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Demenz-Leitlinie Haupttext
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Demenz
Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie
Entwickelt durch das medizinische Wissensnetzwerk „evidence.de“
der Universität Witten/Herdecke
Version 05/2005
Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007)

Haupttext

Die hier vorliegende Version richtet sich an Ärzte und Gesundheitsfachleute. Für Betroffene, Angehörige und Betreuer ist unter www.patientenleitlinien.de eine Laienversion veröffentlicht.
Die Leitlinie Demenz in der Version 05/2005 nimmt Bezug auf andere nationale und internationale Leitlinien-Dokumente, die übersetzt, inhaltlich und formell überarbeitet und an hausärztliche Erfordernisse angepasst wurden. Eine Revision ist für das 3. Quartal 2006 geplant.

Impressum: Entwicklung der Leitlinie, Autoren, Copyright...


Gliederung

    1. Einleitung
      1.1 Epidemiologie
      1.2 Versorgungsproblem
      1.3 Adressaten der Leitlinie / Ausschlusskriterien
      1.4 Ziele der Leitlinie
      1.5 Einteilung der Evidenz
    2. Definition der Demenz
    3. Diagnose der Demenz
      3.1 Eigen- und Fremdanamnese
        3.1.1 Frühe Symptome bei Demenz
        3.1.2 Zeitverlauf der Symptome
        3.1.3 Überlagernde bzw. mögliche auslösende Faktoren
        3.1.4 Potenzielle Risikofaktoren
      3.2 Empfehlungen – Anamnese
      3.3 Körperliche Untersuchung
      Tabelle 4: Hinweise auf ein Delir oder eine Depression
      3.4 Mentale Leistungstests
      3.5 Empfehlungen – Klinische Untersuchung
      3.6 Labor
      3.7 Computertomografie (CT) und andere bildgebende Verfahren
      3.8 Empfehlungen – Labor und bildgebende Verfahren
      3.9 Überweisung und Expertenrat
      3.10 Empfehlungen – Expertenrat und Überweisung
      3.11 Ursachen für reversible und nichtreversible Demenzformen
    4. Therapie
      4.1 Pflege und Betreuung bei Demenz
      4.2 Empfehlungen – Pflege und Betreuung bei Demenz
      4.3 Nichtmedikamentöse Therapien bei Demenz
        4.3.1 Verhaltenstherapie (VT)
        4.3.2 Physiotherapie
        4.3.3 Ergotherapie
        4.3.4 Weitere nichtmedikamentöse Therapieformen
        Tabelle 5: Evidenz und stadiengerechter Einsatz von nichtmedikamentösen Maßnahmen für Demenzpatienten
      4.4 Empfehlungen – Nichtmedikamentöse Maßnahmen bei Demenz
      4.5 Medikamentöse Therapie der Demenz
        4.5.1 Medikamentöse Therapie der Alzheimer Demenz (DAT)
          4.5.1.1 Cholinesterasehemmer
          Tabelle 6: Dosierung, wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Arzneimittelinteraktionen
          4.5.1.2 Kriterien für den Abbruch bzw. eine Fortsetzung der Therapie mit Cholinesterasehemmern
          4.5.1.3 Memantine
        4.5.2 Medikamentöse Therapie der vaskulären Demenz (DVT)
        4.5.3 Medikamentöse Therapie gemischter Demenzformen
      4.6 Empfehlungen – Medikamentöse Therapie bei Demenz
      4.7 Medikamente mit nicht ausreichender Wirkung auf Demenzkranke
      4.8 Empfehlungen – Medikamente mit nicht ausreichender Wirkung auf Demenzkranke
    5.Besonderheiten
      5.1 Nichtkognitive Störungen bei der Demenz
        5.1.1 Agitation, Aggression oder Psychose
        Tabelle 7: Medikamente zur Behandlung von psychotischen Symptomen bei Demenzpatienten
        5.1.2 Schlafstörungen
        Tabelle 8: Medikamente zur Behandlung von Schlafstörungen bei Demenzpatienten
        5.1.3 Depression
        Tabelle 9: Medikamente zur Behandlung von Depressionen bei Demenzpatienten
      5.2 Empfehlungen– Medikamentöse Therapie von nichtkognitiven Störungen
      5.3 Autofahren und Demenz
      5.4 Empfehlungen – Autofahren und Demenz


1. Einleitung


    1.1 Epidemiologie

    In Deutschland leben zurzeit ca. eine Million Menschen, die an einer Demenz leiden [198, 199, 251].
    Rund 700.000 davon leiden an der Alzheimer Demenz [
    198, 199]. Jährlich treten 200.000 Neuerkrankungen auf, davon entfallen ca. 125.000 auf die Alzheimer Demenz.
    Die Demenz ist zwar eine Erkrankung des höheren Lebensalter; sie spiegelt aber nicht den natürlichen Alterungsprozess wider.
    Nach Vorausberechnungen, die die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen, wird sich die Zahl der Demenzpatienten bis zum Jahre 2050 auf über zwei Millionen erhöhen [
    198, 199].

    Neuen Daten zufolge beträgt die mittlere Überlebenswahrscheinlichkeit nach der Diagnosestellung nur 3,3 Jahre [226]. Werden progressive Verläufe ausgeschlossen, so liegt das mittlere Überleben bei 6,6 Jahren [226]. Andere Arbeitsgruppen kommen zu ähnlichen Ergebnissen [346].

    Oft leiden Demenzpatienten unter einer Mangel- oder Fehlernährung sowie einer zunehmenden Abwehrschwäche und werden besonders in Pflegeheimen häufig mit Sondenkost ernährt [
    333]. Sie haben ein höheres Risiko an einer Pneumonie zu erkranken und auch an dieser zu versterben [223, 224, 225]. Ebenso ist das Risiko für Krampfanfälle und Dekubitalulzera erhöht [220, 222] (Allgemeine Hinweise zur Dekubitusprävention finden sich in der Leitlinie Dekubitusprävention des medizinischen Wissensnetzwerks evidence.de [221]).


    1.2 Versorgungsproblem

    Nur 20% der Demenzkranken in Deutschland erhalten eine angemessene Therapie [234].
    Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen [
    234, 251]:

    • die Demenzerkrankung wird tabuisiert und als Variante des Älterwerdens klassifiziert
    • die Aus-, Weiter- und Fortbildungscurricula weisen Defizite auf
    • das Wissen über diagnostische Verfahren und adäquate Behandlungsmöglichkeiten ist nicht ausreichend vorhanden
    • eine Diagnosestellung erfolgt meist zu spät
    • viele Pflegeeinrichtungen sind auf Demenzerkrankte nicht ausreichend eingerichtet oder leiden unter personellen Engpässen
    • Demenzkranke können naturgemäß nur schwer ihre Beschwerden und Wünsche vorbringen
    • es fehlt ein therapeutisches Gesamtkonzept
    • neuere Medikamente werden aus Kostengründen (Budgetierung) nicht verordnet

    Die Demenz ist eine der kostenintensivsten Erkrankungen überhaupt [49, 119]. Für Deutschland wurden in einer Modellrechnung 1993 die mit der Pflege von rund 1 Million Demenzpatienten in den verschiedenen Bereichen – Alten(pflege)heime, psychiatrische Fachkrankenhäuser, Pflege zu Hause – verbundenen Gesamtkosten auf rund 30 Milliarden Euro jährlich geschätzt, was Einzelfallkosten pro Patient und Jahr von rund 25.000 Euro entspricht. Dabei entfielen 72 Prozent der Kosten auf die Pflege durch die Angehörigen, weitere 22 Prozent auf die stationäre Versorgung. Für die gesamte Behandlungsdauer eines einzelnen Demenzfalls bis zum Tode wurden die durchschnittlichen Kosten in den USA 1998 auf bis zu 195.000 Dollar geschätzt. Der Produktivitätsverlust der pflegenden Angehörigen und der Patienten selbst und nicht erstattungsfähige Direktauslagen machen dabei einen erheblichen, oft unterschätzten Anteil aus [49, 119].

    Pflegende und Angehörige werden physisch und psychisch oftmals stark belastet [
    120, 251].


    1.3 Adressaten der Leitlinie / Ausschlusskriterien

    Patienten mit Demenz werden überwiegend im Rahmen der hausärztlichen Versorgung behandelt und bedürfen nur in speziellen Situationen einer weitergehenden Betreuung im Sinne von fachärztlicher oder stationärer Versorgung. Alle Ärzte, die Demenzpatienten behandeln, sehen sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Diese Leitlinie richtet sich vor allem an Ärzte in der hausärztlichen Versorgung. Es werden aber Schnittstellen zur fachärztlichen Versorgung und zu dem wichtigen Bereich der Pflege mit berücksichtigt.

    Diese Leitlinie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie fokussiert auf die Diagnostik und Therapie der Alzheimer Demenz (DAT). Vaskuläre Demenzformen (DVT) und Mischformen werden beschrieben, seltene Formen werden in den
    Hintergrundinformationen aufgeführt. Einzelne Themenkomplexe mussten ausgespart werden.
    Eine
    Version für Laien ist unter der Internetadresse www.patientenleitlinien.de publiziert.


    1.4 Ziele der Leitlinie

    Diese Leitlinie soll dazu beitragen,

    • den Erkrankten und ihren Angehörigen Zugang zu wissenschaftlich begründeten, angemessenen, wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten Verfahren der Diagnostik, Behandlung, Pflege und Betreuung zu ermöglichen
    • die Qualität und Sicherheit der Diagnosestellung zu verbessern
    • frühzeitig eine angemessene Therapie zu beginnen und ggf. zu beenden
    • nichtkognitive Symptome der Demenz adäquat zu therapieren
    • Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen der Therapie zu minimieren
    • die Lebensqualität der Demenzkranken und deren Angehörigen zu verbessern
    • Komplikationen zu vermeiden und Komorbiditäten zu senken
    • Patienten und Angehörigen sinnvolle Hilfestellungen an die Hand zu geben (Patientenleitlinie)
    • eine Senkung der Morbidität, der Mortalität, der Pflegebedürftigkeit und den daraus resultierenden sozialen und gesamtwirtschaftlichen Folgen zu erreichen
    • eine gemeinsame Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) zwischen Ärzten, Angehörigen und – soweit möglich – Patienten zu unterstützen.


    1.5 Einteilung der Empfehlungen

    Die Empfehlungen der Leitlinie sind - ihrer Relevanz entsprechend - in 3 Stufen (A, B, C) eingeteilt, die auf den zugrunde liegenden wissenschaftlichen Studien und deren Qualität basieren.
    Soweit möglich, wird die zugrunde liegende Quelle angegeben, Expertenmeinung wird als solche gekennzeichnet. Einzelheiten finden Sie unter Hintergrundinformationen [
    115].

    Die Leitlinie Demenz in der Version 05/2005 nimmt Bezug auf andere nationale und internationale Leitliniendokumente, die übersetzt, inhaltlich und formell überarbeitet und an hausärztliche Erfordernisse angepasst wurden. Die wichtigsten sind:

    • Canadian Medical Association (CMA): The recognition, assessment and management of dementing disorders: conclusions from the Canadian Consensus Conference on Dementia. 1999 [113]
    • North of England evidence based guidelines development project: guideline for the primary care management of dementia. 1998 [114]
    • Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR): Clinical Practice Guideline. Recognition and Initial Assessment of Alzheimer's Disease and Related Dementias. 1996 [115]
    • New Zealand Guideline Group (NZGC): Guidelines for the Support and Management of People with Dementia. 1997 [116]
    • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ): Demenz. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. 2000 [117]
    • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN): Behandlungsleitlinie Demenz. 2000 [118].
    • Bund Deutscher Allgemeinmediziner (BDA): Manual Demenz.1999 [119]
    • Bund Deutscher Allgemeinmediziner (BDA): Case-Managment Demenz. 1999 [120]
    • National Institute for Clinical Excellence (NHS): Guidance on the use of donepezil, rivastigmine, and galantamine for the treatment of alzheimer´s disease. 2001 [121]
    • CPMC. Note for guidance on medicinal products in the Treatment of Alzheimer´s Disease. Committee for Proprietary Medicinal Products. 1997 [123]
    • Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN): Interventions in the management of behavioural and psychological aspects of dementia. 1998. [122]
    • Howard R, Ballard C, O'Brien J, Burns A. Guidelines for the management of agitation in dementia. Int J Geriatr Psychiatry 2001;16(7):714-7. [124]
    • Cummings JL, Frank JC, Cherry D, Kohatsu ND, Kemp B, Hewett L, et al. Guidelines for  managing Alzheimer's disease: part I. Assessment. Am Fam Physician 2002;65(11):2263-72. [125]
    • Cummings JL, Frank JC, Cherry D, Kohatsu ND, Kemp B, Hewett L, et al. Guidelines for managing Alzheimer's disease: Part II. Treatment. Am Fam Physician 2002;65(12):2525-34. [126]
    • New Zealand Guideline Group (NZGC). Guidelines for the Use of Acetylcholinesterase Inhibitor Drugs in the Treatment of People With Alzheimer's Disease. 2000 [127].
    • Medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de der Universität Witten/Herdecke. Leitlinie Diagnose, Therapie und Versorgung bei Demenz Version 3/2001, 12/2001 und 10/2003 [177]
    • Entwurf der DEGAM-Leitlinie „Demenz“, Leitlinienautoren: Horst Christian Vollmar, Hanna Kaduszkiewicz, Peter Mand, Martin Butzlaff, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2005 [178]
    • DGGPP: Empfehlungen zur Therapie dementieller Erkrankungen. 2004 [332]
    • DGN: Diagnose und Therapie der Alzheimer-Demenz (AD)und der Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB), in: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 2003 [406]
    • NICE: Appraisal Consultation Document: Alzheimer's disease - donepezil, rivastigmine, galantamine and memantine (review). 2005, National Institute of Clinical Excellence (NICE) [336]
    • ÄZQ, Leitlinien-Clearingbericht "Demenz". ÄZQ Schriftenreihe Band 20, 2005, Berlin: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (Gemeinsame Einrichtung von BÄK und KBV). [201, 340]
       

    Weitere Leitlinien, Health Technology Reports (HTA), Empfehlungen, sowie Reviews aus der Cochrane Library [50, 64, 65, 71, 72, 73, 74, 79, 80, 272, 282, 293, 294, 295, 339, 345, 354, 377, 380].


2. Definition der Demenz

In den folgenden Tabellen wird die Definition der Demenz anhand des internationalen Standards “Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen” (DSM) und die Einteilung anhand der ICD-Klassifikation erläutert [2, 59].


    Tabelle 1: Definition der Demenz nach DSM IV

    Eine Demenz wird diagnostiziert, wenn mehrere kognitive Defizite vorliegen, die sich zeigen in:

    Gedächtnisbeeinträchtigung plus
    mindestens eine der folgenden Störungen

    • Aphasie: Störung der Sprache
    • Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen
    • Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren bzw. wiederzuerkennen
    • Störung der Exekutivfunktionen, d.h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihenfolge

    Diese kognitiven Defizite verursachen eine signifikante Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau dar.

    Die Defizite treten nicht als Teil einer rasch einsetzenden Bewusstseinseintrübung (= Delir) auf.

    Die Störung kann nicht einem anderen primären psychischen Leiden, wie endogene Depression oder Schizophrenie, zugeschrieben werden.

    Abgrenzung der unterschiedlichen Demenzformen
    Oben genannte Symptome und zusätzlich...

     

    bei Alzheimer Demenz
    (ca. 70%):

    bei vaskulärer Demenz
    (ca. 20%):
     

    bei anderen Demenzformen (ca. 10%):

     

    • Verlauf schleichend und durch fortgesetzten kognitiven Abbau gekennzeichnet
    • Andere substanzinduzierte, systemische oder ZNS-Erkrankungen ausgeschlossen
    • Neurologische Fokalsymptome oder Laborbefunde weisen auf zerebrovaskuläre Erkrankung hin

    Hinweise aus Anamnese, Untersuchung und Labor auf andere Ursachen:

    • HIV
    • Schädel-Hirn-Trauma
    • Parkinson
    • Chorea Huntington
    • Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung
    • andere

     

    Adaptiert aus [2]


    Tabelle 2: Einteilung der Demenz (ICD 10 Kurzfassung)

      F00 Demenz bei Alzheimer-Krankheit
      F01 Vaskuläre Demenz   
      F02 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
      F03 Nicht näher bezeichnete Demenz

      Die ausführliche ICD-Klassifikation der Demenzformen findet sich unter Hintergrundinformationen ICD10.

       

      Adaptiert aus [59]

    Die Begriffe präsenile bzw. senile Demenz sind missverständlich und sollten nicht mehr verwendet werden.


      2.1 Schweregradeinteilung der Demenz

      Im klinischen Alltag hat sich die Einteilung in drei Schweregrade etabliert, die der folgenden Tabelle zu entnehmen sind..


      Tabelle 3: Schweregrade der Demenz

      Schwere
      grad

      Kognition

      Lebensführung

      Störungen von Antrieb und Affekt

      MMST*-Score (max. 30 Punkte)

       

      leicht

      Komplizierte tägliche Aufgaben oder Freizeitbeschäf-
      tigungen können nicht (mehr) ausgeführt werden.

      Die selbstständige Lebensführung ist zwar eingeschränkt, ein unabhängiges Leben ist aber noch möglich.

    • Aspontanität
    • Depression
    • Antriebsmangel
    • Reizbarkeit
    • Stimmungs-
         labilität
    • unter 23-24

       

      mittel

      Nur einfache Tätigkeiten werden beibehalten; andere werden nicht mehr vollständig oder angemessen ausgeführt.

      Ein unabhängiges Leben ist nicht mehr möglich. Patienten sind auf fremde Hilfe angewiesen, eine selbstständige Lebensführung ist aber noch teilweise möglich.

    • Unruhe
    • Wutausbrüche
    • aggressive
         Verhaltens-
         weisen
    • unter 20

       

      schwer

      Es können keine Gedankengänge mehr nachvollziehbar kommuniziert werden.

      Die selbstständige Lebensführung ist gänzlich aufgehoben.

    • Unruhe
    • Nesteln
    • Schreien
    • Störungen des
         Tag-Nacht-
         Rhythmus
    • unter 10

       

      *Mini-Mental-Status-Test, Tabelle modifiziert nach [185]

      Siehe auch Mentale Leistungstests

      Hinweis: Cholinesterasehemmer werden von der gesetzlichen Krankenkasse in der Regel nur bezahlt, wenn ein Patient unter 24 und über 10 Punkte im MMST aufweist.


    3. Diagnose der Demenz


      3.1 Eigen- und Fremdanamnese

      Viele der demenzbedingten Symptome werden im alltäglichen Umgang dem natürlichen Alterungsprozess zugeschrieben [119]. Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt jedoch im Alter nicht automatisch ab. Sie unterliegt allerdings einem Wandel; die sogenannte fluide Intelligenz nimmt ab, während die kristalline Intelligenz zunimmt [290]. Dieser Wandel führt normalerweise nicht zu größeren Einschränkungen im täglichen Leben.
      Eine Demenz sollte in Erwägung gezogen werden, wenn der Rückgang der kognitiven Leistung die beruflichen, sozialen bzw. alltäglichen Fähigkeiten beeinträchtigt [
      1].
      Reflexionsfähigkeit und Einsicht lassen bei fortschreitender Demenz nach: die Eigenanamnese des Patienten wird weniger verlässlich [
      3, 4]. Da auch ein Nachlassen der Gedächtnisleistung häufig ist, sollte auch eine Fremdanamnese vorgenommen werden [5, 6]. Neben einer Demenz können andere psychiatrische Symptome bzw. Erkrankungen vorliegen, die eine eindeutige Diagnosestellung erschweren [7, 79, 80].


        3.1.1 Frühe Symptome bei Demenz

        Hat der Patient beginnende oder zunehmende Schwierigkeiten mit einer der folgenden Aktivitäten, sollte eine dementielle Erkrankung in Betracht gezogen werden [79, 80, 279]:

        • Neue Informationen aufnehmen und behalten
          • Patient wiederholt sich
          • hat Mühe, Gespräche, Ereignisse, Verabredungen zu erinnern, selbst wenn diese nicht lange zurückliegen
          • findet abgelegte Gegenstände nicht wieder
        • Komplexere Handlungen durchführen
          • Patient hat Mühe, einem komplexeren Gedanken zu folgen oder eine Aufgabe zu erledigen, die mehrere Schritte beinhaltet: z.B. eine Mahlzeit zu kochen oder ein Scheckbuch zu führen
        • Vernunft und Urteilskraft
          • Patient hat Mühe, vernünftig und praktisch mit neuauftretenden Problemen umzugehen: z.B. wenn das Essen anbrennt oder das Badewasser überläuft
          • Patient kümmert sich nicht um ansonsten übliche soziale Umgangsformen
        • Räumliche Orientierung
          • Patient hat Schwierigkeiten beim Autofahren
          • findet sich in eigentlich vertrauter Umgebung nicht mehr zurecht
        • Sprache
          • Patient hat Mühe, die “richtigen” Worte zu finden
          • kann einem Gespräch nicht mehr ohne weiteres folgen
        • Verhalten
          • Patient ist passiver als sonst und reagiert langsamer
          • ist misstrauischer und leichter erregbar
          • missinterpretiert visuelle und akustische Stimuli


        3.1.2 Zeitverlauf der Symptome

        Für eine sorgfältige Diagnosestellung und eine realistische Einschätzung des Verlaufes ist es wichtig, sowohl den Beginn der Symptome als auch den weiteren Verlauf

        • kontinuierlich verschlechternd
        • intermittierend
        • stabil

        möglichst genau zu erfragen [279].

        Insgesamt ist es schwierig, eine Demenz in der präklinischen Phase zu erfassen, lediglich ein Drittel aller Demenzpatienten weist 3 Jahre vor der Diagnosestellung schon kognitive Defizite auf [229].


        3.1.3 Überlagernde bzw. mögliche auslösende Faktoren

        Sämtliche zuletzt eingenommenen Medikamente sollten notiert werden, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen sind zu beachten. Auf potenziellen Drogenmissbrauch, insbesondere auf Dauer und Intensität von Alkoholkonsum, sollte ausführlich eingegangen werden.

        Siehe auch Hintergrundinformationen “Medikamente, die eine Demenz-Symptomatik verschlechtern können”.

        Nach metabolischen und systemischen Erkrankungen, die als Ursache bzw. Auslöser einer Demenz in Betracht kommen, sollte gezielt gesucht werden: Hypothyreose, Diabetes mellitus, Vitamin B 12 Mangel, Niereninsuffizienz, Homocysteinämie, AIDS, Neoplasmen mit ZNS-Beteiligung.


        3.1.4 Potenzielle Risikofaktoren

        Die potenziellen Risikofaktoren sollten erhoben werden [230]:

        • Demenz bei Verwandten ersten Grades [8, 9]
        • vorangegangene Kopfverletzung [10]
        • eingeschränkte Schulbildung [11, 12]
        • häufiger Alkoholkonsum [171, 172, 378]
        • bestimmte neurologische Erkrankungen (z.B. Morbus Parkinson, Down Syndrom) [9, 171, 288]
        • vaskuläres Risikoprofil (Familienanamnese, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus, Diabetes mellitus, Homocysteinämie) [147, 165, 167, 168, 169, 286, 334, 335]
        • vorangegangener Schlaganfall, insbesondere in Kombination mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren [334]

        Das Risiko kann positiv beeinflusst werden durch:

        • Kognitive Leistungen (z.B. Schach spielen, Kreuzworträtsel lösen etc.) [99]
        • Geringen (!) Alkoholkonsum [170]
        • Senkung der vaskulären Risikofaktoren, z.B. des Blutdrucks [265]

        Es existieren keine überzeugenden Studien zur Prävention mittels Nahrungsergänzungen oder Pharmazeutika, sodass Vitamine, Statine oder Phytotherapeutika zur Prävention nach dem gegenwärtigen Stand nicht empfohlen werden können (siehe 4.4).

        Ob Östrogene eine protektive Wirkung hinsichtlich einer Demenz haben, kann durch die vorliegenden Studienergebnisse nicht eindeutig beantwortet werden (siehe 4.7.11) [166, 269, 270]. Wegen der unerwünschten Wirkungen (erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mamma-Karzinoms u.a.) sollten sie nicht zur Demenzprophylaxe eingesetzt werden [273, 274].

        Wenn ein Patient ausschließlich subjektive Beschwerden ohne nachweisbare Defizite bzw. ohne bestätigende Fremdanamnese angibt, sollte auch eine Depression oder eine Angststörung in Betracht gezogen werden [13, 14].


      3.2 Empfehlungen – Anamnese

       

      1. Da ein Nachlassen von Gedächtnisleistung, Einsicht und Reflexionsfähigkeit häufig ist, sollte eine Fremdanamnese berücksichtigt werden (B).

      2. Neben einer Demenz können andere psychiatrische Symptome bzw. Erkrankungen vorliegen, die eine eindeutige Diagnosestellung erschweren. Entsprechende Überlegungen sollten berücksichtigt werden (B).

      3. Überlagernde bzw. potenziell auslösende Faktoren sollten erfasst werden (C):

      • Medikamenteneinnahme mit möglichen Nebenwirkungen
      • Drogenmissbrauch, insbesondere Alkoholkonsum
      • metabolische und systemische Erkrankungen (Hypothyreose, HIV, Vitamin B12 und Folsäuremangel, Niereninsuffizienz, AIDS, Neoplasmen mit ZNS-Beteiligung)

      4. Die gesicherten bzw. potenziellen Risikofaktoren sollten erfasst und ggf. therapiert werden:

      • Demenz bei Verwandten ersten Grades (A)
      • Vaskuläres Risikoprofil: Familienanamnese, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus, Diabetes mellitus (A)
      • Homocysteinämie (B)
      • Eingeschränkte Schulbildung (B)
      • Häufiger Alkoholkonsum (B)
      • Neurologische Erkrankungen, z.B. M. Parkinson, Down Syndrom (B)
      • Vorangegangene Kopfverletzung (B)

      5. Wenn ein Patient ausschließlich subjektive Beschwerden ohne nachweisbare Defizite bzw. ohne bestätigende Fremdanamnese angibt, sollte auch eine Depression oder eine Angststörung in Betracht gezogen werden (C).

       


      3.3 Körperliche Untersuchung

      Zunächst ist eine rasch fortschreitende oder lebensbedrohliche Erkrankung auszuschließen (zerebrale Blutung, Meningitis / Enzephalitis etc.), insbesondere wenn eine rasche Bewusstseinseintrübung (siehe Tabelle 4) vorliegt [15].
      In einem Drittel aller Fälle geht eine Demenz mit anderen psychiatrischen Störungen einher:

      • Depression,
      • Alkoholsucht,
      • Angststörung etc.

      Diese sollten bei der Anamnese und klinischen Untersuchung in Betracht gezogen werden [7, 16].


      Tabelle 4: Hinweise auf ein Delir oder eine Depression

      Hinweise auf ein Delir

      Hinweise auf eine Depression

       

      • Eintrübung des Bewusstseins
      • Gedächtnis- oder Sprachstörung
      • Desorientiertheit
      • Störungsbild entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit und fluktuiert im Tagesverlauf
      • Intoxikation (Medikamente, Drogen) kommt in Betracht
      • Entzug von Medikamenten bzw. Drogen kommt in Betracht
      • an fast allen Tagen:
        • Depressive Verstimmung
        • Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf
        • Müdigkeit oder Energieverlust
        • Gefühle von Wertlosigkeit
        • Unangemessene Schuldgefühle
        • Verminderte Denk- bzw. Entscheidungsfähigkeit
        • Wiederkehrende Todes- bzw. Suizidvorstellungen
      • oft:
        • Psychomotorische Unruhe
        • Deutlich vermindertes Interesse an fast allen Aktivitäten
        • Deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme

       

      Adaptiert aus [115]

      Liegen keine ausführlichen Vorkenntnisse über den Patienten vor, ist eine gründliche körperliche Untersuchung indiziert, die insbesondere folgende Aspekte umfassen sollte: Blutdruck, peripherer Pulsstatus, Anzeichen für kardiale oder respiratorische Insuffizienz, neurologischer Status einschließlich der Hirnnerven, v.a. Ausschluss einer Seh- oder Hörschwäche [115].

      Die frühzeitige Diagnosestellung ist für eine erfolgreiche therapeutische Intervention ungemein wichtig. Anamnese und klinische Untersuchung allein sind für eine rechtzeitige Diagnosestellung oft nicht ausreichend. Die Diagnosesicherheit des Arztes nimmt zu, wenn neben der Anamnese und dem klinischen Erfahrungsurteil mentale Leistungstests (s. 3.4) einbezogen werden [19, 20, 21, 68].


      3.4 Mentale Leistungstests

      Für die Diagnosestellung sollten zusätzlich zu Anamnese und klinischer Untersuchung standardisierte (psychometrische) Tests einbezogen werden. Mehrere Tests sind evaluiert und können empfohlen werden [80, 231, 393]:

      Für die Diagnosesicherung kann es notwendig sein, die Tests im Verlauf einer Erkrankung mehrfach durchzuführen. Näheres zu den Testverfahren findet sich in den Hintergrundinformationen.


      3.5 Empfehlungen – Klinische Untersuchung

       

      1. Rasch fortschreitende oder lebensbedrohliche Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden (zerebrale Blutung, Meningitis / Enzephalitis etc.) (C).

      2. Ein Delir (rasche Bewusstseinseintrübung) sollte ebenso ausgeschlossen bzw. abgegrenzt werden wie eine Depression (Tabelle 4) (B).

      3. Liegen keine ausführlichen Vorkenntnisse über den Patienten vor, ist eine gründliche körperliche Untersuchung indiziert, die v. a. folgende Aspekte einschließt (C):

      • Blutdruck
      • peripherer Pulsstatus
      • Anzeichen für kardiale oder respiratorische Insuffizienz
      • Neurologischer Status einschließlich der Hirnnerven
      • V.a. Ausschluss einer Seh- oder Hörschwäche

      4. Für die Diagnosestellung sollten zusätzlich zu Anamnese und klinischer Untersuchung standardisierte Tests einbezogen werden (B). Die folgenden Tests sind evaluiert und können empfohlen werden:

      • Mini-Mental-Status-Test (B)
      • DemTect (B)
      • Uhrzeit-Zeichnen-Test (B)
      • Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) (B)
      • Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD) (B)

      5. Für die Diagnosesicherung kann es notwendig sein, die Tests im Verlauf einer Erkrankung mehrfach durchzuführen (C).

       


      3.6 Labor

      Folgende Laborparameter sollten in einer ersten Screening-Untersuchung erfasst werden [28, 29]:

      • Blutbild
      • TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon)
      • Natrium
      • Kalium
      • Kalzium (Calcium)
      • Blutzucker
      • Urin-Teststreifen

      Ergeben sich aus Anamnese, körperlicher Untersuchung oder Laborbefunden entsprechende Verdachtsmomente, können zusätzliche Laborparameter erforderlich werden:

      • Blutsenkung
      • Kreatinin
      • Harnstoff
      • GPT
      • Gamma-GT
      • Folsäure
      • Vitamin B 12
      • HIV-Test
      • Luesserologie
      • Borrelientiter
      • toxische Substanzen (z.B. Benzol, Toluol, Quecksilber, Blei)
      • Homocystein
      • Medikamentenspiegel (z.B. Test auf Benzodiazepine)
      • Liquordiagnostik.


      3.7 Computertomografie (CT) und andere bildgebende Verfahren

      Die Computertomografie des Schädels ist für die Diagnose von raumfordernden Ursachen einer Demenz (Primärtumor, Metastasen, Blutung, Hydrozephalus) und mit Einschränkung auch für die Diagnostik einer vaskulären Demenz geeignet.
      Als Alternative kommt die Magnetspinresonanztomografie (MRT) in Betracht [
      79].
      Für die Diagnostik einer Alzheimer-Demenz oder in der Differentialdiagnose anderer subkortikaler Demenzformen ist die Computertomografie weniger gut geeignet (Sensitivität 95%, Spezifität für die Alzheimer Demenz lediglich 40%) [
      237].
      U.U. kann aber die mittels Temporal-CT nachweisbare Hippokampusatrophie eine wichtige Hilfe bei der Diagnose einer Alzheimer Demenz darstellen [
      227].
      Die Positronenemissionstomografie (PET) bzw. die Einzelphotonen-Emissions-Computertomografie (SPECT) bringen nach dem heutigen Wissensstand bzgl. der Diagnose Alzheimer keinen zusätzlichen Nutzen [
      79].

      Ein Schädel-CT wird empfohlen, wenn eines oder mehrere der folgenden Kriterien vorliegen [30, 31]:

      • der Patient ist jünger als 65 Jahre
      • die Symptomatik besteht seit weniger als einem Jahr
      • die Demenz schreitet rasch voran
      • eine Kopfverletzung in der Kurzzeitanamnese
      • ungeklärte neurologische Symptomatik (z.B. Krampfanfälle)
      • neu auftretende fokale Symptome (z.B. Babinski-Reflex, Hemiparese)
      • Krebsleiden in der Anamnese (insbesondere metastasierende Karzinome)
      • Hinweise auf Antikoagulanzieneinnahme oder Blutgerinnungsstörung
      • atypischer Verlauf
      • atypische kognitive Symptomatik (z.B. rasch zunehmende Aphasie).


      3.8 Empfehlungen – Labor und bildgebende Verfahren

       

      1. Labor
      Folgende Laborparameter sollten in einer ersten Screening-Untersuchung erfasst werden (B):

      • Blutbild
      • TSH
      • Elektrolyte einschließlich Serum-Kalzium
      • Glukose
      • Urin-Teststreifen

      2. Bildgebende Verfahren
      Ein Schädel-CT wird empfohlen, wenn eines oder mehrere der folgenden Kriterien vorliegen (A):

      • Patient ist jünger als 65 Jahre
      • Symptomatik besteht seit weniger als einem Jahr
      • Demenz schreitet rasch voran
      • Kopfverletzung in der Kurzzeitanamnese
      • ungeklärte neurologische Symptomatik (z.B. Krampfanfälle)
      • neuauftretende fokale Symptome (z.B. Babinski-Reflex, Hemiparese)
      • Krebsleiden in der Anamnese (insbesondere metastasierende Karzinome)
      • Hinweise auf Antikoagulanzieneinnahme oder Blutgerinnungsstörung
      • atypischer Verlauf, atypische kognitive Symptomatik (z.B. rasch zunehmende Aphasie)
         

       


      3.9 Überweisung und Expertenrat

      Patienten mit einer Demenzerkrankung können meist von ihren primär versorgenden Hausärzten (Praktische Ärzte, Allgemeinärzte, Internisten) diagnostiziert, therapiert und betreut werden.

      Die typische Symptomatik der Alzheimer Demenz mit ihrer schleichenden Entwicklung und dem langsamen Voranschreiten über 7 bis 10 Jahre, verbunden mit einem kontinuierlichen Rückgang der kognitiven und praktischen Fähigkeiten, kann gut durch die langjährige Betreuung innerhalb einer Hausarztpraxis aufgedeckt werden. Neurologische Fokalsymptome oder Laborbefunde weisen auf eine zerebrovaskuläre Erkrankung mit oder ohne vaskuläre Demenz hin und können ebenfalls in der hausärztlichen Praxis identifiziert werden.

      In vielen Fällen kann es jedoch sinnvoll und hilfreich sein, einen Expertenrat einzuholen [32, 33].
      Insbesondere sollte ein erfahrener Fachkollege konsultiert werden, wenn

      • fortdauernde Unsicherheit über die Diagnose besteht,
      • bei Unsicherheit, ob neben der Demenz auch eine Depression oder andere neurologische Störungen vorliegen
      • Fragen bezüglich der Medikation bzw. eventueller Nebenwirkungen vorliegen
      • spezifische Versorgungsfragen zu klären sind
      • eine genetische Beratung gewünscht bzw. erforderlich ist oder
      • die Patienten bzw. Angehörigen eine Expertenmeinung hinzuziehen möchten.

      Die Fachrichtung des Experten (Geriatrie, Psychiatrie, Neurologie) wird je nach regionalen Gegebenheiten unterschiedlich sein.


      3.10 Empfehlungen – Expertenrat und Überweisung

       

      Die wichtigsten Gründe für die Konsultation eines Experten (C):

      • Fortdauernde Unsicherheit über die Diagnose
      • Parallel bestehende Depression
      • Probleme mit der Medikation bzw. evtl. Nebenwirkungen
      • Klärungswunsch für spezifische Versorgungsfragen
      • Erfordernis oder Wunsch nach genetischer Beratung
      • Wunsch von Patienten bzw. Angehörigen nach einer Expertenmeinung

      Die Fachrichtung des Experten (Geriatrie, Psychiatrie, Neurologie) wird je nach regionalen Gegebenheiten unterschiedlich sein (C).
      Eine enge Kooperation mit Pflegenden und anderen Gruppen des Gesundheitswesens ist anzustreben (C) (s.
      4.1).
       

       


      3.11 Ursachen für reversible und nichtreversible Demenzformen

      Ausführliche Tabellen zu reversiblen (Hintergrundinformationen Tab. 6) und nichtreversiblen Demenzformen (Hintergrundinformationen Tab. 7) finden sich unter Hintergrundinformationen.


    4. Therapie

    Angehörige, Pflegende und versorgendes Personal haben vielfältige und unterschiedliche Aufgaben in der Betreuung Demenzkranker. Ihre Beobachtungen und Berichte sind essentiell für die Einschätzung des Verlaufes und die medizinische Behandlung [34, 35]. Die Betreuung Demenzkranker ist eine anspruchsvolle und oft belastende Aufgabe: bis zu 50% der Betreuenden leiden im Verlauf dieser Aufgabe an psychiatrischen Symptomen [36]. Trotzdem empfinden viele Menschen auch eine innere Befriedigung in der Betreuung ihrer Angehörigen, besonders, wenn diese dadurch zu Hause weiter versorgt werden können und nicht in einem Heim untergebracht werden müssen.
    Für den behandelnden Arzt ist es daher besonders wichtig, mit dem betreuenden Personal und den Angehörigen partnerschaftlich zusammenzuarbeiten [
    37, 38]. Dabei sollten auch andere chronische  Erkrankungen und deren Therapie berücksichtigt werden; häufig werden Medikamente nicht mehr bestimmungsgemäß eingenommen, was zu erheblichen Komplikationen führen kann [359].


      4.1 Pflege und Betreuung bei Demenz

      Eine Pflege, die sich an den emotionalen Bedürfnissen der Demenzkranken orientiert, hat nachweislich einen positiven Effekt auf deren Lebenssituation [247, 271, 287].
      So hat sich in der Pflege eine Werteorientierung der "personenzentrierten Pflege" oder "positiven Personenarbeit" fest etabliert [
      284]. In diesem Zusammenhang wurde z.B. ein Beobachtungsverfahren speziell für Menschen mit einer Demenz entwickelt (Dementia Care Mapping, DCM), welches es möglich macht, die Perspektive und das Wohlbefinden dieser Patienten einzuschätzen. So kann mit diesem Beobachtungsverfahren gemessen werden, ob sich bestimmte Maßnahmen - wie zum Beispiel die Arbeit mit Tieren, Musik oder kochen – positiv oder negativ auf die Demenzpatienten auswirken [284].
      Bei einem Case-Management von Demenzpatienten ist die Betreuung von Angehörigen und Pflegenden ein wesentlicher Bestandteil [
      282]. Hilfsangebote und Beratungen von Angehörige erhöhen nicht nur deren Lebensqualität, sondern führen nachweislich auch zu einer verbesserten Situation der Demenzpatienten [36, 275, 276, 277, 278, 280, 281, 282, 287, 331, 337, 338, 381, 383, 389].
      Spezielle Versorgungs- und Schulungsangebote sind jedoch in Deutschland (noch?) nicht flächendeckend verfügbar [
      251, 287]. Informationen über entsprechende Angebote können über die Deutsche Alzheimer Gesellschaft oder das Kuratorium Deutsche Altershilfe in Erfahrung gebracht werden (s. Hintergrundinformation).

      Weitere Hinweise für Angehörige und Pflegende finden Sie in der zugehörigen Patientenleitlinie.

      Ein Statement zur Demenz aus pflegerischer Perspektive findet sich in den Hintergrundinformationen.
      Spezielle Informationen zur Pflege von Demenzpatienten erhalten Sie zusätzlich über die Internetseiten des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität Witten/Herdecke (
      http://www.uni-wh.de/pflege/index.html).

      Empfehlenswert ist auch das Buch “Hilfen zur Kommunikation bei Demenz”, welches das Kuratorium für Deutsche Altershilfe anbietet [403].


      4.2 Empfehlungen – Pflege und Betreuung bei Demenz

       

      Anregungen für betreuende Ärzte (B):

      • Führen Sie regelmäßig Gespräche sowohl mit Patienten und Betreuern zusammen als auch einzeln nur mit den versorgenden Personen.
      • Helfen Sie den Patienten und dem betreuenden Umfeld, die Erkrankung besser zu verstehen und machen Sie sich ein Bild von der häuslichen Situation, um ggf. Vorschläge für eine bessere Versorgungssituation machen zu können.
      • Machen Sie sich ein Bild von dem unterstützenden Umfeld der betreuenden Personen (z.B. Doppelbelastung der Angehörigen durch Beruf, weitere erkrankte Familienangehörige etc.) und ermutigen Sie sie, rechtzeitig Hilfe anzufordern.
      • Fragen Sie die Betreuenden und Angehörigen regelmäßig nach ihren aktuellen Belastungen und nach gesundheitlichen und psychischen Problemen.
      • Verweisen Sie Angehörige und Betreuende auf regionale und lokale Hilfsmöglichkeiten (z.B. Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Sozialdienste) und machen Sie Mut, Kontakte und Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen.
      • Sprechen Sie bewusst finanzielle und rechtliche Problem an.
      • Wenn Sie ein Alten- oder Pflegeheim betreuen, beraten Sie sich regelmäßig mit dem Personal. Auch die Teilnahme an gemeinsamen Teamsitzungen ist empfehlenswert.

       


      4.3 Nichtmedikamentöse Therapien bei Demenz

      Der Einsatz nichtmedikamentöser Maßnahmen beim Demenzkranken versucht bestehende Fähigkeiten zu erhalten und ggf. auszubauen [7, 17, 234, 235, 236, 248, 266, 267]. Dabei hat das Training von alltäglichen Fertigkeiten nachweislich einen vorteilhaften Einfluss auf den Krankheitsverlauf [41, 42, 43, 267]. Im Anfangsstadium der Erkrankung erfolgt das Training komplexer Verhaltensweisen, im weiteren Verlauf die Unterstützung von Elementarfunktionen wie z.B. das Toilettentraining.

      Eine Vielzahl von nichtmedikamentösen Therapieformen wird bei Demenzkranken angewendet und richtet sich nach den regionalen Gegebenheiten und den Erfahrungen der Therapeuten.

      Es existieren nur wenige, qualitativ gute Studien, die die genannten Verfahren systematisch untersucht haben.

      Folgende Therapiemaßnahmen kommen zur Anwendung:

      • Verhaltenstherapie (VT) s.4.3.1
      • Physiotherapie / Krankengymnastik s. 4.3.2
      • Ergotherapie s. 4.3.3
      • Bewegungstherapie
      • Logopädie
      • Selbsterhaltungstherapie (SET)
      • Kunsttherapie
      • Milieutherapie
      • Musiktherapie
      • Memory-(Gedächtnis-)Training / Kognitives Training
      • Realitätsorientierungstraining (ROT)
      • Reminiszenztherapie
      • Validationstherapie
      • Snoezelen
      • Aromatherapie
      • Lichttherapie
      • Telemedizinisch unterstützte Versorgung
      • Demenz-Pflegekonzepte (z.B. Dementia Care Mapping) s. 4.1
      • Angehörigenunterstützung, -gruppen und -schulungen s.4.1
      • Care- / Case-Management s.4.1
      • u.a.

      • 4.3.1 Verhaltenstherapie (VT)

        Die Verhaltenstherapie ist eine strukturierte Therapieform, in der aktuelle Probleme angegangen werden. Übergeordnete Ziele werden in überschaubare Teilziele aufgeteilt. Dabei kommen schriftliche Aufzeichnungen und Hausaufgaben zum Einsatz. Dies macht die Verhaltenstherapie zu einem psychotherapeutischen Verfahren für Demenzkranke im Frühstadium. Betreuende Personen werden mit entsprechenden Trainingsmaßnahmen darin geschult, selbstständiges Verhalten durch positive Zuwendung zu verstärken und so zu fördern.

        Die Wirksamkeit der VT insbesondere bei depressiven Störungen Demenzkranker ist mittlerweile belegt (siehe auch 5.1) [7, 14, 89, 90]. Steht zu Beginn des Krankheitsprozesses der Demenzkranke im Zentrum der Therapie, verschiebt sich der Schwerpunkt in späteren Stadien auf Interventionen mit Hilfe der Angehörigen (z.B. Förderung selbstständigen Verhaltens bei der Nahrungsaufnahme oder bei der Körperpflege). Allerdings muss der Therapeut schon im Frühstadium der Demenz das übliche Vorgehen so abwandeln, dass der Patient nicht überfordert wird. Zu achten ist u.a. auf:

        • Vereinfachung der Sprache und kleine Teilschritte
        • strukturierte Gesprächsführung
        • Wiederholung von Informationen, Aufgreifen von Hausaufgaben
        • konkrete Beispiele und alltagsbezogene Ziele
        • übersichtliches Therapiematerial (schriftliche Aufzeichnungen)


        4.3.2 Physiotherapie

        Auch bei der Demenz orientiert sich die Physiotherapie an der Leitsymptomatik des Patienten [120]. Den Schwerpunkt bildet die Bewegungstherapie, ergänzt durch begleitende Maßnahmen der physikalischen Therapie, deren Aufgabe es ist, pathologische Bewegungsmuster, krankhafte Muskel- und Skelettzustände sowie fehlgeleitete neuromuskuläre Übertragungen nach entsprechenden Konzepten zu therapieren. Außerdem beeinflusst die Physiotherapie in hohem Maße den Bereich des Verhaltens und Erlebens, welcher besonders für die Demenzkranken von Bedeutung ist. 

        Da circa 80 Prozent der dementen Patienten zu Hause betreut werden, fallen dem behandelnden Physiotherapeuten auch in der Beratung der Angehörigen, der Beratung bei der Hilfsmittelversorgung und der Inspektion der heimischen Umgebung (Gefahrenquellen für den Erkrankten) vielfältige Aufgaben zu [120].

        Welche therapeutischen Möglichkeiten und Methoden bei der physiotherapeutischen Behandlung zum Einsatz kommen, ist abhängig vom Therapieziel und dem Zustand des Patienten (z.B. Zustand nach Apoplex). Der behandelnde Arzt, in aller Regel ist es der Hausarzt, und der Physiotherapeut sollten sich vor Beginn einer Therapie auf ein Therapieziel einigen. Idealerweise sollte auch der Patient in die Zielbeschreibung integriert werden. Da dies bei dem betroffenen Patientenkreis meist nicht möglich ist, empfiehlt sich immer die Einbeziehung der Angehörigen [120].


        4.3.3 Ergotherapie

        Die Ergotherapie soll größtmögliche Selbstständigkeit, Unabhängigkeit im Alltagsleben und Eigenverantwortung erhalten oder erreichen [120].

        In der Ergotherapie geht es primär nicht um die mechanische Wiederherstellung von gestörten Funktionen, sondern vor allem darum, dass dem Kranken oder Behinderten alltags- und handlungsorientierte Aktivitäten möglich sind. Die für eine adäquate Lebensführung erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten müssen erhalten, wiedererlangt oder erweitert werden [120].

        Um die Handlungsfähigkeit im Alltag zu verbessern oder zu erhalten, setzt die Ergotherapie adaptierte Übungsmaterialen, funktionelle, spielerische, handwerkliche und gestalterische Techniken sowie lebenspraktische Übungen ein. Neben der Beratung zur Hilfsmittelanpassung ist auch die Schulung mit Hilfsmitteln Teil der Behandlung. Auch Beratungen zur Arbeitsplatz-, Wohnraum- und Umfeldanpassung vor Ort sowie der Angehörigen sind Bestandteil der Therapie. Gerade die Beratung der Angehörigen nimmt im Bereich der Demenzversorgung von Beginn an eine bedeutende Rolle ein. Im geriatrischen Bereich, insbesondere bei Patienten mit Demenzsyndrom kann eine intensive ergotherapeutische Behandlung in den Anfangsstadien Pflegebedürftigkeit verhindern oder zumindest herauszögern. Durch Beratung und Schulung der Angehörigen im Umgang mit dem Betroffenen kann der Patient seine Selbstständigkeit länger erhalten [120].


        4.3.4 Weitere nichtmedikamentöse Therapieformen

        Im Folgenden werden weitere, der für ältere Menschen bzw. Demenzkranke entwickelten, Therapieverfahren in tabellarischer Form vorgestellt.


      Tabelle 5: Stadiengerechter Einsatz von nichtmedikamentösen Maßnahmen bei Demenzpatienten

      Therapieverfahren

      Therapie-
      prinzip

      Voraussetzungen

      Wissenschaftliche Basis (Evidenz)

       

      Gedächtnistraining
      (Synonyme: Gehirnjogging,
      Memory-Training)

      Konzentrations-
      übungen, Merkspiele, Übungen zur geistigen Flexibilität

      Ausreichende kognitive Leistungsfähigkeit (MMST>23),
      individuell abgestimmtes Programm zur Vermeidung von Frustration beim Patienten

      Keine Signifikanz, Transfer von Erlerntem kaum möglich, nur im Anfangsstadium sinnvoll
      [
      131, 238, 239, 240]

       

      Musiktherapie*

      Positive Effekte durch gemeinsames Musizieren, Singen, Tanz

      Auch in fortgeschrittenem Stadium anwendbar, da vorwiegend auf emotionale Ebene ausgerichtet, gut ausgebildeter Therapeut

      Keine Signifikanz, Tendenz zu positiven Effekten, in jedem Stadium
      [
      40, 128, 129, 130, 241, 246]

       

      Realitäts-
      Orientierungs-
      Training
      (ROT)

      Einzel- oder Classroom-Settin g: dem Patienten werden Informationen zur Orientierung angeboten (Datum, Ort etc.)

      Individuell abgestimmtes Programm zur Vermeidung von Überforderung, ausreichende kognitive Leistungsfähigkeit

      Gering signifikante Verbesserung kognitiver Funktionen und Verhalten; unklar, wie lange Effekt anhält, Anfangsstadium
      [
      243, 244]

       

      Remineszenz-
      therapie
      (Erinnerungs-
      therapie)

      Wiederauflebenla ssen von Erinnerungen zur Verarbeitung von Erlebnissen aus der Vergangenheit; Einzel- oder Gruppensetting

      Erhaltenes Altgedächtnis; Verfügbarkeit von Erinnerungsstücken, kann im Rahmen der Ergotherapie stattfinden

      Keine signifikanten Verbesserungen, positive Tendenz, Anfangs- / fortgeschrittenes Stadium
      [
      245]

       

      Validations-
      therapie

      Therapeut adaptiert sein Verhalten stadien-
      orientiert an den Patienten, Zentrierung auf die Bedürfnisse des Patienten

      Gut ausgebildete Therapeuten erforderlich

      Keine signifikanten Verbesserungen, positive Tendenz, jedes Stadium
      [
      249]

       

      Snoezelen

      Sammelbegriff für eine Vielzahl verschiedenartige r Aktivitäten auf der sensorischen Ebene. Die Reize werden mit Licht, Geräuschen, Gefühlen, Gerüchen und Geschmack angeregt. Therapeut kann frei wählen, welche Reize er primär einsetzen möchte.

      Auch in fortgeschrittenem Stadium anwendbar, da vorwiegend auf emotionale Ebene ausgerichtet

      Keine signifikanten Ver
      besserungen, jedes Stadium [
      242, 252]

       

      Aromatherapie

      Ätherische Öle werden in die Haut einmassiert und führen zu einer Entspannung, auch als Bad oder Raumduft einsetzbar

      Auch in fortgeschrittenem Stadium anwendbar, da vorwiegend auf emotionale Ebene ausgerichtet

      Signifikante Verbesserung der Agitation in einer randomisierten Studie mit Qualitätsmängeln, jedes Stadium  [254, 255]

       

      Adaptiert aus [178]

      *Hinweis: Das musiktherapeutische Institut der medizinischen Fakultät der Universität Witten/Herdecke stellt unter der Adresse www.musictherapyworld.de ausführliche Informationen ins Internet; darunter auch etliches Material zur Behandlung von Alzheimer-Patienten. Auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hält zu einigen Themen Broschüren bereit, so z.B. „Mit Musik Demenzkranke begleiten“.

      Eine systematische Übersicht befand folgende weitere nichtmedikamentöse Therapien teilweise als nutzbringend (bezogen auf die Minimierung von aggressivem Verhalten, Umherwandern und Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus sowie zur Verbesserung des Sozialverhaltens und der Fähigkeit, sich um sich selbst zu kümmern) [246]:

      • Therapie unter Einbeziehung von Haustieren („Streichelzoo“)
      • Einsatz optischer Barrieren
      • Alltagstraining (Anziehtraining, Einkaufstraining etc.)
      • Aufmerksamkeitsprogramm.

      Weitere Forschung ist erforderlich im Hinblick auf Dauer und Intensität der Interventionsstrategien sowie zur Beantwortung der Frage, welche spezifischen Aspekte der Intervention tatsächlich zu einem positiven Outcome führen.

      Keine der nichtmedikamentösen Maßnahmen kann aufgrund der Datenlage favorisiert werden [246].


      4.4 Empfehlungen – nichtmedikamentöse Maßnahmen bei Demenz

       

      Nichtmedikamentöse Maßnahmen bieten sich in jedem Stadium der Demenzkrankheit an, um das Befinden und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern (C).

       


      4.5 Medikamentöse Therapie der Demenz

      Obwohl etliche pharmazeutische Substanzen zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. für eine Verzögerung der Krankheitsprogression verfügbar sind, bleibt die Zahl der empfehlenswerten Substanzen begrenzt [84]. Dies liegt sowohl an der nicht überzeugend nachgewiesenen Wirksamkeit vieler Medikamente als auch an dem teilweise hohen Nebenwirkungsprofil [50].

      Eine symptomatische Besserung soll laut der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft zur klinischen Prüfung von Antidementiva in mindestens zwei von drei Beobachtungsebenen nachgewiesen werden [123]:

      • kognitive Funktion, gemessen durch neuropsycholgische Tests (kognitiver Endpunkt), z.B. durch den Mini-Mental-Status-Test oder die ADAS-cog-Skala.
      • Aktivitäten des täglichen Lebens (funktioneller Endpunkt), z.B. gemessen mit dem Test „Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL)“ oder der CIBIS-Skala.
      • klinische Gesamtwirkung, erfasst durch eine globale ärztliche Beurteilung (globaler Endpunkt).

      Kontrollierte Studien sollten wenigstens eine Dauer von sechs Monate aufweisen [123]. Diesen Anforderungen folgt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ebenso wie die hier vorliegende Leitlinie [117]. Eine Medikamentenempfehlung wird also nur ausgesprochen, wenn für die Substanzen neben einer Verzögerung bzw. Verbesserung der kognitiven Symptomatik in standardisierten Testverfahren auch eine klinische Verbesserung bzw. eine Verbesserung der Alltagsfähigkeiten nachgewiesen wurde.

      Wenn noch keine oder nur geringe Erfahrungen mit der medikamentösen Therapie vorliegen, ist eine Rücksprache mit Experten empfehlenswert.


        4.5.1 Medikamentöse Therapie der Alzheimer Demenz (DAT)


        4.5.1.1 Cholinesterasehemmer

        Für die leichten bis mittelgradigen Verlaufsformen der Alzheimer Demenz existieren eine Reihe von Belegen für die Wirksamkeit der so genannten Cholinesterasehemmer [188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 350, 365, 372]. Auch bei leichten kognitiven Defiziten wurden sie bereits versuchsweise eingesetzt [404]. Erklärt wird die Wirksamkeit durch die Pathophysiologie der Demenz. Dabei entsteht durch die Neurodegeneration im Gehirn von Demenzkranken ein cholinerges Defizit. Durch die Hemmung der Cholinesterase – das Enzym, welches den Neurotransmitter Acetylcholin abbaut – kann dieses Defizit zumindest teilweise und vorübergehend ausgeglichen werden.
        Der erste als Antidementivum in die Therapie eingeführte Acetylcholinesterasehemmer – Tacrin – verbesserte zwar signifikant die kognitive Funktionen, hatte jedoch ein erhebliches Nebenwirkungspotenzial (v.a. hepatotoxisch). Mit der Einführung nebenwirkunsärmerer Acetylcholinesterasehemmer wurde Tacrin in Deutschladn vom Markt genommen [
        291, 292].

        Drei Substanzen aus der Gruppe der Cholinesterasehemmer sind heute in Deutschland verfügbar, zu denen jeweils ein Cochrane-Review veröffentlicht wurde [72, 73, 74]. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass die Cholinesterasehemmer auf allen drei Ebenen wirken, dass aber Rückschlüsse auf die Lebensqualität der Patienten und Pflegenden und die Kosteneffektivität aus den bisher vorliegenden Daten nicht gezogen werden können. Bei den drei Substanzen handelt es sich um:


          Donepezil
          Donepezil z.B. Aricept® verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit (gemessen z.B. mit dem ADAS-cog oder dem
          MMST) bzw. verzögert die Progression der Demenz. Ein klinischer Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion ist nachgewiesen (gemessen z.B. mit dem IADL oder dem CIBIC plus). Einmal tägliche Gabe abends vor dem Schlafengehen, Anfangsdosis 5 mg/die, nach einmonatiger Gabe und positiver Beurteilung ist eine Dosissteigerung auf 10 mg möglich. Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall (in 10 - 17% der Fälle) sowie Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel (>5%) [51, 52, 72, 205, 349, 370, 371, 373, 374, 375].
          Hinweise zum Cytochrom-Metabolismus siehe
          Hintergrundinformationen.
          Keine Dosisreduktion bei leichter bis mittelschwerer Leber- oder Niereninsuffizienz notwendig.
          Responderraten aus einer Metaanalyse:
          s. Hintergrund


          Galantamin
          Galantamin z.B. Reminyl® verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit (gemessen z.B. mit dem ADAS-cog oder dem
          MMST) bzw. verzögert die Progression der Demenz. Ein klinischer Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion ist nachgewiesen (gemessen z.B. mit dem IADL oder dem CIBIC plus). Zweimal tägliche Gabe mit den Mahlzeiten, Anfangsdosis 2x4 mg/die über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen, dann Steigerung auf 2x8 mg/die ebenfalls über einen Zeitraum von 4 Wochen, Steigerung der Dosis auf 2x12 mg/die nach individueller Beurteilung möglich.
          Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, abdominelle Schmerzen, Dyspepsie (in 13 - 17% der Fälle) sowie Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen, Somnolenz und Gewichtsabnahme (>5%). Verhaltensänderungen einschließlich Agitation, Aggression und Halluzinationen wurden beobachtet [
          69, 70, 73, 92, 353, 369].
          Erhöhte Plasmaspiegel bei Leber- und Niereninsuffizienz, hier empfohlene Anfangsdosis einmal täglich 4 mg. Eine Gesamttagesdosis von 16 mg (2x8 mg) sollte bei diesen Patienten nicht überschritten werden. Kontraindiziert bei schwerer Leberfunktionsstörung (Child Pugh-Skala >9).
          Wechselwirkungen: Galantamin kann aufgrund der Cholinesterasehemmung die Wirkung von Muskelrelaxantien vom Succinylcholintyp verstärken. Wirkungsabschwächung von Anticholinergika.
          In zwei kanadischen Studien erhielten Personen mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (mild cognitive impairment) - also keiner manifesten Demenz - Galantamin oder Plazebo. In der Galantamin-Gruppe traten signifikant häufiger Todesfälle auf [
          425, 426].


          Rivastigmin
          Rivastigmin z.B. Exelon® verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit (gemessen z.B. mit dem ADAS-cog oder dem
          MMST) bzw. verzögert die Progression der Demenz. Ein klinischer Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion ist nachgewiesen (gemessen z.B. mit dem IADL oder dem CIBIC plus). Anfangsdosis 2x1,5 mg/die; die Einnahme sollte mit den Mahlzeiten erfolgen. Langsame Dosistitration (erste Steigerung nach frühestens 2 Wochen guter Verträglichkeit). Zweimal tägliche Gabe mit den Mahlzeiten, Erhaltungsdosis: Gesamttagesdosis in der Regel 6 - 12 mg. Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall (in 27 - 35% der Fälle) sowie Somnolenz, Agitiertheit, Verwirrtheit, Depressionen und Schlaflosigkeit (>5% d.F.) [53, 54, 55, 74, 86, 367, 368, 376]. Drei gut dokumentierte Fälle von Exazerbation einer Demenz sind beschrieben [289]. Aufgrund der Cholinesterasehemmung kann die Wirkung von Muskelrelaxantien vom Succinylcholintyp verstärkt werden; eine Wirkungsabschwächung kann bei Anticholinergika stattfinden.
          Eine Studie wies für Rivastigmin positive Effekte bei der Levy Body Demenz nach [
          184].


          Alle bisher veröffentlichten Leitlinien und Empfehlungen von deutschsprachigen und den meisten internationalen Fachgesellschaften empfehlen den Einsatz von Cholinersterasehemmern [
          113, 118, 125, 332, 339, 340, 343, 377, 394, 406, 424]. Ihr Einsatz wird jedoch zunehmend intensiv diskutiert:

          Während die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im Februar 2005 ihre eindeutigen Empfehlungen zum Einsatz von Cholinesterasehemmer wiederholt, hat das britische NICE-Institut am 1.3.2005 ein Diskussionspapier zum Update seiner Empfehlungen veröffentlicht [336, 424]. Darin wird der Einsatz von Cholinesterasehemmern nur noch für Patienten empfohlen, die

          1. bereits mit einem der drei Wirkstoffe therapiert werden oder
          2. sich in klinischen Studien befinden.

          Als Begründung werden Kosten-Nutzen-Erwägungen angeführt.

          An dieser Stelle sollen die unterschiedlichen Argumente und wissenschaftlichen Einschätzungen zur Anti-Dementiva Therapie kurz gefasst dargestellt werden.


          Argumente, die gegen eine Cholinesterasehemmertherapie sprechen:

        1. Bei den bisher veröffentlichten Studien wird die Relevanz der klinischen Endpunkte in Frage gestellt bzw. es werden Untersuchungen gefordert, die stärker auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen Bezug nehmen [343, 361, 362, 363, 364, 427].
        2. Die Nebenwirkungen können die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen [351].
        3. Die zugrunde liegenden Studien werden hinsichtlich ihrer Qualität kritisiert [361].
        4. Nur ein Teil der Demenzpatienten spricht auf eine Therapie mit Cholinesterasehemmer an [71, 72, 73].

        5. Argumente, die für eine Cholinesterasehemmertherapie sprechen:

        6. Im Vergleich zu Plazebo sind die Wirkungen der Cholinesterasehemmer signifikant nachweisbar; jedoch im Ausmaß begrenzt [72, 73, 74, 134, 349, 365].
        7. Die bisher publizierten Studien lassen eine durchschnittliche Verzögerung der Demenzprogression von mehreren Monaten erkennen [72, 73, 74, 134, 349].
        8. Vor allem Patienten, die positiv auf eine Therapie ansprechen - sog. Responder - profitieren von einer medikamentösen Therapie [72, 73, 74349].
        9. Die Nebenwirkungen sind durch eine einschleichende Therapie einzugrenzen [365].

        10. Unter folgenden Voraussetzungen erscheint eine Therapie(-fortsetzung) mit Cholinesterasehemmern sinnvoll:

        11. Die nichtmedikamentösen Therapieformen werden eingesetzt, die Therapie ist eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept (siehe 4.3.2.1).
        12. Die Patienten sind mit Cholinesterasehemmern eingestellt und sprechen gut auf die Therapie an.
        13. Vor der Neueinstellung erfolgt ein ausführliches Gespräch mit Patienten und Angehörigen.
        14. Es besteht ein deutlicher Therapiewunsch.
        15. Die Patienten werden engmaschig kontrolliert (Kontrolle 12-24 Wochen nach Therapiebeginn).
        16. Die Therapie wird abgebrochen, wenn die Patienten nicht auf die Therapie ansprechen bzw. Nebenwirkungen die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen (siehe 4.5.1.2).


      Tabelle 6: Dosierung, wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Arzneimittelinteraktionen [
      424]

      Acetylcholinestera sehemmer

      Tagesdosis

      Wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen

      Arzneimittel-
      interaktionen

       

      Donepezil
      Galantamin
      Rivastigmin

      5-10 mg
      8-24 mg
      3-12 mg
       

      Wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen
      Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Bradykardie, kardiale Erregungsleitungsstörung en, Blasenentleerungsstörung , neuropsychiatrische Symptome wie Schlaflosigkeit, selten Erregungszustände, aggressives Verhalten, Halluzinationen und Krampfanfälle; Vorsicht bei Patienten mit Prädisposition zu gastrointestinalen Ulzera, obstruktiven Lungenerkrankungen oder bradykarden Rhythmusstörungen*

      Verstärkung cholinerger Wirkkomponenten (einige Glaukom-Mittel), Abschwächung anticholinerger Wirkkomponenten möglich (z.B. von Antihistaminika, Antidepressiva), Bradykardieverstärkung von Betablockern und Digitalis, Erhöhung der Donepezilkonzentration durch Ketoconazol, Itraconazol, Erythromycin möglich, Verminderung der Donepezilkonzentration durch Enzyminduktoren wie Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Alkoholabusus
       

       

      *Eine vorsichtige Anwendung bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen und supraventrikulären Störungen der Erregungsleitung ist wegen des cholinmimetischen Effekts empfehlenswert (Aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkungsweise können Cholinomimetika vagotone Wirkungen auf die Herzfrequenz, z.B. eine Bradykardie haben).

      Daten zur Wirkung von Cholinesterasehemmern aus einer Metaanalyse: s. Hintergrund


        4.5.1.2 Kriterien für den Abbruch bzw. eine Fortsetzung der Therapie mit Cholinesterasehemmern

        Die Therapie mit Cholinesterasehemmern sollte beendet werden, wenn [188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195]:

        • die Nebenwirkungen den Patienten nachhaltig beeinträchtigen.
        • die Demenzsymptomatik nach 3 - 6 Monaten Therapiedauer in gleichem Ausmaß oder schneller zunimmt als vor der Behandlung bzw. sich akut verschlechtert.
        • eine medikamentenfreie Periode zeigt, dass die Medikamente nicht länger helfen.
        • die Patienten das Stadium der schweren Demenz erreichen (Mini-Mental-Test < 10).
        • die Patienten bettlägerig werden oder nicht mehr in der Lage sind zu kommunizieren.


        Für die Fortsetzung einer Therapie mit Cholinesterasehemmern spricht [
        188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195]:

        • die Demenzsymptomatik hat sich nach 3-6 Monaten Therapiedauer nicht verschlechtert (also kein weiterer Abfall der kognitiven und alltagspraktischen Fähigkeiten).
        • der Patient profitiert nach Einschätzung von Ärzten und Angehörigen von der Therapie.
        • unter einer engmaschigen Kontrolle treten keine oder nur vertretbare Nebenwirkungen auf.


        4.5.1.3 Memantine

        Der Wirkstoff Memantine ist in therapeutischer Dosierung ein selektiver, nichtkompetitiver N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)Rezeptorantagonist. Er wurde früher unter dem Namen Akatinol Memantine® für zerebral bedingte Bewegungsstörungen und bei Hirn-Leistungsstörungen, z.B. nach Schädel-Hirn-Trauma eingesetzt.

        Seit 2002 ist Memantine (z.B. Axura®, Ebixa®) in Deutschland zugelassen für die Therapie der mittelschweren bis schweren Alzheimer Demenz.
        Bei dieser Patientengruppe zeigten sich leichte Verbesserungen sowohl der Alltagsfähigkeiten als auch der kognitiven Leistungsfähigkeit [
        67, 141, 142, 143]. Auch eine reduzierte Pflegeabhängigkeit wurde in einer Studie beschrieben [67].

        In den Studien waren zum Teil Patienten mit vaskulären Demenzformen eingeschlossen, bei denen ebenfalls Verbesserungen beobachtet wurden [67, 143].

        Auch bei leichten Formen einer vaskulären Demenz wurde Memantine erfolgreich eingesetzt [144, 183].
        Ein Cochrane-Review kommt zu dem Ergebnis, dass Memantine nützlich sein kann bei der Therapie der Alzheimer- und vaskulären Demenz und Mischformen [
        145]. Die Studien seien aber relativ klein und der Beobachtungszeitraum nur sehr kurz gewesen [145].

        Einschleichende Dosierung, Beginn 5 mg/d, morgens Steigerung um 5 mg/Woche während der ersten 3 Behandlungswochen bis maximal 20 mg/die (2x täglich 10 mg). Die Nebenwirkungen sind dosisabhängig: Schwindel, innere und motorische Unruhe, Übererregbarkeit, Durchfall und Übelkeit, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Stürze, Husten.

        Wechselwirkungen: Keine Anwendung zusammen mit Ketamin, Amantadin, Dextromethorphan (Auslösung einer Psychose durch erhöhte Toxizität bei Wirkung am selben Enzymsystem).
        Wirkungsverstärkung sowie erhöhte Toxizität von Neuroleptika, Anticholinergika, L-Dopa und dopaminerger Agonisten, Wirkungsabschwächung von Barbituraten.

         

        Während die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im Februar 2005 ihre Empfehlungen zum Einsatz von Memantine wiederholt, hat das britische NICE-Institut am 1.3.2005 ein Diskussionspapier zum Update der Empfehlungen veröffentlicht [NICE, AKDÄ]. Darin wird der Einsatz von Memantine nur noch für Patienten empfohlen, die

        • bereits mit Memantine therapiert werden oder
        • sich in klinischen Studien befinden.

        Als Begründung werden Kosten-Nutzen-Erwägungen angeführt.

        Die therapeutischen Effekte von Memantine sind relativ umschrieben, gleichzeitig ist die Nebenwirkungsrate höher als unter einer Plazebo-Medikation. Auf Grund fehlender Alternativen erscheint ein Therapieansatz mit Memantine weiterhin gerechtfertigt. Voraussetzungen dafür sind

        • eine engmaschige Kontrolle der Patienten
        • ein Abbruch der Therapie beim Auftreten gravierender Nebenwirkungen.

        Eine Studie untersuchte den Einsatz von Memantine in Kombination mit dem Cholinesterasehemmer Donepezil. Es wurde gegen Plazebo und Donepezil verglichen. Es wurden kognitive Verbesserungen unter der Kombinationstherapie mit Memantine und Donepezil beobachtet [347]. Diese Verbesserung der kognitiven Effekte war jeodch weniger ausgeprägt als in einer früheren Studie, in der die Monotherapie mit Memantine untersucht wurde [141]. Damit fehlt bisher ein ausreichender Nachweis, ob mit den beiden unterschiedlichen Therapieprinzipien ein additiver Effekt möglich ist [345]. Es sind weitere Studien notwendig, um die Kombinationstherapie empfehlen zu können.


        4.5.2 Medikamentöse Therapie der vaskulären Demenz (DVT)

        Patienten mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte haben ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko, auch wenn der Schlaganfall klinisch unauffällig verlaufen ist (z.B. Zufallsbefund beim CT) [147, 203].


        4.5.2.1 Acetylsalicylsäure (ASS)

        Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®) kann zur Primär- und Sekundärprophylaxe von Mikro- bzw. Makroinfarkten eingesetzt werden [62, 63]. Es gibt bisher jedoch keine Daten, ob und inwieweit dies zu einer Verzögerung der Demenzprogression führt [71].
        Einmal tägliche Gabe, in der Regel 75 - 325 mg. Häufigste Nebenwirkungen sind gastrointestinale Symptome, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre und Blutungen v.a. gastrointestinal.

        Es existieren mittlerweile mehrere Studien, die zeigen, dass ASS im Low-dose-Bereich (50-150 mg/die) dieselbe Thrombozytenaggregation bewirkt und auch klinisch gleichermaßen wirksam ist, wie die Therapie im mittleren Dosisspektrum (300 – 500 mg/die), bei besserer Verträglichkeit (v.a. geringere Ulkusentstehung), aber mit der gleichen Häufigkeit von Blutungskomplikationen [63, 303, 304].


        4.5.2.2 Clopidogrel und weitere Thrombozytenaggregationshemmer

        In der so genannten CAPRIE-Studie wurde unter der Therapie mit Clopidogrel (z.B. Plavix®) ein vermindertes Schlaganfallrisiko gefunden [211].
        In der zur Zeit laufenden MATCH-Studie wird geprüft, ob unter der Therapie mit Clopidogrel  (z.B. Plavix®) kombiniert mit ASS die Inzidenz von Schlaganfällen weiter vermindert werden kann [
        210].
        Einmal tägliche Gabe, in der Regel 75 mg, häufigste Nebenwirkungen: Gastrointestinale Symptome, Blutungen.

        Die höchste Reduktion von Schlaganfällen wurde durch die Kombination ASS und Dipyridamol erreicht (37%ige Reduktion), welche mittlerweile als Kombinationspräparat (Aggrenox® = 25 mg ASS + 200 mg DP) vorliegt [212].

        Auch für Ticlopidin (z.B. Ticlyd®) gibt es verlässliche Daten für eine Reduktion von Schlaganfällen [213]. Aufgrund der z.T. schweren hämatologischen Nebenwirkungen des Ticlopidin (bis hin zu Aggranulozytose) sollte man von der Anwendung absehen, da es in Form von ASS, Clopidogrel (und Dipyridamol) genügend Alternativen gibt.

        Keine dieser Studien wurde mit dem klinischen Endpunkt Demenz durchgeführt.

        Antikoagulantien (Heparin, Warfarin, etc.), wie sie z.B. zur Primär- oder Sekundärprophylaxe eines Schlaganfalls bei Patienten mit Herzklappen eingesetzt werden, können in dieser Leitlinie nicht berücksichtigt werden.


        4.5.2.3 Pentoxifyllin

        Eine systematische Übersicht kam zu dem Ergebnis, dass Pentoxifyllin (z.B. Trental®) einen positiven Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten von Patienten mit einer vaskulären Demenz haben kann [196]. Diese eingeschlossenen Studien hätten jedoch qualitative Mängel und seien nur mit kleinen Fallzahlen durchgeführt worden [196].


        4.5.2.4 Cholinesterasehemmer und Memantine

        Präklinische Daten und erste klinische Studien weisen auf einen Benefit der Cholinesterasehemmer auch bei der vaskulären Demenz hin [204, 208, 209, 233].
        Die Patientenzahlen sind jedoch zu klein; weitere Studien sind nötig, um einen klinisch relevanten Nutzen zu belegen.Zu diesem Schluss kommt auch die Cochrane Collaboration in ihren systematischen Übersichtsarbeiten [
        145, 207, 428, 429].


        4.5.3 Medikamentöse Therapie gemischter Demenzformen

        Bei etlichen Studien wurden Patientenpopulationen, deren Demenzen als gemischt klassifiziert wurden, mit Cholinesterasehemmern oder Memantine therapiert [67, 70, 72, 73, 74, 143, 145, 205, 209]. Auch dort wurden Verbesserungen beobachtet [67, 143, 145, 205, 209]. Allerdings waren die Patientenzahlen zu klein, um Empfehlungen geben zu können.
        Die Cochrane Collaboration hat ein Protokoll initiiert, um dieser Frage nachzugehen [
        206, 207].


      4.6 Empfehlungen – medikamentöse Therapie der Demenz

       


      Therapie der leichten bis mittleren Alzheimer-Demenz
      Ein therapeutischer Nutzen sowohl für die kognitive Leistungsfähigkeit als auch für klinisch relevante und beobachtbare alltägliche Funktionen bei vertretbaren Nebenwirkungen ist lediglich für drei Medikamente belegt (A):

        Donepezil z.B. Aricept®: [51, 52, 72] (A)
        leichte Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. Verzögerung der Progression einer Demenz; positiver Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion

      • einmal tägliche Gabe, in der Regel 10 mg
      • häufigste Nebenwirkungen (in 10 - 17% der Fälle): Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel
      • CAVE: Über das Cytochrom P450 Isoenzym 3A4 (sowie in geringem Maße auch CYP 2D6) viele Medikamenteninteraktionen.
      • Galantamin z.B. Reminyl®: [69, 70, 73, 92] (A)
        leichte Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. Verzögerung der Progression einer Demenz; positiver Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion

      • zweimal tägliche Gabe, in der Regel 16 - 24 mg, Dosisanpassung bei Leber- und Niereninsuffizienz
      • häufigste Nebenwirkungen (in 13 - 17% der Fälle): Übelkeit, Erbrechen, Durchfall abdominelle Schmerzen, Dyspepsie sowie Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen, Somnolenz und Gewichtsabnahme (>5% d.F.)
      • Rivastigmin z.B. Exelon®: [53, 54, 55, 74, 86] (A)
        leichte Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. Verzögerung der Progression einer Demenz; positiver Einfluss auf Alltagsverhalten und -funktion

      • zweimal tägliche Gabe, Gesamttagesdosis in der Regel 6 - 12 mg
      • häufigste Nebenwirkungen (in 27 - 35% der Fälle): Übelkeit, Erbrechen, Durchfall sowie Somnolenz, Agitiertheit, Verwirrtheit, Depressionen und Schlaflosigkeit (>5% d.F.)
      • Argumente, die gegen eine Cholinesterasehemmertherapie sprechen:

      • Bei den bisher veröffentlichten Studien wird die Relevanz der klinischen Endpunkte in Frage gestellt bzw. es werden Untersuchungen gefordert, die stärker auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen Bezug nehmen [343, 361, 362, 363, 364, 427].
      • Die Nebenwirkungen können die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen [351].
      • Die zugrunde liegenden Studien werden hinsichtlich ihrer Qualität kritisiert [361].
      • Nur ein Teil der Demenzpatienten spricht auf eine Therapie mit Cholinesterasehemmer an [71, 72, 73].
      • Argumente, die für eine Cholinesterasehemmertherapie sprechen:

      • Im Vergleich zu Plazebo sind die Wirkungen der Cholinesterasehemmer signifikant nachweisbar; jedoch im Ausmaß begrenzt [72, 73, 74, 134, 349, 365].
      • Die bisher publizierten Studien lassen eine durchschnittliche Verzögerung der Demenzprogression von mehreren Monaten erkennen [72, 73, 74, 134, 349].
      • Vor allem Patienten, die positiv auf eine Therapie ansprechen - sog. Responder, profitieren von einer medikamentösen Therapie [72, 73, 74349].
      • Die Nebenwirkungen sind durch eine einschleichende Therapie einzugrenzen [365].
      • Unter folgenden Voraussetzungen erscheint eine Therapie(-fortsetzung) mit Cholinesterasehemmern sinnvoll:

      • Die nichtmedikamentösen Therapieformen werden eingesetzt und die Therapie ist eingebettet in ein multimodales Behandlungskonzept (siehe 4.3.2.1)
      • Die Patienten sind mit Cholinesterasehemmern eingestellt und sprechen gut auf die Therapie an
      • Vor der Neueinstellung erfolgt ein ausführliches Gespräch mit Patienten und Angehörigen
      • Es besteht ein starker Therapiewunsch
      • Die Patienten werden engmaschig kontrolliert (Kontrolle 12-24 Wochen nach Therapiebeginn)
      • Die Therapie wird abgebrochen, wenn die Patienten nicht auf die Therapie ansprechen bzw. Nebenwirkungen die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen (siehe 4.5.1.2).
      • Die Therapie mit Cholinesterasehemmern sollte beendet werden, wenn [188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195]:

        • die Nebenwirkungen den Patienten nachhaltig beeinträchtigen
        • die Demenzsymptomatik nach 3 - 6 Monaten Therapiedauer in gleichem Ausmaß oder schneller zunimmt als vor der Behandlung bzw. sich akut verschlechtert
        • eine medikamentenfreie Periode zeigt, dass die Medikamente nicht länger helfen
        • die Patienten das Stadium der schweren Demenz erreichen (Mini-Mental-Test < 10)
        • die Patienten bettlägerig werden oder nicht mehr in der Lage sind zu kommunizieren

        Für die Fortsetzung einer Therapie mit Cholinesterasehemmern spricht [188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195]:

        1. die Demenzsymptomatik hat sich nach 3-6 Monaten Therapiedauer nicht verschlechtert (also kein weiterer Abfall der kognitiven und alltagspraktischen Fähigkeiten)
        2. der Patient profitiert nach Einschätzung von Ärzten und Angehörigen von der Therapie
        3. unter einer engmaschigen Kontrolle treten keine oder nur vertretbare Nebenwirkungen auf

      Therapie der mittleren bis schweren Alzheimer-Demenz

        Memantin z.B. Axura®, Ebixa®: [67, 141, 142, 143] (A)
        positiver Einfluss auf Alltagsverhalten und –funktion, leichte Verbesserung der Kognition
        einschleichende Dosierung: 1. Woche bis 5 mg/die, 2. Woche bis 10 mg/die, 3. Woche bis 15mg/die, 4. Woche 20 mg/die (zweimal tägliche Gabe)
        bekannte Nebenwirkungen: Schwindel, innere und motorische Unruhe, Übererregbarkeit
        Wechselwirkungen mit: Ketamin, Amantadin, Dextromethorphan, Neuroleptika, Anticholinergika, L-Dopa und dopaminerger Agonisten (Wirkungsverstärkung, erhöhte Toxizität), Wirkungsabschwächung von Barbituraten.

        Patienten, die Memantine erhalten, sollten engmaschig überwacht werden (A). Beim Auftreten gravierender Nebenwirkungen ist das Medikament abzusetzen.


      Therapie der vaskulären Demenz

      Patienten nach einem Schlaganfall haben ein erhöhtes Demenzrisiko (B).
      Es ist bislang nicht erwiesen, dass die Sekundärprävention eines Schlaganfalls eine Demenz verhindert. Dennoch wird eine Sekundärprophylaxe empfohlen (C).

      Folgende Substanzen sind wirksam zur Sekundärprävention eines Schlaganfalls:

      • Acetylsalicylsäure z.B. Aspirin® [62, 63, 303, 304] (A)
        einmal tägliche Gabe, in der Regel 75 - 325 mg, Tendenz zu niedriger Dosierung
        häufigste Nebenwirkungen: Gastrointestinale Symptome, Blutungen
      • oder

      • Clopidogrel (z.B. Plavix®) [210, 211] (A)
        einmal tägliche Gabe, in der Regel 75 mg
        häufigste Nebenwirkungen: Gastrointestinale Symptome, Blutungen
      • Dipyridamol in Kombination mit ASS [212] (A)
        Kombination aus 50 mg Acetylsalicylsäure und 400 mg Dipyridamol als Gesamttagesdosis, verteilt auf zwei Einzelgaben. Häufigste Nebenwirkung: gastrointestinale Symptome, Blutungen

       


      4.7 Medikamente mit nicht ausreichender Wirkung auf Demenzkranke

      Es gibt eine Vielzahl von Medikamenten, die in der Therapie der Demenz eingesetzt werden, für die jedoch keine eindeutige Wirksamkeit im Sinne der EU-Richtlinie (s. 4.5) nachgewiesen ist (Verbesserung von Hirnleistungsfunktion und alltäglichen Fähigkeiten) oder deren Nebenwirkungsprofil ungünstig ist.


        4.7.1 Ginkgo biloba

        Ginkgo biloba (z. B. Tebonin®, Gingium®, Ginkobil®) konnte in einigen Studien eine Verbesserung der kognitiven Hirnleistungsfähigkeit erreichen, in anderen Studien nicht. Eine Verbesserung klinisch relevanter und beobachtbarer Funktionen ist ebenfalls nicht reproduzierbar nachgewiesen [56, 57, 93, 98, 104, 146].
        Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kam in ihren Therapieempfehlungen zur Demenz zu der Einschätzung, „dass keine Studienergebnisse vorliegen, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bezüglich der Parameter kognitive Defizite, Alltagsaktivität und klinisches Gesamtbild hinreichend belegen“ [
        104].
        Zu dieser Ansicht gelangen auch der Arzneiverordnungsreport und weitere internationale Leitlinien und Empfehlungen [
        50, 100, 105, 122].
        Die Autoren zweier Übersichten kommen zu dem Schluss, dass Ginkgo einen kleinen signifikanten Effekt auf die kognitiven Funktionen habe und bis auf seltene Blutungsereignisse kaum unerwünschte Arzneiwirkungen zeige, meist gastrointestinal. Es zeigten sich jedoch nur kleine und auch widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich des klinischen Gesamteindrucks und bei Funktionstests. Zudem wird die sehr unterschiedliche Qualität der zugrundeliegenden Studien erwähnt[
        106, 107].
        Die Ergebnisse der Studien erscheinen zu heterogen und sind teilweise methodisch angreifbar, so dass keine Empfehlung für Ginkgo bei Patienten mit Demenz abgegeben werden kann [
        56, 57, 93, 108, 109, 148].

        Ein Review der Cochrane Collaboration kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung [98]:
        Ginkgo biloba scheine sicher in der Anwendung und ohne gravierende Nebenwirkungen zu sein. Viele ältere Studien hätten lediglich eine kleine Fallzahl und seien methodisch unzureichend. Es zeige sich jedoch eine Tendenz zu einer Verbesserung der kognitiven Funktion und der Alltagsaktivitäten. Die Ergebnisse aus den drei größten modernen Studien seien inkonsistent, sodass weitere Studien notwendig wären, um positive Behandlungseffekte eindeutig zu identifizieren [
        98].

        „Die schon seit längerem beobachteten Blutungskomplikationen haben die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft dazu veranlasst, vor einem Gebrauch von Ginkgo-biloba-Extrakten insbesondere in Kombination mit Gerinnungshemmern oder Thrombozytenaggregationshemmer zu warnen [104, 110, 111].
        Da der Personenkreis für die Indikation Hirnleistungsschwäche und Thrombozytenaggregationshemmung jeweils vor allem ältere Patienten umfasst, muss mit dem potenziell gefährlichen Zusammentreffen beider Medikationen gerechnet werden.
        Somit ergibt sich die Notwendigkeit, vor der Verordnung von Acetylsalicylsäure oder anderen blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln den Patienten zu befragen, ob er als Selbstmedikation Ginkgo-biloba-Extrakte einnimmt. Vor einer Verordnung von Ginkgo-biloba-Extrakten sollte im Rahmen einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung eine eventuell erhöhte Blutungsneigung des Patienten, zum Beispiel ein Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom, bedacht werden. Zumindest ist unbedingt eine gezielte und gründliche Gerinnungsanamnese zu erheben.“ [
        104, 112].

        Eine Studie fand keine Verbesserung der Gehirnleistung bei gesunden älteren Personen (also Menschen ohne Zeichen einer Demenz oder Hirnleistungsstörung), sodass Ginkgo auch zur Prävention nicht empfohlen werden kann [103].

        Dreimal tägliche Gabe, Gesamtdosis in der Regel 120 - 240 mg.
        Nebenwirkungen: Störungen des Gastrointestinaltrakts, Blutungen, Kopfschmerzen.


        4.7.2 D-Cycloserin

        Das Antibiotikum D-Cycloserin (DCS) aus Streptomyces orchidaceus wirkt als kompetitiver Antagonist zum Zellwandbaustein D-Alanin (ein N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor-Agonist). Eine Metaanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz in der Demenzterapie nicht gerechtfertigt erscheint [149].


        4.7.3 Lecithin/Lezithin

        Lecithin wird häufig als meist freiverkäufliches Präparat zur Steigerung der Gedächtnisleistung angeboten. Lecithin stellt eine Hauptquelle von Cholin in Nahrungsmitteln dar, sodass eine mögliche positive Wirkung auf Demenzpatienten postuliert wurde. Dies konnte durch eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane-Collaboration nicht bestätigt werden. Vielmehr kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass aufgrund der mangelnden Evidenz der vorhandenen Studien keine Notwendigkeit für weitere Studien zu dieser Fragestellung bestehe [95].


        4.7.4 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID, NSAR)

        Eine Studie fand eine geringe Alzheimer-Inzidenz bei Patienten, die ein nichtsteroidales Antirheumatikum erhielten [187].
        Dies konnte eine randomisierte Studie nicht bestätigen. Dort verglichen die Autoren die Progression einer Alzheimer Erkrankung bei Patienten, die entweder Rofecoxib (ein selektiver COX-2-Hemmer), Naproxen oder ein Plazebo erhielten. Nach einem Jahr zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Krankheitsverlauf [
        186].

        Ein Cochrane Review zu Ibuprofen kommt zu dem Ergebnis, dass keine ausreichende Wirksamkeit von Ibuprofen bei der Alzheimer Demenz vorliegt und dass bei dem nicht unerheblichen Nebenwirkungsprofil (gastrointestinale Blutungen) noch der klinische Nachweis erbracht werden muss, dass ein nachweisbarer Benefit existiert [299].

        Ein weiteres Cochrane Review zu Indometacin und M. Alzheimer kommt zu dem Schluss, dass Indometacin nicht für die Behandlung der Alzheimer-Demenz empfohlen werden kann. Auch hier wird wieder auf das nicht unerhebliche Nebenwirkungsprofil hingewiesen [298].

        Eine aktuelle Studie fand keinen Unterschied zwischen Patienten mit leichten kognitiven Defiziten, die entweder Rofecoxib oder Plazebo erhielten, im Hinblick auf die Entwicklung einer manifesten Demenz [405].
        Eine gepoolte Metaanlyse konnte zeigen, dass die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika zu einem selteneren Auftreten einer Alzheimer Demenz führt  [
        366]. Da jedoch die Dosierungen unterschiedlich waren und auf Grund des erheblichen Nebenwirkungsprofils kann die prophylaktische Gabe von NSAR nach dem heutigen Stand des Wissens nicht empfohlen werden.


        4.7.5 Nimodipin

        Nimodipin wird für Demenzformen eingesetzt, die durch "vasospastische Durchblutungsstörungen" begünstigt werden. Auch hier gilt, dass weder für die kognitive Leistungsfähigkeit noch für die Verbesserung klinisch relevanter und beobachtbarer Funktionen überzeugende wissenschaftliche Studien vorliegen [65, 66]. Dreimal tägliche Gabe von 30 mg. Bekannte Nebenwirkungen: Schwindel- oder Schwächegefühl, Blutdrucksenkung, Brady- oder Tachykardie sowie gastrointestinale Beschwerden.
        Dosisreduktion bei schwerer Niereninsuffizienz erforderlich.
        CAVE: Wechselwirkungen über das Cytochrom p450 Isoenzym 2D6: Fluoxetin und Grapefruchtsaft erhöhen Nimodipinplasmaspiegel um bis zu 50%.


        4.7.6 Östrogen

        Eine Östrogentherapie bei postmenopausalen Frauen scheint ein erhöhtes Risiko für eine Alzheimer Demenz zu implizieren [166, 270]. Diese Daten stehen im Widerspruch zu einer älteren Metaanalyse, die ein verringertes Risiko gefunden hat [269]. Wegen der unerwünschten Wirkungen (erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mamma-Karzinoms u.a.) kann ihr Einsatz zur Demenzprophylaxe nach dem heutigen Stand des Wissens nicht empfohlen werden [273, 274].


        4.7.7 Piracetam

        Dem Medikament wird eine Verbesserung der zerebralen Durchblutung zugeschrieben. Weder für die kognitive Leistungsfähigkeit noch für die Verbesserung klinisch relevanter und beobachtbarer Funktionen liegen überzeugende wissenschaftliche Studien vor [64].
        Dreimal tägliche Gabe von 800 mg, maximale Tagesdosis: 4800 mg. Bekannte Nebenwirkungen sind: psychomotorische Unruhe, Schlafstörungen, gastrointestinale Beschwerden, Depression, Angst sowie Aggressivität.


        4.7.8 Sekalealkaloide

        Sekalealkaloide sind Derivate des Mutterpilzes (Claviceps purpurea). Besonders dem Dihydroergotoxin (Hydergin) wird eine Steigerung der kognitiven Funktionen im höheren Lebensalter zugeschrieben. Dazu existieren placebo-kontrollierte Studien an Patienten mit Demenz, wobei mehrfach statistisch signifikante Ergebnisse beobachtet wurden [100, 102]. Allerdings wiesen diese Studien meist nur kleine Patientenzahlen auf, und es ist nach wie vor umstritten, ob das Ausmaß der beobachteten Verbesserungen eine klinisch relevante therapeutische Wirksamkeit belegen kann [100, 102]. Das vormalige Bundesgesundheitsamt hatte Dihydroergotoxin nur noch als unterstützende Maßnahme bei hirnorganischem Psychosyndrom mit den Leitsymptomen Niedergeschlagenheit, Schwindel, Verwirrtheit und Verhaltensstörungen zugelassen. Bei Alzheimerpatienten wurden mit Dihydroergotoxin keine signifikanten Effekte erzielt [101].


        4.7.9 Selegelin

        Der Wirkstoff Selegelin wird zur Behandlung der Parkinsonkrankheit eingesetzt. Es gibt einige Studien, die positive Effekte auf die kognitive Funktion von Demenzpatienten zeigen konnten, andere Studien konnten dies nicht bestätigen [58]. Zwei Metaanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Evidenz nicht ausreicht, um Selegelin für die Therapie der Demenz zum jetzigen Zeitpunkt empfehlen zu können [97, 148].


        4.7.10 Statine

        Ein vaskuläres Risikoprofil inklusive einer Hypercholesterinämie gilt als potentieller Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz [147, 167, 168, 169].
        Eine Medikation mit Statinen scheint deshalb unter biologischen und epidemiologischen Aspekten sinnvoll zu sein [
        158, 159].

        In einer Fall-Kontroll-Studie mit über 61000 Patienten hatten die Probanden, die Statine zu sich nahmen, ein um 70% reduziertes Demenzrisiko [157].
        In einer anderen groß angelegten Studie zur Koronarprävention (PROSPER) hatte die Statingabe jedoch keinen Einfluss auf die kognitiven Funktionen der Patienten [
        153].

        Bisher existieren keine randomisierten Studien, die bezüglich des Endpunkts „Demenz“ durchgeführt worden sind. Zum heutigen Zeitpunkt können Statine zur Prävention der Demenz deshalb nicht empfohlen werden [96].

        Zur Prävention eines ersten Schlaganfalls scheinen Statine effektiv zu sein, nicht jedoch für die Verhinderung weiterer Schlaganfälle [160, 161].


        4.7.11 Vinpocetine

        Vinpocetine, einem Vinka-Alkaloid, werden positive Effekte bei der Demenz zugesprochen. Dies konnte in einem Cochrane Review nicht verifiziert werden: eine messbare Verbesserung einer Demenz sei aus den bisher vorliegenden Daten nicht abzuleiten [300].


        4.7.12 Vitamine


        4.7.12.1 Vitamin E (Tokopherol/Tocopherol)
        Vitamin E verzögert die Progression der Demenz, eine Verbesserung klinisch relevanter und beobachtbarer Funktionen ist bislang nicht nachgewiesen, ebenso wenig eine Verbesserung der Hirnleistungsfähigkeit. Dreimal tägliche Gabe, Gesamtdosis in der Regel 2000 IU. Häufigste Nebenwirkungen: Stürze (14%) und Synkopen (7%) [
        58, 296].

        Eine Studie an 242 Patienten kommt zu dem Ergebnis, dass Vitamin C, Vitamin E und die Karotinoide (Carotinoide) zu keinerlei Senkung des Demenz-Risikos führen [297].

        Eine retrospektive Studie fand einen Benefit für die Kombination aus Vitamin E und Donepezil bei Patienten mit Alzheimer Demenz [408].
        Eine aktuelle randomisierte Studie bei Patienten mit kognitiven Defiziten verglich Patienten mit Donepezil, Vitamin E und Plazebo [
        402]. Während unter Donepezil die Entwicklung einer manifesten Demenz signifikant verzögert war, konnte dieser Effekt in der Vitamin E-Gruppe nicht beobachtet werden [402]. Das Editorial kommt zu dem Schluss, das die Gabe von Vitamin E keine sinnvolle Therapie zur eine Verzögerung einer Demenz darstellt [401].
         


        4.7.12.2 Vitamin B1 (Thiamin)
        Eine systematische Übersicht kommt zu dem Ergebnis, dass keine adäquaten Studien vorliegen, die den Einsatz rechtfertigen würden [
        150].


        4.7.12.3 Vitamin B6 (Pyridoxin) / Vitamin B12 (Kobalamin/Cobalamin) /
                     Folsäure (Pteroylglutaminsäure/Vitamin Bc)
        Ein erhöhter Homocyteinspiegel korreliert mit einem erhöhten Demenzrisiko [
        156, 165]. Mit der supportiven Gabe von Folsäure und in einem geringeren Maße auch der Vitamine B12 und B6 konnten die Homocyteinspiegel signifikant gesenkt werden [152, 154, 155, 162, 163, 164].
        Bisher fehlen jedoch Studien, die nachweisen, dass die Gabe der B-Vitamine einen protektiven Effekt bezüglich vaskulärer Endpunkte oder einer Demenz darstellt [
        151].
        Im Gegenteil berichtet eine aktuelle Studie von einer kognitiven Verschlechterung bei älteren Menschen unter der supportiven Gabe von Vitamin B12 [
        407].


      4.8 Empfehlungen – Medikamente mit nicht ausreichender Wirkung auf Demenzkranke

       

      Für folgende Medikamente liegen unzureichende oder widersprüchliche Daten vor bzw. die Wirksamkeit konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden:

      • Ginkgo biloba [56, 57, 93, 98, 104, 146] (A)
      • D-Cycloserin [149] (A)
      • Lecithin [95] (A)
      • Nichtsteroidale Antirheumatika [186, 298, 299] (A)
      • Nimodipin [65, 66] (A)
      • Östrogene [166, 270] (B)
      • Piracetam [64] (A)
      • Sekalealkaloide [102] (A)
      • Selegilin [97, 148] [A]
      • Statine  [96] (B)
      • Vinpocetine [300] (A)
      • Vitamine [58] (B)

       


    5. Besonderheiten


      5.1 Nichtkognitive Störungen bei der Demenz

      Das klinische Erscheinungsbild speziell der Alzheimer Demenz ist nicht nur durch das Nachlassen der kognitiven Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Häufig treten Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen – also nichtkognitive Störungen – auf und beeinträchtigen die Lebensqualität sowohl der Patienten als auch ihrer Angehörigen (BPSD = Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia) [7, 82, 84, 266, 268].
      Über 90% der Demenzkranken entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung psychische Begleitsymptome [
      7, 228]. Dies gilt insbesondere für Langzeitpatienten, die in einem Heim untergebracht sind.
      Andererseits sind diese Symptome häufig der eigentliche Grund für die Heimunterbringung [
      180, 181].

      Die häufigsten nichtkognitiven Symptome sind [182, 268]:

      • Unruhe, Agitiertheit
      • Aggressivität
      • wahnhafte Überzeugungen
      • Halluzinationen
      • Depression

      In der ärztlichen Betreuung sollte besonders auf potentiell auslösende Faktoren geachtet werden: Medikamente, somatische Begleiterkrankungen, Schmerzen, Veränderung der Umgebung, Alleinsein oder Reizüberflutung durch die Anwesenheit vieler Menschen.
      Die Beobachtung und Dokumentation von auslösenden Reizen und ihrer Folgesymptome kann dazu beitragen, die Häufigkeit und das Ausmaß psychischer Begleitsymptome zu vermindern.

      Leichte Fälle von Agitation sind häufig selbstlimitierend, oft reichen einfach gesprochene Handlungsanweisungen aus, um die Patienten zu beruhigen [124].

      Für die Therapie nichtkognitiver Störungen empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen in drei Schritten [48, 122, 124, 268, 271]:

      1. Optimale Versorgung und qualitativ hochwertige Pflege, dazu zählen z.B.:

      • eine gute Organisation und Strukturierung des Tagesablaufs
      • soziale Interaktionen mit den Patienten
      • Stimulierung und Aktivierung der Patienten

      2. Nichtmedikamentöse Interventionen (sollten immer vor Medikamenten genutzt werden!) wie z.B.:

      • das Trainieren von simplen alltäglichen Fertigkeiten [41, 42, 43]
      • z.B. eine Realitätsorientierungstherapie. Es konnte eine Verbesserung gegenüber unbehandelten Patienten nachgewiesen werden [243, 244, 377].
      • weitere Möglichkeiten (siehe Tabelle 5)

      3. Medikamentöse Interventionen (nur wenn andere Maßnahmen versagt haben!), z.B.:

      • die Therapie aggressiver Verhaltensweisen mit Neuroleptika (s.u.)

      Die Evidenzbasis für eindeutige Empfehlungen einer Pharmakotherapie von nichtkognitiven Störungen ist schmal [84, 228]. Es liegen nur wenige qualitativ hochwertige Arbeiten vor und die meisten wissenschaftlichen Studien wurden mit kleinen Fallzahlen und einem inhomogenen Patientengut durchgeführt [45, 50, 90, 91, 228]. Da es bereits bei der Plazebogabe häufig zu Verbesserungen kommt, sind plazebo-kontrollierte Studien zu bevorzugen [45, 124, 228].
      Eine sorgfältige Nutzen- / Risikoabwägung ist nötig, da Demenzpatienten häufig mit Nebenwirkungen reagieren: Parkinsonismus, erhöhte Sturzneigung, übermäßige Sedierung, Spätdyskinesien und eine Lagerungshypotension sind die häufigsten.  
      Nur wenn andere Maßnahmen versagen, sollte medikamentös therapiert werden. Oft werden Medikamente zu früh eingesetzt, insbesondere Benzodiazepine [
      179]. Es gibt bisher keine randomisiert-kontrollierten Studien mit Benzodiazepinen zu diesem Indikationsgebiet.

      Eine randomisierte Studie fand keinen Unterschied zwischen der Gabe von Haloperidol, Trazodon, Plazebo und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen [17]. Allesamt führten zu einer leichten Verbesserung der nichtkognitiven Symptome [17].]. Allerdings war die Fallzahl möglicherweise zu gering, um einen signifikanten Unterschied abbilden zu können [377].

      Die Ergebnisse für Valproat (Valproinsäure) sind widersprüchlich; die Substanz kann deshalb nicht empfohlen werden [377].
      Viele der in Frage kommenden Medikamente können einen negativen Einfluss auf die Demenzsymptomatik haben, so dass eine individuelle Einschätzung und Abwägung von Wirkungen und Nebenwirkungen des jeweiligen Medikamentes besonders wichtig ist [
      50, 132]. U.U. wird sogar das Risiko für eine Lewy-Body Demenz erhöht [133].
      Eine Metaanalyse fand eine geringe Verbesserung der nichtkognitiven Demenzsymptome bei Einsatz von Cholinesterasehemmern [
      134]. Weitere Studien kamen zum Teil zu widersprüchlichen Ergebnissen [377]. Der Einsatz von Cholinesterasehemmern nur zur Verbesserung der nichtkognitiven Symtpome kann nach dem heutigen Wissensstand nicht empfohlen werden.

      Die meisten Studien wurden mit atypischen Neuroleptika durchgeführt [39, 47,136].
      Das Beenden einer Therapie mit Neuroleptika kann erfolgreich sein und führt nicht automatisch zu einem erneuten Auftreten der nichtkognitiven Symptome [
      232].

      Folgende Grundregeln sollten für den Einsatz von Medikamenten gelten:

      • Insbesondere bei älteren Patienten sollte mit einer niedrigen Anfangsdosis begonnen und dann ggf. langsam gesteigert werden. Zu beachten ist die verminderte Kreatinin-Clearance bei älteren Patienten (s. Hintergrundinformationen Kreatinin ).
      • Vor einer Dosissteigerung bzw. einem Medikamentenwechsel sollte ein angemessener Beobachtungs- und Beurteilungszeitraum liegen.
      • Nach erfolgreicher Besserung einer Begleitsymptomatik sollte die Notwendigkeit einer fortdauernden Therapie regelmäßig überprüft werden [44, 232].
      • Bei ausbleibenden therapeutischen Effekten bzw. komplizierten Verläufen und vor dem Einsatz von Medikamenten, mit denen bisher keine eigenen Erfahrungen vorliegen, sollte der Rat von erfahrenen Kollegen bzw. Experten eingeholt werden.
      • Die oft vielfältigen Medikamenteninteraktionen sollten bedacht werden, da diese auch bei therapeutischer Dosis zu schweren Arzneimittelreaktionen führen können, z.B. zu einem psychotischen Syndrom durch die Interaktion zwischen Memantine und Ketanest.

      Für eine exemplarische Medikamentenempfehlung, aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Präparate, werden drei Begleitsymptomkomplexe unterschieden, die in der Praxis oft ineinander übergehen oder gleichzeitig auftreten.


        5.1.1 Agitation, Aggression oder Psychose bei Demenzkranken

        Für die Therapie einer agitierten, aggressiven oder psychotischen Symptomatik kommen in erster Linie Neuroleptika (cave: Extrapyramidal-Symptomatik) oder Antidepressiva mit antriebsmindernder Komponente (nicht bei Psychose) in Betracht [17, 39, 45, 46, 47, 48, 84, 88, 124, 136]. Obwohl die Überlegenheit der neueren atypischen Neuroleptika nicht erwiesen ist, existieren einige gute Studien, die deren Einsatz bei Demenzpatienten gerechtfertigt erscheinen lassen [39, 45, 46, 47, 86, 88, 135, 136].
        Für Risperidon (z.B. Risperdal®) konnte die Wirksamkeit in der Therapie von aggressiven und psychotischen Symptomen bei Demenzpatienten in randomisierten Studien nachgewiesen werden [
        39, 47, 88, 126, 253]. Es ist für diese Indikation in Deutschland zugelassen. In den Zulassungsstudien wurde ein leicht erhöhtes Risiko für Schlaganfälle gefunden [173].

        Auch für Olanzapin (z.B. Zyprexa®) existiert eine randomisierte Studie, die die Wirksamkeit bei Demenzpatienten belegt [136]. Auch bei der Lewy-Body-Demenz wurde der Wirkstoff erfolgreich eingesetzt [176].

        Vier Studien verglichen Olanzapin und Risperidon [174, 301, 302, 409]. Eine randomisierte doppelblinde Studie mit sehr kleiner Fallzahl (n=39) fand keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Substanzen [302]. Eine nicht-randomisierte Studie mit größerer Fallzahl (n=730) identifizierte in der Olanzapin-Gruppe eine höhere Fallneigung und einen höheren Laxantiengebrauch [301].
        Eine Fall-Kontroll-Studie fand unter der Therapie mit Olanzapin vermehrt Hyperglykämien und ein erhöhtes Diabetesrisiko [
        174]. Eine randomisierte Studie über sechs Wochen fand bei Olanzapin eine erhöhte anticholinerge Aktivität im Vergleich zu Risperidon [409].

        Für Citalopram, Carbamazepin und Tiaprid konnten positive Effekte in (kleinen) randomisierten Studien nachgewiesen werden [214, 217, 218, 219].

        Laut einer systematischen Übersichtsarbeit kann Haloperidol hilfreich bei der Kontrolle von aggressiven Verhaltensweisen sein, weist jedoch ein erhebliches Nebenwirkungspotential auf [256]. Aus diesem Grund sollte Haloperidol nicht routinemäßig bei Demenzpatienten eingesetzt werden [256, 377].

        2004 und 2005 wurde durch „Rote Hand“-Briefe der Hersteller von Risperidon und Olanzapin und die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) nachdrücklich auf das erhöhte Schlaganfallrisiko von Demenzpatienten hingewiesen, die diese Substanzen erhalten [352, 358].

        Zwei retrospektive Kohortenstudien fanden keine erhöhte Inzidenz von Schlaganfällen bei Patienten mit atypischen Neuroleptika im Vergleich zu konventionellen Neuroleptika [348, 357].
        Eine systematische Übersicht fand eine leichte therapeutische Überlegenheit der atypischen Neuroleptika im Vergleich zu klassischen Neuroleptika bei gleichem Nebenwirkungsprofil [
        356].
        Eine weitere systematische Übersicht beschrieb ebenfalls die beste Effektivität von Olanzapin und Risperidon, weist aber ausdrücklich auf die erhöhte Inzidenz von Schlaganfällen hin [
        355].

        Einige Therapieoptionen sind in der Tabelle 6 dargestellt.


        Tabelle 7: Medikamente zur Behandlung von psychotischen Symptomen bei Demenzpatienten

        Wirk-
        stoff

        Name

        Gruppe

        Tages-
        dosis

        Nieren- und Leber-
        funktion

        Beson-
        der
        heiten

        Zu
        lass ung *1

        Evi-
        denz

        Stud
        ien

         

        Risper idon

        z.B. Risper -dal

        Benzi-
        soxazol, niedrig-
        potentes atyp-
        isches Neurol-
        eptikum

        0,5-1,0 mg, max. 2 mg, *2
        Beginn mit
        2  x 0,25 mg
        über 1,5 mg verstärkt EPS *3

        Dosis
        anpassung bei Leber- und Nieren
        insuffizienz

        neuro-
        vaskulär e NW

         ja

        A (Ib)

        [39, 47, 88, 173, 253]

         

        Olan-
        zapin

        z.B. Zyp-
        rexa

        atyp-
        isches Neurol-
        eptikum

        5-10 mg, Ver-
        schlechter-
        ung der Symptome ab 15 mg

        Vorsicht bei Leber- und Nieren
        insuffizienz

        neuro-
        vaskulär e NW

        nein

        A (Ib)

        [136, 174, 176]

         

        Citalo-
        pram

        z.B. Cipra-
        mil

        selektiver Sero-
        tonin-
        Wieder-
        auf-
        nahme-
        hemmer

        (10-40 mg)
        20 mg bei älteren Patienten

        Bei Leber-
        funktions-
        störungen nicht mehr als 30 mg/d
        Bei leichter Nieren-
        insuff. keine Dosis-
        anpassung erforderlich

         

        nein

        A (Ib)

        [214, 215]

         

        Carba maze pin

        z.B. Tegre-
        tal, Timoni l

        Anti-
        epilep-
        tikum

        i.d.R. 100-400 mg
        in 1-2 Tages-
        dosen *1 ggf. erhöhen auf 800 mg/d
        (3-4xtgl 200 mg), Spiegel-
        bestimmung
        Bei älteren Patienten, Herz-Kreis-
        laufer-
        krankung niedriger dosieren

        Niedriger dosieren bei Leber- und Nieren-
        insuffizienz

        NW: Gang-
        störung en, Schwin del, ERBS, bei älteren Pat. Unruhe und Agitierth eit
        CAVE: schwere toxisch e Haut-
        reaktion en

        nein

        A (Ib)

        [217]

         

        Tia
        prid

        z.B. Tiaprid -ex

        Neurol-
        eptikum
        Anti-
        Parkin-
        son-
        Medi-
        kament

        300 mg

        Anpass-
        ung bei Nieren-
        insuffizienz

        EPS*3

        nein

        A (Ib)

        [218, 219]

         

        Queti apin

        z.B. Sero-
        quel

        atypisch- es Neurol-
        eptikum

        i.d.R. 300-450 mg *2, Startdosis 50 mg/d,
        Maximaldosis 750 mg
        Bei älteren Patienten 30-50% niedrigere Dosis

        Dosisreduktio n bei Lebererkrank ungen

        Orthost atische Hypoton ie Spät-
        dyskin-
        esien.
        CAVE Wechse lwirkung en über CYP 3A4,
        Keine Einnah me mit Grapefr uchtsaft

        nein

        C

         

         

        Pipam
        peron

        z.B. Dipi-
        peron

        Butyr-
        ophe-
        non

        40-360 mg *2
        ältere Patienten benötigen niedrigere Dosen

         

        EPS, Nicht bei Hirn-
        stamm-
        erkrank-
        ungen,
        z.B. M. Parkins on anwend en

        nein

        C

         

         

        Melpe ron

        z.B. Euner-
        pan

        Butyro-
        phenon

        25-150 mg
        *2 Maximaldosis 375 mg/d

        Kontra-
        indiziert bei schwerer Leberinsuff.

        cave EPS
        ortho-
        statisch e Dysregu l-
        ation

        nein

        C

         

         

        Halop eridol

        z.B. Haldol

        Butyro-
        phenon
        Dopamin- Anta-
        gonist

         0,5-5 mg
        *2
        bei älteren Patienten v.a. mit Hirnleist-
        ungs-
        störungen niedrigere Dosen (0,5 – 1,5mg)

        Vorsicht bei Leber- und Nieren-
        insuffizienz

        EPS*3
        Hypoten -
        sion
        Störung der Erregun gsleitun g des Herzens v.a. bei älteren Patiente n

        nein

        C

         

         

        *1 zugelassen für diese Indikation in Deutschland
        *2 einschleichend dosieren und individuelle Dosisfindung durch langsame Dosistitration
        *3 EPS = Extrapyramidale Symptome

        Für die Neuroleptika gilt: Hochpotente Neuroleptika werden niedrig dosiert, niedrigpotente wirken eher sedierend.

        Benzodiazepine wie Oxazepam (z.B. Adumbran) sollten wegen der verlängerten Halbwertzeit (bei Gesunden ca. 6 Std.) nicht eingesetzt werden [124].


        5.1.2 Schlafstörungen bei Demenzkranken

        In der Therapie der Schlafstörungen sind Einschlaf- von Durchschlafstörungen und frühem Aufwachen zu unterscheiden. Randomisierte Studien für Demenzpatienten fehlen.

        Leicht sedierende (niedrigpotente) Neuroleptika (z.B. Pipamperon oder Melperon) oder Antidepressiva mit geringer anticholinerger Komponente (z.B. Trazodon oder Mirtazapin) können – niedrig dosiert – für die Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden [82].
        Zu bevorzugen sind die kurzwirksamen, atypischen Substanzen (z.B. Zopiclon oder Zolpidem) [
        175].
        Bei den Benzodiazepinen ist die im Alter oft verlängerte Halbwertzeit zu berücksichtigen; auf Grund der Nebenwirkungen sollte auf diese Substanzen nach Möglichkeit verzichtet werden.


        Tabelle 8: Medikamente zur Behandlung von Schlafstörungen bei Demenzpatienten

        Wirk
        stoff

        Handels name
        (n)

        Substa nz-
        gruppe

        Dosierung [mg/Tage]

        Nieren- und Leber-
        funktion

        Evi
        denz

        Zulassung für diese Indikation in Deutsch-
        land

         

        Zopiclon

        z.B. Ximovan

        Sedativ um (atypisc hes Benzodi a-
        zepin)

        7,5
        ältere Patienten und bei Nieren-
        insuffizienz 3,75 mg dann ggf. vorsichtig steigern

        Dosisanpas sung bei Nierninsuff., kontraindizie rt bei schwerer Leberinsuff.

        C

        Nein
        Toleranzentwick
        lung, Abhängigkeit, Rebound-Phäno men
        -> nur Kurzzeit
        behandlung

         

        Zolpidem

        z.B. Stilnox, Bikalm

        Sedativ um (atypisc hes Benzodi a-
        zepin)

        10
        bei älteren Patienten und bei Leberinsuffiz-
        ienz 5 mg

         

        C

        Nein
        Toleranzentwick
        lung, Abhängigkeit, Rebound-Phäno
        men
        -> nur Kurzzeit-
        behand-
        lung

         

        Mirtazapin

        z.B. Remergil

        tetra-
        zyklisch es Antidepr essiv-
        um

        15-45 *1
        CAVE Medikament-
        eninteraktione n über das Cytochrom p450 System (CYP 3A4, 2D6 und CYP 1A2)

        CAVE bei Leber- und Niereninsuffi zienz

        C

        Nein

         

        Trazodon

        z.B. Thombra n

        Hetero-
        zyklisch es Antidepr essiv-
        um

        150-250*1
        Beginnend mit 100mg
        Ältere Patienten benötigen deutlich niedrigere Dosen

         

        C

        Nein (Cave bei Herz-
        rhythmus-
        störungen und Herzinsuf-
        fizienz!)

         

        Melperon

        z.B. Eunerpa n

        Butyrop henon

        40-375*1

         

        C

        Nein
        cave EPS

         

        Pipam
        peron

        z.B. Dipipero n

        Butyrop henon

        25-150 *1
        ältere Patienten benötigen niedrigere Dosen

         

        C

        Nein
        Nicht bei M.Parkin-
        son anwenden oder anderen Hirn-
        stamm-
        erkrank-
        ungen

         

        *1 einschleichend dosieren und individuelle Dosisfindung durch langsame Dosistitration


        5.1.3  Depression bei Demenzkranken

        Leichte depressive Verstimmungen sollten zunächst nichtmedikamentös behandelt werden [44]. Für schwere Depressionen kommen vor allem die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer in Betracht. Von dem Einsatz von trizyklischen Antidepressiva ist aufgrund ihrer anticholinergischen Komponente abzuraten: sie können zu einer Verschlechterung der Demenzsymptomatik beitragen [89].


        Tabelle 9: Medikamente zur Behandlung von Depressionen bei Demenzpatienten

        Wirkstoff

        Handels -
        name(n)

        Substanz -gruppe

        Dosierung

        Evid- enz

        Kommentar

         

         

        Citalopram

        z.B. Cipramil

        selektiver Serotonin -Wieder-
        aufnahme -
        hemmer

        10-40 mg
        bei älteren Patienten 20 mg
        siehe oben

        A

        [214, 215]
        Interaktionen mit MAO-Hemmern, Selegilin, Alkohol streng kontraindiziert

         

         

        Sertralin

        z.B. Gladem, Zoloft

        Antidepre -
        ssivum
        selektiver Serotonin wiederauf-
        nahme-
        hemmer (SSRI)

        25-100 mg max. 200 mg *1
        Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
        KEINE bei Niereninsuff.

        C

        Interaktionen mit MAO-Hemmern, Selegilin, Pimozid

         

         

        Moclobemi d

        z.B. Aurorix

        MAO-
        Hemmer

        300-600 mg*1
        Keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
        Bei Leberinsuffizienz Dosisreduktion um 50-70%

        C

        Keine Kombination mit Selegilin und SSRI und anderen serotoninerg wirkenden Substanzen

        Durch Cimetidin wird Metabolisierung verzögert -> Dosisreduktion

         

         

        Sulpirid

        z.B. Dogmatil , Meresa

        Neurol-
        eptikum (Dopamin -
        antago-
        nist)

        Anfangsdosis 50-150 mg
        Erhaltungsdosis 150 – 300 mg *1

        Bei älteren Patienten Dosisreduktion um 50%
        Bei Niereninsuffizienz Dosisreduktion wie lt. Fachinformation vorgegeben

        C

        kontraindiziert bei M. Parkinson!  
        Siehe Gegenanzeigen:“darf nicht angewendet werden bei hirnorganischen Krankheiten, insbesondere des Alters, die mit Erregungszuständen einhergehen“!!!!

         

         

        Paroxetin

        z.B. Seroxat, Paroxat

        selektiver Serotonin -
        wiederauf-
        nahme-
        hemmer

        20-60 mg*1
        bei älteren Patienten max. 40mg Einnahme mit dem Frühstück
        Vorsicht bei schwerer Leber- und Niereninsuffizienz

        C

        cave: CYC P450- CYP 2D6 Interaktionen (z.B. trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika vom Phenothiazintyp, Metoprolol, Typ Ic-Antiarrhythmika)

        Keine Einnahme mit MAO-Hemmern,

         

         

        Trazodon

        z.B. Thom-
        bran

        hetero-
        zyklisch-
        es (atypisch-
        es) Antide-
        pressivum

        150-400 mg *1
        in Ausnahmefällen unter klinischer Beobachtung 600 mg
        ältere Patienten benötigen deutlich niedrigere Dosen

        C

        ja (Zugelassen für Depressionen jeglicher Nosologie) Cave bei Herzrhythmusstör. und Herzinsuffizienz!

         

         

        Mianserin

        div. Generika

        Pyrazin-
        oazepin-
        Derivat

        30-60 mg max. 90 mg) *1
        Kontraindiziert bei schwerer Lebererkrankung;
        Vorsicht bei leichter bis mittlerer Leberinsuff., Niereninsuffizienz, vorangegangenen Herzinfarkt und älteren Patienten; hier regelmäßige Kontrolluntersuch ungen und Dosisanpassunge n

        C

        Keine Anwendung mit MAO-Hemmern

        CAVE: z.T. schwere Blutbildveränderungen

         

         

        Fluvoxamin

        z.B. Fevarin

        selektiver Serotonin -
        wiederauf-
        nahmehe mmer

        50-150 mg (Max 300mg) *1
        Bei Leber- und Niereninsuffizienz niedrigere Startdosis, langsame Steigerung

        C

        Keine Anwendung mit MAO-Hemmern

        Medikamenteninterakti onen über Cytochrom p450 1A2 (z.B. trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika, Tacrin, Theophyllin, Warfarin) und gering auch CYP 3A4 und CYP2D6

         

         

        Mirtazapin

        z.B. Remergil

        tetrazykli-
        sches Antide-
        pressivum

        15-45 mg*1
        Anmerkungen siehe oben

        C

        stark sedierend, Sturzgefahr

         

         

        Reboxetin

        z.B. Solvex

        Noradren-
        alin-
        Reuptake - Hemmer

        4-8 mg (maximal 12 mg)
        für ältere Patienten nicht empfohlen,da keine Plazebo-kontrollie rten Studien vorliegen (Fachinformation)
        Vorsicht bei Leber- und Niereninsuffizienz

        C

        Wechselwirkungen über CYP 3A4, keine Gabe mit CYP 3A4 Inhibitoren

        Keine Anwendung mit MAO-Hemmern

         

         

        Modifiziert nach [182]
        *1 einschleichend dosieren und individuelle Dosisfindung durch langsame Dosistitration

        Trizyklische Antidepressiva sollten wegen ihrer anticholinergen Wirkung nicht verabreicht werden!

        Fluoxectin (z.B. Fluctin, Prozac) schnitt in einer Studie nicht besser ab als Plazebo und sollte auf Grund des Nebenwirklungsprofils nicht mehr verabreicht werden [216].

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      5.2 Empfehlungen – Therapie von nichtkognitiven Störungen

       

      Für die Therapie empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen in drei Schritten [48, 122, 124] (C):

      1. Optimale Versorgung und qualitativ hochwertige Pflege
      2. Nichtmedikamentöse Interventionen (sollten immer und zuerst angewendet werden!)
      3. Medikamentöse Interventionen (nur, wenn andere Maßnahmen versagt haben!)

      Bestehen keine Erfahrungen mit der eingesetzten Substanz, sollte ein Expertenrat eingeholt werden (C).

      Agitation, Aggression oder Psychose
      Für die symptomatische Therapie einer agitierten, aggressiven oder psychotischen Begleitsymptomatik kommen in erster Linie Neuroleptika (cave: Extrapyramidal-Symptomatik) in Betracht [
      45, 46, 48, 84, 88] z.B.:

        Für diese Indikation ist in Deutschland zugelassen:
        Risperidon (z.B. Risperdal®) [
        39, 47, 88, 126, 253] (A)

        Alternativ (außerhalb der zugelassenen Indikation) kommen in Frage (A):
        Olanzapin (z.B. Zyprexa®) [
        136]
        Citalopram (z.B. Cipramil®) [
        214]
        Carbamazepin (z.B. Tegretal®, Timonil®) [
        217]
        Tiaprid (z.B. Tiapridex®) [
        218, 219]

      Cave: Unter der Gabe von atypischen Neuroleptika wurden bei älteren Patienten vermehrt Schlaganfälle beobachtet. Sie sind nur nach einer strengen Indikationsstellung und unter engmaschigen Kontrollen zu verordnen (A). Für ältere Neuroleptika fehlen umfangreiche Studien, aber auch hier ist mit vermehrten Schlaganfällen bei dementen Patienten zu rechnen (B).

      Schlafstörungen
      Für die Linderung von Schlafstörungen sollten konventionelle Benzodiazepine wegen der im Alter oft verlängerten Halbwertzeit nicht eingesetzt werden.
      Als Alternativen kommen in Betracht [
      82]:

        Antidepressiva mit geringen anticholinergen Nebenwirkungen (B):
        z.B. Trazodon (z.B. Thombran®), Mirtazapin (z.B. Remergil®)

        Sedierende Neuroleptika (B):
        z.B. Melperon (z.B. Eunerpan®), Pipamperon (z.B. Dipiperon®)

        Atypische Benzodiazepine (C):
        z.B. Zopiclon (z.B. Ximovan®), Zolpidem (z.B. Stilnox®)

      Depression
      Leichte depressive Verstimmungen sollten zunächst nichtmedikamentös behandelt werden (B). Trizyklische Antidepressiva sind aufgrund ihrer anticholinergen Komponente kontraindiziert: sie können zu einer Verschlechterung der Demenz-Symptomatik beitragen [
      89] (B).
      Für mittelgradige bis schwere Depressionen kommen vor allem die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer in Betracht z.B.: (C)

        Citalopram, z.B. Cipramil® (A)
        Paroxetin, z.B. Seroxat®, Paroxat® (C)

        Alternativ auch:
        Moclobemid, z.B. Aurorix® (C)
        Mirtazapin, z.B. Remergil® (C)
        Sertralin, z.B. Zoloft®, Gladem® (C)
         

       


      5.3 Autofahren und Demenz

      Das Risiko von Autounfällen und tödlichen Verletzungen steigt mit der Dauer und dem Schweregrad einer Demenz [75, 76, 77, 78, 197]. Für den behandelnden Arzt ist es schwierig, die Fahrtauglichkeit eines Patienten realistisch einzuschätzen, es sei denn, der Patient ist so schwer erkrankt, dass ein erhöhtes Unfallrisiko offensichtlich ist. Der Arzt sollte daher nach Unfällen und ungewöhnlichen Ereignissen beim Fahren fragen und auf eingeschränkte Aufmerksamkeit, Konzentration und Urteilsvermögen achten [75, 77, 78, 197].

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      5.4 Empfehlungen – Autofahren und Demenz

       

      Folgende Aspekte zur Fahrtauglichkeit von Patienten mit Demenz sollten regelmäßig bedacht werden [77, 78] (B):

      Der Arzt sollte nach Unfällen und ungewöhnlichen Ereignissen beim Fahren fragen und auf eingeschränkte Aufmerksamkeit, Konzentration und Urteilsvermögen achten.
      Der Arzt sollte Patienten und Angehörigen rechtzeitig zu einer Rückgabe des Führerscheins raten und ggf. bei einer Umstellung auf andere Verkehrsmittel behilflich sein (Schwerbehindertenausweis).
      In besonders schweren Gefährdungssituationen für die Patienten bzw. andere Verkehrsteilnehmer sollte eine polizeiliche Meldung bzw. ein verkehrspsychologisches Gutachten erwogen werden.
       

       

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    Eine Aktualisierung dieser Leitlinien ist nicht geplant (Stand September 2007)

     

     

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