rektal
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                gefolgt von:

                 

                1.Wahl:

                 

                Acetylsalicylsäure (500-)1.000 mg p.o. (Brause- oder Kautablette)
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Ibuprofen 400-600 mg p.o. oder rektal
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder Naproxen 500-1000 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Diclofenac-K 50-100 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Paracetamol (500-)1.000 mg p.o. oder rektal (bessere Resorption)
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                 

                2.Wahl:

                 

                Naproxen 500-1000 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                 

                Schwere Migräneattacke

                 

                Metoclopramid 20 mg p.o. oder rektal oder 10 mg,
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                gefolgt von:

                 

                Sumatriptan 25-100 mg p.o. oder 10-20 mg Nasenspray (bei Übelkeit/Durchfall) oder 25 mg
                Supp. (bei Übelkeit/Erbrechen); 6 mg s.c. (Autoinjektor) (bei frühzeitigem Erbrechen/Durchfall, schneller Attackenentwicklung und Attacken am Arbeitsplatz);
                max. 200 mg p.o. oder 40 mg Nasenspray oder 50 mg Supp. oder
                12 mg s.c. pro Attacke
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Zolmitriptan 2,5-5 mg als Tablette oder Schmelztablette oder 5 mg als Nasenspray
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Naratriptan 2,5-5 mg als Tablette
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Rizatriptan 5-10 mg als Tablette oder Schmelztablette
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Almotriptan 12,5 mg als Tablette
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Frovatriptan 2,5 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Eletriptan 20-80 mg p.o.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                 

                (unter bestimmten Voraussetzungen, siehe Empfehlungen zu Mutterkornalkaloiden bei Migräne):
                Ergotamintartrat 1-2 mg p.o. oder rektal (bessere Resorption)
                (ggf. nach 60 Min. wiederholen – max. 4 mg/Attacke und max. 6 mg/Woche) oder
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                 

                 

                Behandlung der Migräneattacke im ärztlichen Notdienst:

                 

                Metoclopramid 10 mg i.m. oder i.v. oder 20 mg rektal
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                gefolgt von:

                 

                Lysinacetylsalicylat 500-1.000 mg i.v.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Sumatriptan 6 mg s.c.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder alternativ:

                 

                (unter bestimmten Voraussetzungen, siehe Empfehlungen zu Mutterkornalkaloiden bei Migräne):
                Dihydroergotamin(mesilat) 1-2 mg s.c. oder i.m.
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                 

                Metamizol 500 mg langsam i.v. (Cave Schockgefahr!)
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                 


                4.2.4.1.11 Behandlung der Migräneattacke bei Schwangeren

                Außer Paracetamol und – begrenzt – Acetylsalicylsäure (ASS) sind in der Schwangerschaft fast alle Medikamente zur Akuttherapie der Migräne kontraindiziert. ASS darf nur im 4. bis 6. Schwangerschaftsmonat angewendet werden [81, 297, 298]. Im ersten Trimenon sollte nach Möglichkeit auf jegliche Medikamente verzichtet werden, obwohl sich bei Paracetamol bislang kein Hinweis auf fruchtschädigende Wirkung ergab.


                4.2.4.1.12 Behandlung der Migräne bei Kindern

                Die Behandlung von Kindern mit Migräne soll in dieser Leitlinie nicht umfassend dargestellt werden. Die Therapievorschläge sollen eine erste Orientierungshilfe sein. Nähere Angaben zur Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindesalter können den Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft [85] entnommen werden.

                Bei Kindern unter 8 Jahren ist selten eine medikamentöse Behandlung erforderlich. Migräneattacken sind bei Kindern oft kürzer als bei Erwachsenen. Schlafen kann in vielen Fällen Linderung bringen [34].

                Kinder von 8 bis 16 Jahren erhalten Paracetamol rektal (Dosierung je nach Alter: 250-500mg, 15 mg/kg Körpergewicht), alternativ Ibuprofen (5-10 mg/kg KG als Granulat). Triptane sind für Kinder zur Zeit noch nicht zugelassen. Sie sind angesichts der kurzen Attackendauer und des hohen Placeboeffekts meist nicht wirksam [10, 69]. Wenn überhaupt, kommt bei Kindern Sumatriptan als Nasenspray (10-20 mg) zum Einsatz [346]. Die Indikation zum Einsatz von Triptanen bei Kindern sollte nur durch einen erfahrenen Kopfschmerzspezialisten gestellt werden.

                Nichtmedikamentöse, besonders verhaltensmedizinische Verfahren weisen als prophylaktische Behandlung bei Kindern hohe Erfolgsquoten auf. Bei starker Beeinträchtigung schulischer Leistungen oder der alltäglichen Aktivitäten kommt eventuell auch eine medikamentöse Prophylaxe mit niedrig dosiertem Metoprolol (1-2 mg/Tag) in Frage.
                Ab dem 16. Lebensjahr können dann die Therapieempfehlungen für Erwachsene angewandt werden.


                4.2.4.3 Migräneprophylaxe

                Die Indikation zur Prophylaxe wird in Kapitel 4.2.1 erläutert, ebenso die Ziele der Migräneprophylaxe.

                Durchgeführt werden sollte eine Migräneprophylaxe mindestens sechs Monate. Nach frühestens 6-12 Wochen ist der Erfolg beurteilbar. Durch Absetzen des Medikaments sollte die Indikation nach spätestens zwölf Monaten überprüft werden [10].

                Die besten prophylaktischen Ergebnisse werden durch eine kombinierte medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie erzielt [10]. Zur nichtmedikamentösen Therapie siehe Kapitel 4.2.2.

                Zur Beurteilung des Erfolgs einer medikamentösen Prophylaxe eignet sich besonders das Führen eines Kopfschmerztagebuchs, in dem die Häufigkeit der Migräneattacken, die Dauer und die Schwere sowie eingenommene Medikamente vermerkt werden [10].

                Welches Migräneprophylaktikum eingesetzt wird, sollte sich an den zu erwartenden Nebenwirkungen orientieren (siehe Tabelle 2H) und daran, wie gut die Wirksamkeit für diesen Wirkstoff belegt ist. Die Dosierung sollte einschleichend und bei Betarezeptorenblockern und Valproinsäure auch ausschleichend erfolgen [10].

                Mittel der ersten Wahl zur Migräneprophylaxe sind die Betarezeptorenblocker Metoprolol und Propranolol [103, 143, 160, 232, 308, 314, 369] und der Kalziumantagonist Flunarizin [202, 278, 295, 307, 308] (Dosierung siehe Tabelle 4.5, Nebenwirkungen und Kontraindikationen siehe Tabelle 2H). Ihre Wirksamkeit ist in vielen Studien gut belegt. Der Wirkmechanismus ist unbekannt, allerdings haben alle wirksamen Betablocker keine intrinsische sympathomimetische Aktivität [10, 69].

                Eine prophylaktische Wirkung ist auch für folgende Betablocker belegt: Timolol [316, 341], Nadolol [273], Atenolol [157, 317] und Bisoprolol [348, 370]. Bei den Kalziumantagonisten ist nur für Flunarizin eine sichere Wirkung nachgewiesen [144]. Flunarizin wirkt auch auf Dopamin-, Serotonin- und Histaminrezeptoren, Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Gewichtszunahme, Depressionen und extrapyramidalmotorische Störungen [69]. Flunarizin ist kontraindiziert bei M. Parkinson, extrapyramidalmotorischen Störungen oder Depressionen in der Vorgeschichte [10].

                Mittel der zweiten Wahl zur Migräneprophylaxe bei Versagen der Therapie mit Betablockern oder Flunarizin bzw. bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten sind die in Tabelle 4.6 aufgeführten Medikamente.
                Unter den Antikonvulsiva konnte für Valproinsäure eine Wirksamkeit nachgewiesen werden [
                15, 155, 161, 168, 213, 299], allerdings gibt es in Deutschland keine Zulassung für diese Indikation [63].
                Für Cyclandelat gibt es Studien, die für [
                107, 284, 302], aber auch gegen eine Wirksamkeit [66, 67, 210] sprechen.
                Bei dem nicht seltenen Kombinationskopfschmerz (Migräne und gleichzeitiger Spannungskopfschmerz) kann die zusätzliche Gabe eines Antidepressivums erwogen werden. Für die Wirkstoffgruppe der Antidepressiva ist nur für Amitriptylin eine Wirksamkeit nachgewiesen, z.T. mit einer mit Propranolol vergleichbaren Wirkung [
                19, 49, 50, 127, 139, 309, 375, 376], wird aufgrund von Nebenwirkungen aber oft schlecht toleriert. Eine Gabe von Amitriptylin ist sinnvoll bei Patienten mit einem begleitenden Spannungskopfschmerz (Kombinationskopfschmerz) oder gelegentlich mit dem Ziel, eine hohe Anfallsfrequenz zu senken.

                Acetylsalicylsäure [233, 274], nichtsteroidale Antiphlogistika, Pizotifen [227] und Lisurid [138, 306] scheinen ebenfalls eine prophylaktische Wirkung zu besitzen [63], wobei bei Lisurid die Nebenwirkungsrate geringer ist als bei Pizotifen [128].
                Umstrittene Wirksamkeit haben Magnesium und Riboflavin. Es gibt Hinweise, dass unter den Antikonvulsiva außer Valproinsäure auch Gabapentin und Topiramat wirksam sind (siehe
                Tabelle 4.7).
                Dihydroergotamin ist zwar prophylaktisch wirksam, hat aber eine Reihe von Nebenwirkungen und sollte aus diesem Grund nicht zur Prophylaxe eingesetzt werden.

                Bei Schwangeren kommen zur Migräneprophylaxe Betablocker in Frage. Metoprolol und Propranolol sind am besten untersucht [297, 298].

                Therapieversagen kann oft durch Non-Compliance erklärt werden [313], wobei eine einmal tägliche Einnahme die Compliance deutlich verbesserte [224].

                Tabelle 4.5: Medikamentöse Migräneprophylaxe mit gesicherter Wirkung
                (Medikamente der 1. Wahl) (modifiziert nach [
                68])

                1. Wahl:

                Metoprolol (selektiver Betablocker) initial 50 mg, innerhalb von 4 Wochen bis
                3 x 50 mg bei Frauen und 2 x 100 mg oder 1 x 200 mg retard bei
                Männern zu steigern
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                Propranolol (nichtselektiver Betablocker) initial 40 mg,
                innerhalb von 4 Wochen bis auf 80 bis max. 240 mg zu steigern
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank
                oder

                Flunarizin 5 mg bei Frauen und 10 mg bei Männern zur Nacht
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                Tabelle 4.6: Arzneistoffe zur Migräneprophylaxe mit im Vergleich zu Betarezeptorenblockern oder Flunarizin deutlich geringerem Belegtheitsgrad (Medikamente der 2. Wahl) (modifiziert nach [68])

                Wirkstoff/-gruppen

                Tagesdosis

                 

                2. Wahl:

                 

                Valproinsäure (in Deutschland nicht zugelassen für diese Indikation)
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                500-600 mg, im Einzelfall bis 1500 am Tag

                 

                Naproxen
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                2 x 250-500 mg p.o.

                 

                Lisurid
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                3 x 0,025 mg p.o.

                 

                Pizotifen
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                1-3 mg p.o.

                 

                Acetylsalicylsäure
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                300 mg p.o.

                 

                bei gleichzeitigem Spannungskopfschmerz

                 

                Amitriptylin
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                25-75 mg p.o., max. 150 mg

                 

                bei menstrueller Migräne:

                 

                Naproxen
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                2 x 250-500 mg p.o. 2 Tage prämenstruell

                 

                Estradiolin
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                der Phase mit Hormonabfall 100μg als Pflaster

                 


                Tabelle 4.7: Arzneistoffe zur Migräneprophylaxe mit umstrittener Wirksamkeit (modifiziert nach [
                68])

                Wirkstoff/-gruppen

                Tagesdosis

                 

                Fraglich wirksam:

                 

                Magnesium
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                2 x 300 mg p.o.

                 

                Cyclandelat
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                3-4 x 400 mg p.o.

                 

                Gabapentin
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                1,2-2,4g p.o.

                 

                Topiramat
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                100-200 mg p.o.

                 

                Riboflavin
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                400 mg p.o

                 

                Von folgenden Medikamenten ist abzuraten:

                 

                Dihydroergotamin
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                1,5-6 mg p.o.

                 

                Methysergid
                Nachschlagen in der Scholz-Medikamenten-Datenbank 

                2-6 mg

                 


                4.2.4.4 Empfehlungen zur Migräneprophylaxe

                Eine Migräneprophylaxe sollte bei häufigen Attacken begonnen werden.
                Mittel der ersten Wahl sind die Betablocker Metoprolol (A) und Propranolol (A) und der Calciumantagonist Flunarizin (A).
                Mittel der zweiten Wahl sind Valproinsäure (A) (in Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen), nichtsteroidale Antirheumatika (A), wie Naproxen (B), Amitriptylin (A) (bei gleichzeitigem Spannungskopfschmerz), Lisurid (A), Pizotifen (A) und Acetylsalicylsäure (B).
                Cyclandelat, Gabapentin, Topiramat, Pestwurz, Magnesium und Riboflavin weisen eine umstrittene Wirksamkeit auf bzw. ihre Wirksamkeit ist noch nicht ausreichend belegt (C).
                Von Ergotaminen ist aufgrund hoher Nebenwirkungsraten abzuraten (C).


                Menstruelle Migräne

                Die menstruelle Migräne ist die am schwersten zu behandelnde Form der Migräne. Sie tritt ausschließlich zur Menstruation auf und muss von der menstruell-akzentuierten Migräne unterschieden werden. Für die menstruell akzentuierte Migräne gilt, dass Migräneattacken nicht länger oder intensiver während der Menstruation sind, dass diese Patientinnen aber während der Menstruationsphase häufiger Migräneattacken erleiden als an anderen Tagen [319].

                Bei der in der Regel schwer zu behandelnden menstruellen Migräne kann eine prophylaktische Therapie folgendermaßen versucht werden:

                • 2 Tage vor bis 2 Tage nach der Menstruation 250-1000 mg (in der Regel 2x250 mg p.o.) Naproxen pro Tag
                • in der Phase mit Hormonabfall Estradiol 100μg als Pflaster kurz vor der Menstruation

                Die von einer menstruellen Migräne betroffenen Frauen sind während einer Schwangerschaft praktisch beschwerdefrei.

                Möglich ist auch ein sog. Tricycling, wenn in der Pillenpause Migräne auftritt: d.h. die Pille wird 3 Monate eingenommen, dann wird eine Pillenpause gemacht.

                Von hormoneller Antikonzeption muss bei Frauen mit Migräne nicht abgeraten werden, allerdings ist die Wirkung der Hormone auf die Migräne nicht vorhersagbar; z.T. bessert sich die Migräne, z.T. verschlechtert sie sich auch. Patientinnen mit Aura und mehr als 2 kardiovaskulären Risikofaktoren sollten auf nicht-hormonelle Kontrazeption umgestellt werden [23].


                4.2.4.5 Weitere Migränetherapeutika


                4.2.4.5.1 Phytotherapeutika

                Tanacetum parthenium (Feverfew) werden prophylaktische Wirkungen bei Migräne zugeschrieben [216, 259]. In einem systematischen Review der Cochrane Collaboration konnten diese Wirkungen aber nicht hinreichend bestätigt werden [254, 355].

                Petasitidis (Pestwurz) soll ebenfalls eine Wirksamkeit zeigen, allerdings gibt es hierzu keinen wissenschaftlichen Nachweis [10, 69].


                4.2.4.5.2 Empfehlungen zu Phytotherapeutika bei Migräne

                Für den Einsatz von Phytotherapeutika bei Migräne kann keine eindeutige Empfehlung gegeben werden. (A)


                4.2.4.5.3 Homöopathika

                Bisher durchgeführte Studien zeigten keinen Hinweis auf die Wirksamkeit von Homöopathika bei Migräne [80, 357, 365].


                4.2.4.5.4 Empfehlungen zur Homöopathie bei Migräne

                Homöopathika zeigen keine ausreichend belegte Wirkung bei Migräne (A).


                4.2.4.5.5 Unwirksame Wirkstoffe

                Unwirksame Wirkstoffe zur Behandlung der Migräne [69] [63]:

                • Bromocriptin
                • die Antiepileptika Carbamazepin, Diphenylhydantoin und Primidon
                • Diuretika
                • Clonidin
                • Östrogene (Ausnahme: Therapieversuch bei menstrueller Migräne) und Gestagene
                • Lithium
                • Neuroleptika
                • Proxibarbal
                • und die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)


              4.3 Therapie des substanz- (medikamenten-) induzierten Kopfschmerzes

              Die Behandlung von Kopfschmerzen durch chronische Substanz-(Medikamenten-)Einwirkung sollten in enger Zusammenarbeit mit einem Neurologen oder Schmerztherapeuten erfolgen.

              In der Regel wird ein Entzug in neurologischen oder schmerztherapeutischen Einrichtungen durchgeführt, bei entsprechenden Voraussetzungen kann ein ambulanter Therapieversuch durchgeführt werden [10].


                4.3.1 Nichtmedikamentöse Therapie

                Die Patienten sollten über den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Einnahme der Präparate aufgeklärt (siehe auch Patientenleitlinie - Teufelskreis Medikamentenkopfschmerz) und anschließend nach Vorstellung der Therapiemöglichkeiten zur Durchführung einer Entzugsbehandlung motiviert werden. Wichtig dabei ist, dass die Patienten genau über den Ablauf des Entzuges, die Dauer der Entzugskopfschmerzen von 14 Tagen und die nachfolgende Therapie aufgeklärt werden [130]. Während der Behandlung ist es zur Überprüfung des Behandlungserfolges ratsam, ein Kopfschmerztagebuch (weiter-)zu führen. Begleitend oder nachfolgend sollte eine Verhaltenstherapie durchgeführt werden. Die Rückfallquote bei Patienten mit chronischen medikamenteninduzierten Kopfschmerzen liegt bei ca. 40% [97].


                4.3.2 Ambulanter Entzug

                Ein ambulanter Entzug ist möglich bei folgenden Voraussetzungen [10, 17]:

                • leichte Abhängigkeit
                • stabile soziale Beziehungen mit Unterstützung von Familienangehörigen/Freunden
                • hohe Eigenmotivation
                • geringe Begleitdepression
                • Einnahme analgetischer Mischpräparate ohne Zusatz von Codein oder Tranquilizern
                • durchgehende Ansprechbarkeit des Arztes (Telefonnummer des Therapeuten mitgeben!)


                4.3.3 Stationärer Entzug

                In der Regel erfolgt die Entgiftung stationär, insbesondere bei folgenden Voraussetzungen:

                • mehrfach erfolgloser ambulanter oder eigenständiger Entzug
                • hoher primärer und sekundärer Krankheitsgewinn
                • Einnahme von Mischpräparaten mit Suchtpotenzial (z.B. Codein) bzw. Opioiden
                • ungünstige familiäre Begleitumstände
                • ausgeprägte Begleitdepression


                4.3.4 Praktische Hinweise zum Entzug

                Beim Entzug werden Schmerz- und Migränemittel abrupt abgesetzt. Sie dürfen für den Patienten gar nicht mehr zugänglich sein. Bei Opiaten, Barbituraten, Codein und Tranquilizern muss über 2 Wochen langsam ausgeschlichen werden [130]. Antiemetisch wird mit Metoclopramid und Domperidon behandelt. Der Entzugskopfschmerz wird mit Naproxen 2x500 mg therapiert, bei Migräneattacken während des Entzugs evtl. mit ASS i.v., allerdings unter der Voraussetzung, dass diese Substanzen nicht vorher schon eingenommen wurden [10]. Nach der Entgiftung wird entsprechend der verbleibenden Symptomatik behandelt [10, 17]. Bei Migräne erfolgt eine prophylaktische Behandlung, wie sie unter Kapitel 4.2.4.3 beschrieben ist, bei vorliegendem Spannungskopfschmerz eine Prophylaxe (Behandlung des chronischen Spannungskopfschmerzes), wie sie in Kapitel 4.1.4.4 beschrieben ist.

                Ein Entzug dauert in der Regel 10-14 Tage und sollte am Wochenende begonnen werden. Es ist davon abzuraten, regelmäßige Krankschreibungen auszustellen. Eine Einbestellung des Patienten 10 Tage nach Beginn des Entzugs ist sinnvoll.

                Nähere Angaben zum stationären Entzug können den Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft entnommen werden [130].


              4.4 Therapie des Clusterkopfschmerzes

              Die Therapie des Clusterkopfschmerzes sollte ausschließlich von Neurologen oder Schmerztherapeuten, die mit diesem Krankheitsbild ausreichend Erfahrung haben, durchgeführt werden [116].

              Durch nicht-medikamentöse Maßnahmen wird der Clusterkopfschmerz nur minimal beeinflusst. Wichtig ist eine Aufklärung des Patienten durch den Arzt, eine Beratung zur Vermeidung auslösender Faktoren (Alkohol, Nikotin, Nitrate, Histamin) und zu den Möglichkeiten der medikamentösen Therapie [116].

              Therapie der akuten Attacke [116] [215]
              Bei akuten Clusterattacken sollten die Patienten möglichst innerhalb der ersten 15 Minuten nach Attackenbeginn 100%igen Sauerstoff mit 7-9l/min für 15 Minuten inhalieren. Bei über zwei Drittel der Attacken ist diese Therapie innerhalb von 7-15 Minuten wirksam.

              Durch 6 mg Sumatriptan s.c. werden innerhalb von 15 Minuten 74% der Patienten schmerzfrei. Zurzeit wird der Einsatz von Sumatriptan-Nasenspray diskutiert, der in einer kleinen, nicht kontrollierten Studie gute Wirksamkeit zeigte [290].

              Eine nasale Instillation von Lidocainlösung (4%) bei maximal rekliniertem, 30 Grad zur betroffenen Seite geneigten Kopf kann versucht werden, die Wirkung gilt aber als umstritten.

              Medikamentöse Prophylaxe [116] [215]

              Aufgrund der hohen Anfallsfrequenz während einer Clusterperiode ist eine prophylaktische Therapie generell indiziert. Studien zur Wirksamkeit der einzelnen Medikamente existieren meist nicht, die Wirksamkeit ist eher durch empirische Erfahrungen belegt. Zur Prophylaxe kommen in Frage:

              Therapie der ersten Wahl bei episodischem Clusterkopfschmerz:

              • Verapamil, Beginn mit 3x80 mg pro Tag, Dosierungsbereich: 240-720 mg pro Tag
              • Ergotamintartrat, oral oder Supp. mit 2-4 mg pro Tag, bis zum Wirkungseintritt von Verapamil oder täglich bei Versagen der üblichen Cluster-Prophylaktika

              Therapie der zweiten Wahl bei episodischem Clusterkopfschmerz:

              • Lithiumcarbonat 400 mg, 3x1/2 Tablette bis ein Spiegel von 0,6-0,8mmol/l erreicht ist
              • Kortikosteroide (Stoßtherapie)
              • Methysergid, Beginn mit 3x1mg pro Tag, bis max. 3x2 mg pro Tag für max. 3 bis 6 Monate, dann mindestens 1 Monat Therapiepause
              • evtl. Valproinsäure

              Therapie der ersten Wahl bei chronischem Clusterkopfschmerz:

              • Verapamil
              • Lithium

              Nichtwirksame bzw. obsolete Therapieverfahren

              • übliche Analgetika (Opiod- oder Nicht-Opioid-Analgetika)
              • Carbamazepin
              • Phenytoin
              • Betablocker
              • Antidepressiva
              • MAO-Hemmer
              • Histaminantagonisten
              • Biofeedback
              • Akupunktur
              • Neuraltherapie
              • physikalische Therapie
              • operative Maßnahmen
              • Psychotherapie

              Nähere Angaben zur Therapie des Clusterkopfschmerzes können den Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft [116] bzw. der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [215] entnommen werden.


              4.5 Therapie des cervikogenen Kopfschmerzes

              Erfahrungsgemäß lässt sich der cervikogene Kopfschmerz kaum beeinflussen durch Analgetika oder nichtsteroidale Antirheumatika. Ebenso fehlen Wirksamkeitsnachweise zu physikalischen und manualtherapeutischen Maßnahmen, zu TENS und zur Akupunktur [255]. Mögliche Behandlungsansätze liegen in der C2-Blockade durch ein Lokalanästhetikum, in der Blockade des N. occipitalis major oder in einer intraartikulären Blockade [363].

              Nähere Angaben zur Therapie des cervikogenen Kopfschmerzes können den Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft [363] entnommen werden.

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            Eine Aktualisierung dieser Leitlinien ist nicht geplant (Stand September 2007)

             

             

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            Update:03/09/09

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