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Harnwegsinfekt Volltext
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Brennen beim Wasserlassen

- Volltext -
Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007)

Ziele und Epidemiologie des Beratungsanlasses

Ziel dieser Leitlinie ist es, die qualitativ hochwertige hausärztliche Versorgung von Patientinnen und Patienten mit "Brennen beim Wasserlassen" durch eine sinnvolle Diagnostik sowie durch eine wirksame, angemessene und kostengünstige Therapie in der hausärztlichen Praxis sicherzustellen.

1.1 Definition und Epidemiologie des Gesundheitsproblems

Patienten mit "Brennen beim Wasserlassen" bzw. häufigem und / oder imperativem Harndrang werden in der hausärztlichen Praxis häufig gesehen. Innerhalb eines Jahres klagen 20% aller Frauen zwischen 20 und 54 Jahren über mindestens eine Episode von Schmerzen beim Wasserlassen.Ref.1
Meistens sind jüngere, sexuell aktive Frauen betroffen, aber auch Frauen über 75 Jahre, seltener Patientinnen zwischen 50 und 75 Jahren. Viele Frauen versuchen, sich selbst mit Hausmitteln zu behandeln (43%). Falls überhaupt ein Arzt aufgesucht wird, warten die Patientinnen oft erst mehrere Tage ab, ob die Beschwerden nicht von alleine wieder verschwinden.Ref.2

Ursache des "Brennens beim Wasserlassen" sind meist unkomplizierte Harnwegsinfekte (HWI), jedoch können auch komplizierte Harnwegsinfekte, eine Urethritis, Kolpitis, Prostatitis und eine unspezifische sogenannte Reizblase Ursache der Beschwerden sein.

    1.1.1 Harnwegsinfekte (HWI)

    Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Allgemeinarztpraxis (Rang 9, 1,6% aller ambulanten Konsultationen in Schweden Ref.3 , in Deutschland lt. Praxistest der Leitlinie etwa halb soviel, epidemiologische Untersuchungen stehen aus). Sie sind die häufigste Ursache von Brennen beim Wasserlassen und werden bei 60 Ref.4 - 79% Ref.5 der symptomatischen Patientinnen in hausärztlichen Praxen diagnostiziert. Sie stellen eine symptomatische Entzündung der Harnwege dar, ausgelöst durch bakterielle Besiedlung. Typische Symptome von HWI sind akut auftretende Schmerzen bei der Miktion (Dysurie), häufiger und/oder imperativer Harndrang (Pollakisurie), sowie Schmerzen im Unterbauch. Kinder und geriatrische Patienten klagen oft nicht über die typischen Symptome, hier können auch unspezifische Beschwerden wie Veränderungen des Allgemeinzustandes, unklares Fieber, Bauchschmerzen, Kontinenzprobleme oder Nykturie auf einen (komplizierten) HWI hinweisen.

    1.1.1.1 Unkomplizierte HWI

    Bei außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeheimen erworbenen, unkomplizierten HWI ist in 80% der Fälle E. coli der Erreger, in 13% Staph. saprophyticus, seltener auch andere Enterobakterien wie Proteus mirabilis oder Klebsiellen.Ref.6

    Unkomplizierte HWI betreffen meist Frauen, die Hälfte aller Frauen haben mindestens einmal im Leben einen HWI.Ref.7 Risikofaktoren sind vorhergehende Harnwegsinfekte, Geschlechtsverkehr, Benutzung von Scheidendiaphragmen und Spermiziden (level of evidence III) Ref.8 sowie genetische Faktoren.Ref.9 Auch eine 2 - 4 Wochen zurückliegende Antibiotikaeinnahme erhöht das Risiko, an einem HWI zu erkranken, möglicherweise aufgrund einer Schädigung der physiologischen Vaginalflora 10 (level of evidence IIa Ref.8 ,Ref.9 ). Viele Frauen leiden unter rezidivierenden HWI, 12% der Patientinnen mit einem Erstinfekt und 48% der Patientinnen, die bereits rezidivierende HWI hatten, haben innerhalb eines Jahres einen weiteren HWI. Ref.11

    Die Prognose des unkomplizierten HWI der erwachsenen Frau ist gut. Die Entstehung von Nierenschäden und -insuffizienz ist bei Fehlen von prädisponierenden Faktoren (s. o.) nicht zu befürchten.Ref.12 ,Ref.13 Die Behandlung des unkomplizierten HWI dient vor allem der Besserung der Symptome.

    1.1.1.2 Komplizierte HWI

    Komplizierte HWI sind alle Harnwegsinfekte bei Personen mit besonderen Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Folgeschäden. Harnwegsinfekte bei Kindern (Jungen und Mädchen) sind grundsätzlich als kompliziert zu betrachten, da anatomische oder funktionelle Anomalitäten mit Harnabflussstörungen (Reflux) bei Kindern relativ häufig vorkommen bzw. sich bereits im Kindesalter manifestieren.Ref.14, Ref.15, Ref.16 Auch HWI bei Männern müssen immer als kompliziert betrachtet werden, die Erreger können nicht sicher vorhergesagt werden, eine Prostatabeteiligung ist nicht selten. Bei Schwangeren besteht die Gefahr einer Pyelonephritis mit schwerem Verlauf. Bei im Krankenhaus erworbenen HWI sind resistente Keime häufiger. Diabetiker sind aufgrund von verminderter Immunantwort und ggf. Glukosurie besonders anfällig für HWI, eine diabetische Neuropathie kann Harnabflusstörungen verursachen. Immunschwäche, Harnabflussstörungen (Obstruktion) und Bakterienhabitate (z.B. Fremdkörper, Nieren- bzw. Blasensteine, Tumoren) sind andere komplizierende Faktoren. Auch HWI bei Niereninsuffizienz oder nach Eingriffen an den Harnwegen (in der Lebensanamnese) sind kompliziert.

In Allgemeinpraxen häufige Risiken bzw. "komplizierende Faktoren":

  • Kinder, Männer, Schwangere
  • Diabetes mellitus
  • Neurologische Erkrankung mit Miktionsstörung
  • anatomische/funktionelle Anomalität der Harnwege (z.B. Reflux)
  • Urolithiasis
  • Dauerkathether
  • Immunsuppression
  • Niereninsuffizienz
  • Zystennieren

    1.1.2 Urethritis

    Eine Urethritis ist eine Entzündung der Urethra, ausgelöst durch Bakterien (v. a. Chlamydia trachomatis, seltener Gonokokken, Mykoplasmen, Ureaplasmen) oder durch Viren (Herpes simplex). Urethritiden sind seltenere Erkrankungen: Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis-Infekionen beträgt zwischen 2,6% (asymptomatische Frauen von 18 - 35 Jahre, England) Ref.17 und 5,45% (asymptomatische Frauen, 18 - 45 Jahre, USA) Ref.18, Urethritiden durch andere Erreger sind seltener. Die Symptomatik ist häufig eher diskret mit allmählichem Beginn, oft findet sich gleichzeitig eine Entzündung der Cervix uteri. Therapie der Urethritis: 2.2

    1.1.3 Kolpitis

    Häufige Erreger einer Kolpitis sind Candida albicans (Soor) und Trichomonas vaginalis. Nicht selten findet sich bei postmenopausalen Frauen eine atrophische Vulvovaginitis, bedingt durch Östrogenmangel (Indikation für lokale Östrogentherapie). Therapie der Kolpitis: 2.3

    1.1.4 Prostatitis

    Die Erreger der akuten Prostatitis sind meistens E. coli, seltener andere Enterobakterien. Bei chronischer Prostatitis werden eine Vielzahl von Erregern diskutiert. Therapie der Prostatitis: 2.4

    1.1.5 Unspezifische Reizblase

    Nicht selten lässt sich trotz starker, rezidivierender Beschwerden beim Wasserlassen kein Infekt nachweisen. Die Pathogenese der sogenannten Reizblase (urethral syndrome) wird kontrovers diskutiert und ist letztlich ungeklärt. Gerade in der älteren, besonders deutschsprachigen Literatur werden psychosomatische Ursachen diskutiert.Ref.20, Ref.21, Ref.22 Andere Autoren betonen die methodischen Schwächen dieser Untersuchungen und die Tatsache, dass sowohl Patientinnen mit nachgewiesenen Harnwegsinfekten als auch solche mit bloßer Reizblasensymptomatik eher psychische Auffälligkeiten zeigen als Patientinnen, die den Hausarzt aus anderen Gründen konsultieren. Die psychischen Symptome verschwinden dann gleichzeitig mit den Harnwegsbeschwerden.Ref.23 Ursache und Wirkung seien schwer zu trennen, und es bestehe kein Anhalt für die Existenz einer eigentlichen psychogenen Reizblase (level of evidence IIa).Ref.24

    Andere Autoren charakterisieren die Reizblase aufgrund histologischer Befunde von Blasenbiopsien als eine entzündliche Erkrankung (interstitielle Cystitis)Ref.25, und diskutieren mögliche Erreger (z. B. übliche Erreger von Harnwegsinfekten (s. o.) in niedrigen Konzentrationen Ref.26, schwer anzüchtbare Bakterien wie Lactobacillus sp. oder Corynebakterien, aber auch Gardnerella vaginalis Ref.27, Ref.28).
    Auch eine bakterielle Entzündung paraurethraler Drüsen, vergleichbar der Prostatitis beim Mann, wird postuliert.
    Ref.29
    Manche Autoren halten auch eine Dysfunktion der Beckenbodenmuskulatur für möglich.Ref.30. Therapie der Reizblase:2.5

1.2 Abwendbar gefährliche Verläufe

    1.2.1 Abwendbar gefährliche Verläufe bei Harnwegsinfekten

    Bei unkomplizierten HWI sind gefährliche Verläufe nicht zu befürchten.Ref.12, Ref.13 Bei komplizierten HWI besteht hingegen ein Risiko schwerer Verläufe. Insbesondere bei Harnabflussstörungen durch Urolithiasis, aber auch in der Schwangerschaft kann es zur Urosepsis kommen, ebenso bei Kindern oder geriatrischen Patienten mit symptomarmen Pyelonephritiden. Bei Kindern sind HWI häufig ein Hinweis auf anatomische oder funktionelle Anomalien (s.u.), bei HWI mit asymptomatischer Nierenbeteiligung können Parenchymnarben und Niereninsuffizienz entstehen. Bei Patienten über 40 Jahre kann eine persistierende Hämaturie Hinweis auf einen Tumor der Harnwege sein.

    1.2.2 Abwendbar gefährliche Verläufe bei Urethritis und Kolpitis

    Bei Frauen, die an einer Urethritis bzw. Kolpitis mit stummer Adnexbeteiligung leiden, besteht das Risiko von Fertilitätsstörungen. Angaben zur Häufigkeit dieser Komplikationen bei Patientinnen in Allgemeinpraxen liegen nicht vor.

    1.2.3 Abwendbar gefährliche Verläufe bei Prostatitis

    Wird eine Prostatitis unzureichend behandelt, besteht die Gefahr der Zeugungsunfähigkeit. Angaben zur Häufigkeit dieser Komplikation bei Patienten in Allgemeinpraxen liegen nicht vor.

Vorgehensweise

Bei allen Patienten mit charakteristischen Beschwerden (Dysurie, Pollakisurie) sollte in der Anamnese nach "komplizierenden Faktoren" (s.o.) und Symptomen einer Pyelonephritis (s.u.) gefragt werden, bei Männern auch nach Hinweisen auf eine akute Prostatitis (s.u.). Außerdem wird Urin untersucht. Falls sich kein Hinweis auf einen HWI findet (s.u.), sollte die Patientin / der Patient zunächst nur beraten werden, falls erforderlich kann bis zum Vorliegen der Urinkultur symptomatisch (z.B. mit Paracetamol) behandelt werden.

Bei anamnestischen Hinweisen bzw. negativer Urinkultur und persistierenden Beschwerden sollte (u.U. vom Gynäkologen bzw. Urologen) nach selteneren Ursachen gesucht werden:

Frauen:

  • Kolpitis, bei postmenopausalen Frauen auch eine atrophische Vulvovaginitis
  • Urethritis (insbesondere bei jüngeren, sexuell aktiven Frauen)

Männer:

  • Urethritis
  • chronische Prostatitis

Bei Männern und Frauen mit steriler Leukozyturie sollte der Urin auf säurefeste Stäbchen (Uro-Tbc) untersucht werden (level of evidence IV) Ref.31. Die Reizblase ist eine Ausschlussdiagnose (s.u.).

2.1 Harnwegsinfekt

    2.1.1 Anamnese

    Folgendes sollte erfragt werden:

    • Dauer und Stärke der Symptome (Schmerzen, Fieber, Krankheitsgefühl)
    • Grad der Beeinträchtigung durch die Beschwerden
    • Vorhergehende Harnwegsinfekte
    • Komplizierende Faktoren
    • Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr, Kontrazeption (Diaphragma)
    • Vaginaler Ausfluss
    • Erklärung der Patientin für ihre Beschwerden

    2.1.2 Untersuchung

    2.1.2.1 Verdacht auf unkomplizierten HWI

    Eine körperliche Untersuchung ist verzichtbar, wenn bei Patientinnen mit guter Kommunikationsfähigkeit (Ausnahme: Demenz, Verständigungsschwierigkeiten) anamnestisch komplizierende Faktoren und Hinweise auf eine Pyelonephritis (Fieber, Flanken- bzw. Rückenschmerz, allgemeines Krankheitsgefühl) fehlen.

    Die Diagnose beruht auf den typischen Symptomen und den Ergebnissen der Urinuntersuchung:
    Frischer Urin wird mit Teststäbchen auf Nitrit und Leukozyten untersucht (Sensitivität 93%, Spezifität 17%, bei symptomatischen Patienten hoher positiver Vorhersagewert von 90%, negativer Vorhersagewert 24%), (level of evidence IIa)
    Ref.33, Ref.34, Ref.35. Die Gewinnung von Mittelstrahlurin sowie die Reinigung von Perineum und Vulva bzw. Glans penis ist nicht erforderlich (level of evidence IIa) Ref.36, Ref.37, Ref.38. Zu empfehlen ist das Spreizen der Labien (level of evidence IIb) Ref.39 bzw. das Zurückziehen der Vorhaut.

    Sind auf dem Teststreifen Nitrit und Leukozyten positiv, sind weitere Untersuchungen überflüssig. Die zusätzliche oder alleinige Untersuchung des Harnsediments bringt keine zusätzliche diagnostische Sicherheit, sie ist aufwendig und die Qualität ist abhängig von der technischen Ausführung.Ref.40, Ref.41 Die Untersuchung von unzentrifugiertem Urin auf Bakterien und Leukozyten in einer Zählkammer ist - unter Laborbedingungen - zuverlässig Ref.42, Ref.43, aber zeitaufwendig und nicht unter Praxisbedingungen erprobt. Unter den Bedingungen der Allgemeinarztpraxis sind sowohl die Teststäbchenmethode als auch die Sedimentuntersuchung weniger verlässlich als wenn sie in einem (größeren) Labor durchgeführt werden. Ref.41, Ref.44 Bei Risikopatienten (komplizierte HWI, s.o.) und in Zweifelsfällen sollte daher eine Kultur angelegt werden, bei V.a. unkomplizierten HWI ist eine Kultur jedoch in der Regel unnötig (level of evidence IIa).Ref.33

Vorgehen bei unklarer Diagnose (level of evidence IV) Ref.45:

  • Bei Patientinnen mit Beschwerden aber unklarer Diagnose nach dem Teststäbchenverfahren (weder Nitrit noch Leukozyten positiv, oder nur eines von beiden) sollte immer eine Kultur angelegt werden.
  • Ist Nitrit nachweisbar, ist ein HWI anzunehmen. Eine Therapie wird eingeleitet, wenn ein Abwarten der Kultur nicht zumutbar ist.
  • Bei Leukozyturie kann ebenfalls eine Behandlung eingeleitet werden, ein HWI ist wahrscheinlich. Finden sich auch in der Urinkultur keine Bakterien und persistiert die Leukozyturie nach einer Antibiotikatherapie, sollte Urin auf säurefeste Stäbchen (TBC) untersucht werden Ref.31.
  • Sind weder Nitrit noch Leukozyten nachweisbar, sollte unzentrifugierter Urin mikroskopiert werden. Finden sich Bakterien (über 10²/ml), ist ein HWI anzunehmen. Andernfalls wird ein Urinsediment mikroskopiert; bei Nachweis von mehr als 8 Leukozyten pro Feld ist ein HWI wahrscheinlich.
  • Finden sich keine Leukozyten, ist die Wahrscheinlichkeit eines HWI geringer als 5%. Eine Kolpitis bzw. Urethritis muss in Betracht gezogen werden, die Patientin sollte, ggf. nach Abwarten der Urinkultur, zum Gynäkologen überwiesen werden.

    2.1.2.2 Verdacht auf komplizierten HWI

    Bei Kindern, Männern, Schwangeren, Diabetikern und Patienten mit anderen komplizierenden Faktoren sollte eine symptombezogene körperliche Untersuchung (Blase, Nierenlager, Genitale) erfolgen.

    Bei Patienten mit komplizierenden Faktoren und V.a. HWI muss vor Beginn einer empirischen Behandlung immer eine Kultur angelegt werden.

    2.1.3 Zusätzliche Diagnostik

    Urinkultur und Antibiogramm sollten in folgenden Situationen immer durchgeführt werden:

    • komplizierte HWI (s.o.)
    • Männer
    • Kinder (unter 12 Jahren)
    • unklare Diagnose (s.o.)
    • Therapieversager
    • klinischer V.a. Pyelonephritis

    Wird bei symptomatischen Patienten eine quantitative Keimzahlbestimmung (z.B. Uricult®) durchgeführt, genügen 10² koloniebildende Einheiten/ml (colony forming units, CFU) einer einzelnen Spezies für die Diagnose HWI Ref.46 (level of evidence Ib) Ref.47.

    Eine Sonographie der Harnwege (durch qualifizierten Hausarzt oder Spezialisten) sollte nur bei V.a. funktionelle (z.B. Restharn) oder anatomische Abnormitäten oder Urolithiasis erfolgen. Bei prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden HWI sind anatomische oder funktionelle Veränderungen des Harntraktes selten (sie manifestieren sich in der Regel bereits im Kindesalter), daher sollten weiterführende Untersuchungen nicht routinemäßig durchgeführt werden (level of evidence IIa) Ref.48. Indiziert ist eine einmalige Abklärung bei häufigen Rezidiven (ab 3 pro Jahr) vor Einleitung einer Langzeittherapie (s.u.).(level of evidence IV, Empfehlung nach Konsultation der Deutschen Gesellschaft für Urologie)

    Bei postmenopausalen Frauen sollte eine gynäkologische Untersuchung erfolgen, da eine Uterussenkung mit Zystozele und Restharn Infektionen begünstigt (level of evidence IV) Ref.19. Kinder (Jungen und Mädchen unter 12 Jahren) müssen beim ersten HWI, ggf. nach Anlage einer Kultur und Beginn einer Therapie, zum Kinderarzt oder pädiatrisch erfahrenen Urologen überwiesen werden, um anatomische Anomalien und einen vesikoureteralen Reflux auszuschließen (level of evidence IIa) Ref.14, Ref.15, Ref.16. Werden keine Anomalien gefunden, kann die Therapie bei Rezidiven i.d.R. durch den Hausarzt erfolgen. (level of evidence IV, Empfehlung nach Konsultation der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde)

    Eine Überweisung zum Urologen sollte in folgenden Fällen erfolgen:

    • Männer mit unklarer Diagnose oder Rezidivinfekt Ref.49
    • HWI bei Urolithiasis Ref.50 oder anderer bekannter urologischer Erkrankung
    • Rezidivierende Pyelonephritis

    Patienten mit (V.a.) Harnabflussstörung oder Bakterienhabitaten und Frauen mit häufigen Rezidiven (ab 3 pro Jahr) sollten einmalig vom Urologen auf behandelbare Anomalien untersucht werden, häufig kann die weitere Betreuung und Behandlung von Rezidiven dann wieder durch den Hausarzt erfolgen.(level of evidence IV, Empfehlung nach Konsultation der Deutschen Gesellschaft für Urologie)

    2.1.4 Behandlungsoptionen

    2.1.4.1 Beratung

    Eine Patientin mit unkompliziertem HWI sollte über die Gutartigkeit der Erkrankung, aber auch über die Häufigkeit von Rezidiven und gegebenenfalls über den Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr aufgeklärt werden. Auf nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe (s.u.) sollte hingewiesen werden. In der Regel ist eine medikamentöse Behandlung zur schnellen Symptomkontrolle indiziert.

    Mit Patienten, die einen komplizierten HWI haben, sollte eingehend über ihre Erkrankung, ggf. notwendige diagnostische Untersuchungen und die Notwendigkeit eines Arztbesuchs bei erneuten Symptomen gesprochen werden.

    2.1.4.2 Nicht-medikamentöse Behandlung und Rezidivprophylaxe

    • Ausreichende Trinkmenge (mind. 2 Liter/d) (level of evidence IV) (Kontraindikationen beachten, z.B. Herzinsuffizienz)
    • Vollständige, regelmäßige Entleerung der Blase (level of evidence IV)
    • Miktion nach Geschlechtsverkehr (level of evidence IV)
    • Ggf. Behandlung einer Obstipation (Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde)
    • Keine übertriebene Genital-"Hygiene", welche die körpereigene Vaginalflora zerstört (Vermeidung von "Intimsprays" u.ä.) (level of evidence III) Ref.8
    • Ggf. Wechsel der kontrazeptiven Methode (Vermeiden von Scheidendiaphragmen, Spermiziden) (level of evidence III) Ref.8
    • Wärmeapplikation bei Schmerzen (level of evidence IV)
    • Bei Neigung zu rezidivierenden HWI: Vermeiden von Unterkühlung (level of evidence IIb)
    • Akupunktur senkte in einer kleinen kontrollierten Studie mit 67 Patientinnen mit rezidivierenden HWI die Infektquote (level of evidence Ib) Ref.53. Weitere Studien sind wünschenswert, um die Ergebnisse zu bestätigen (bzw. zu entkräften).

    2.1.4.3 Medikamentöse Behandlung des unkomplizierten Harnwegsinfektes

    2.1.4.3.1 Medikamente der 1. Wahl

    Medikamente der Wahl sind Trimethoprim (TMP) TMP und Nitrofurantoin Nitrofurantoin.
    TMP wird z.B. von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
    Ref.54 und im British National Formulary Ref.55 empfohlen; Nitrofurantoin wird in den niederländischen und schwedischen Leitlinien für Hausärzte (s.Kap. 8.2.2) und im British National Formulary empfohlen. Beide sind für eine Kurzzeittherapie geeignet und preisgünstig. Beide Medikamente sind gut verträglich, die körpereigene Bakterienflora wird wenig beeinträchtigt. Auch Nitrofurantoin wird - richtig dosiert - gut vertragen Ref.56, Ref.57, Ref.58, unerwünschte Wirkungen sind meist wenig ausgeprägt und verschwinden nach dem Absetzen. Schwere toxische Wirkungen (interstitielle Pneumonie, Hepatitis, Polyneuropathie) sind extrem selten, nicht häufiger als bei TMP.Ref.59 Für die Therapie von HWI ist eine niedrige Dosierung ausreichend, Erwachsene erhalten 2 x 100 mg TMP oder Nitrofurantoin pro Tag für 3 Tage.

    Wie bei jeder antibakteriellen Therapie ist auch bei der Verordnung von Antibiotika für HWI die lokale Erreger- und Resistenzlage, soweit bekannt, zu beachten. Einige Studien aus Nachbarländern zeigen zunehmende Resistenzen gegen TMP bzw. Cotrimoxazol Ref.60, Ref.61. Aus Deutschland gibt es hierzu (bisher) keine Untersuchungen aus Hausarztpraxen. Angaben, die aus Krankenhäusern oder Labors stammen, geben nur Auskunft über wenige selektierte Patienten und sollten nicht kritiklos auf die Allgemeinbevölkerung bzw. alle hausärztlichen Patienten übertragen werden. Bisher ist von ausreichender Wirksamkeit bei TMP auszugehen, Resistenzen gegen Nitrofurantoin sind sehr selten Ref.60, Ref.61, Ref.62, Ref.63. Die ungezielte Verordnung von Reservemedikamenten (z.B. Fluorochinolonen) bei HWI sollte vermieden werden, um weiterer Resistenzentwicklung nicht Vorschub zu leisten Ref.64, Ref.65.

    2.1.4.3.2 Medikamente der ferneren Wahl

    Cephalosporine der 1. Generation (z.B. Cefaclor Cefachlor) zeigen meist gute Wirksamkeit Ref.62, Ref.63 (level of evidence IIa). Cephalosporine sind Breitspektrumantibiotika, die auch die normale vaginale Flora angreifen und somit einer Kolonisation durch Enterobakterien oder auch Candida albicans Vorschub leisten Ref.67. Sie sind zudem nicht für eine Kurzzeittherapie geeignet. Zur empirischen Therapie des HWI sollten Cephalosporine daher nur bei Schwangeren verwendet werden, hier sind sie das Mittel der Wahl (z.B. Cefaclor 2 - 3 x 500 mg für 7 Tage). Oralcephalosporine der 3. Generation (z.B. Cefixim Cefixim) sind ebenfalls wirksam (level of evidence Ib) Ref.68, aber (auch angesichts ihres hohen Preises) verzichtbar.

    Die Kombination von Trimethoprim mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol Cotrim) bietet im Vergleich zur Monosubstanz (TMP) keine Vorteile, beide Medikamente sind bei Harnwegsinfekten gleich wirksam (level of evidence Ib) Ref.69, Ref.70, Ref.71, Ref.72. Cotrimoxazol hat aber durch den Sulfonamidanteil ein höheres Risiko von Nebenwirkungen, insbesondere allergischen Hautreaktionen, die bei etwa 4% aller Patienten auftreten Ref.56, Ref.73, Ref.74 sowie seltener, aber gefährlicher Arzneimittelreaktionen wie Hypoglykämien Ref.75 oder Lyell-Syndrom Ref.76. Außerdem ist der Selektionsdruck für resistente Keime höher als bei der Verwendung der Monosubstanz. Cotrimoxazol sollte nur bei der Pyelonephritis eingesetzt werden (s.u.) und ansonsten für die Therapie von Infektionen mit Pneumocystis carinii oder Nocardia reserviert werden Ref.77.

    Amoxicillin ist nicht selten aufgrund von Erregerresistenz unwirksam Ref.62, Ref.60. Außerdem erreicht es nur kurzfristig hohe Urinkonzentrationen und ist daher für eine Kurzzeittherapie nicht geeignet. Amoxicillin

    Fluorochinolone (z.B. Norfloxacin, Ciprofloxacin Ciprofloxazin, Ofloxacin Ofloxazin, Pefloxacin, Fleroacin) sind in der Regel wirksam, sollten aber aufgrund der Gefahr erhöhter Resistenzbildung gegen diese "Reserve-Antibiotika" und potentieller Nebenwirkungen (phototoxische Hautreaktionen, zentralnervöse Störungen, Sehnenschäden) nicht routinemäßig eingesetzt werden Ref.78, Ref.79. Fluorochinolone scheitern zudem oft bei Patientinnen mit Staph. saprophyticus-Infektionen. Ref.19 Sie sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Zudem sind Fluorochinolone erheblich teurer als TMP oder Nitrofurantoin.

    Fosfomycin-Trometamol ist als Einzeldosistherapie offenbar wirksam und gut verträglich, wenn auch sehr teuer. Ref.80, Ref.81 Allerdings wurden Wirksamkeit, unerwünschte Wirkungen und Rezidivrate bisher nicht mit Dreitagestherapien anderer Medikamente verglichen. Untersuchungen zur Effektivität wurden zudem in Ländern durchgeführt, in denen Fosfomycin sonst nicht verwendet wird, während es in Deutschland als Reserveantibiotikum für lebensgefährliche Staphylokokkeninfektionen eingesetzt wird. Die Resistenzentwicklung ist bisher nicht untersucht. Fosfomycin-Trometamol sollte nicht zur Behandlung von HWI in der Allgemeinmedizin eingesetzt werden, da bewährte Medikamente mit guter Wirksamkeit zur Verfügung stehen.

    Die in Deutschland verbreiteten pflanzlichen Medikamente und Tees wurden nie in randomisiert-kontrollierten Studien auf ihre Wirksamkeit getestet und genügen daher nicht den Anforderungen an eine rationale Pharmakotherapie. Studien zu Moosbeeren- (Cranberry-) Extrakten Ref.82, Ref.83, Ref.84 und Bakterienextrakten Ref.85, Ref.86 sind nicht von ausreichender Qualität.

    Spasmolytika haben keine kausale Wirkung gegen die Infekterreger. Ihr Nutzen zur Symptomkontrolle ist nicht erwiesen.

    2.1.4.3.3 Therapiedauer des unkomplizierten Harnwegsinfektes

    Unkomplizierte HWI junger Frauen sollten mit einer Kurzzeittherapie für 3 Tage behandelt werden. Ref.19, Ref.67, Ref.87 Hierbei ist die Compliance oft besser und das Risiko von Nebenwirkungen sowie die Beeinträchtigung der körpereigenen Flora geringer Ref.88 als bei einer längeren Behandlung. Eine Dreitagetherapie ist genauso effektiv wie eine längere Therapie, wenn TMP, Cotrimoxazol oder Fluorochinolone verwendet werden (level of evidence Ia) Ref.89. Cephalosporine sind als Kurzzeittherapie weniger wirksam. Bei rund 80% aller Patientinnen ist auch eine Einmaltherapie mit TMP wirksam Ref.90. Die Eradikation der Bakteriurie gelingt aber besser mit einer längeren Therapie, und die Rückfallwahrscheinlichkeit ist geringer (29% vs. 13% nach 5 Wochen). (level of evidence Ib) Ref.89, Ref.90, Ref.91, Ref.92

    Ältere Frauen, die in Heimen o.ä. leben und eingeschränkt mobil sind, (u.U. auch alle postmenopausalen Frauen) sollten für 7 Tage behandelt werden, da Kurzzeittherapien hier oft weniger wirksam sind (level of evidence IV) Ref.93.

    2.1.4.3.4 Rezidivierende unkomplizierte HWI

    Bei rezidivierenden HWI sollten zwei Situationen unterschieden werden Ref.19:

    Rückfälle beruhen auf einer Persistenz der Erreger trotz initialem klinischen Therapieerfolg. Sie treten innerhalb von 14 Tagen auf und werden, ggf. mit dem anderen Medikament der Wahl, (level of evidence IV, Empfehlung nach Konsultation der Deutschen Gesellschaft für Urologie) für 10 Tage behandelt. Bei einem erneuten Rückfall sollte eine Kultur angelegt und eine Sonographie durchgeführt werden.

    In über 90% der Fälle handelt es sich bei rezidivierenden HWI um Neuinfektionen. Darm- und Vaginalflora bilden hierfür das Erregerreservoir. Neuinfektionen treten nach mehr als 14 Tagen auf und werden wieder mit einer Kurzzeittherapie behandelt, ein Wechsel des Medikaments ist nicht notwendig, da meist ein identischer Keim mit unveränderter Resistenzsituation vorliegt. Ref.94 Auch routinemäßige weitere Diagnostik ist nicht indiziert (s.o.)

    Frauen mit häufig wiederkehrenden Episoden (ab 3 pro Jahr) sollten einmal, ggf. durch einen Urologen, auf behandelbare Anomalien der Harnwege untersucht werden, die weitere Betreuung erfolgt i.d.R. durch den Hausarzt. (level of evidence IV, Empfehlung nach Konsultation der Deutschen Gesellschaft für Urologie) Therapeutisch können verschiedene Maßnahmen sinnvoll sein:

    Bei zeitlichem Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr können, falls postkoitale Miktion nicht ausreicht, 100mg TMP jeweils postkoital gegeben werden. Ref.95 (level of evidence Ib)

    Langzeittherapie mit 50mg TMP oder Nitrofurantoin pro Tag für 6 Monate (level of evidence Ib) Ref.96, Ref.56, Ref.57, falls nötig auch für mehrere Jahre Ref.97.

    Bei postmenopausalen Frauen mit rezidivierenden HWI sollte eine Östrogensubstitution (z.B. lokal mit östrogenhaltigen Vaginalcremes, oder systemisch) eingeleitet werden (level of evidence Ib) Ref.98.

    2.1.4.3.5 Komplizierte HWI

    Bei komplizierten Harnwegsinfekten wird vor Behandlungsbeginn eine Kultur angelegt, Kurzzeittherapien sind nicht indiziert. In der Regel sollten Patienten mit komplizierten HWI einmal durch einen Urologen untersucht werden (s.o.) (level of evidence IV, Deutsche Gesellschaft für Urologie). Das weitere Vorgehen richtet sich nach der Grunderkrankung.

    Bei Männern sind, anders als bei Frauen, die Erreger von HWI nicht ohne weiteres vorherzusehen. Vor Therapiebeginn sollte daher eine Kultur angelegt werden, um die empirische Therapie gegebenenfalls korrigieren zu können. Erstmalig aufgetretene HWI bei Männern ohne sonstige komplizierende Faktoren werden für 7 Tage mit TMP oder Nitrofurantoin behandelt, Kurzzeittherapien sind oft nicht wirksam. Rezidive, bei älteren Männern auch Erstinfekte, sollten immer urologisch abgeklärt werden. (level of evidence IV) Ref.49

    Kinder (Jungen und Mädchen bis 12 Jahre) werden nach Anlage einer Kultur mit TMP oder Nitrofurantoin behandelt (Dosierung nach Körpergewicht bzw. Alter, keine Kurzzeittherapie) und zur weiteren Diagnostik zum Kinderarzt überwiesen (s.o.).

    2.1.4.3.6 Sonderfälle

    Die asymptomatische Bakteriurie ist nur bei Schwangeren behandlungsbedürftig Ref.99 (level of evidence Ia). Bei anderen Patienten, auch bei Dauerkatheterträgern oder Diabetikern, sollte sie nicht behandelt werden (level of evidence Ia) Ref.101, Ref.102, Ref.103, Ref.104. Daher sind auch Screening-Untersuchungen auf Leukozyten oder Nitrit bei asymptomatischen Patienten nicht angebracht (level of evidence Ia) Ref.101.

    Die Pyelonephritis wird (nach Anlegen einer Kultur) für 14 Tage mit Cotrimoxazol (2. Wahl: Fluorochinolone) behandelt.Ref.105 Studien zur Wirksamkeit von Trimethoprim als Monosubstanz fehlen hier bisher, eine Überlegenheit von Fluorochinolonen ist nicht nachgewiesen. Schwangere, Kinder sowie Patienten mit Urolithiasis, u.U. auch andere Patienten mit komplizierenden Faktoren, sollten stationär eingewiesen, Patienten mit rezidivierender Pyelonephritis sollten zum Urologen überwiesen werden. (level of evidence IV)

    2.1.5 Weiteres Vorgehen bei Harnwegsinfekten

    Nach klinisch erfolgreicher Therapie eines unkomplizierten HWI sind Wiedervorstellung und Urinkontrolle nicht erforderlich, da eine asymptomatische Bakteriurie nicht behandlungsbedürftig ist (level of evidence Ia) Ref.102. Bei Schwangeren sollten monatliche Urinkontrollen bis zur Entbindung erfolgen, da nur hier die Behandlung einer persistierenden asymptomatischen Bakteriurie indiziert ist (s.o.).

    Bei Therapieversagern (s.o.) sollten Diagnose und Erreger mit einer Urinkultur verifiziert werden. Nach einer Behandlung mit einer Einmaldosis können allerdings Symptome noch 1 bis 2 Tage persistieren, bis die Entzündung der Schleimhäute abgeheilt ist.

    Bezüglich der Lebensführung sollte auf die obengenannten Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe hingewiesen werden.

2.2 Urethritis

    Bei Patienten (Männern und Frauen) mit Brennen beim Wasserlassen, bei denen sich kein HWI findet, sollte eine Urethritis ausgeschlossen werden.

    2.2.1 Diagnostik Chlamydieninfekte können über eine Ligase-Kettenreaktion in Urinproben nachgewiesen werden (Sensitivität 90%, Spezifität 99,8%) Ref.106, sowohl Chlamydien als auch andere Urethritiserreger lassen sich in Urethra- bzw. Cervixabstrichen nachweisen (Speziallabor oder Überweisung zum Gynäkologen bzw. Urologen).

    2.2.2 Therapie Die Behandlung der Chlamydien-Urethritis erfolgt bei Männern und nicht schwangeren Frauen mit Doxycyclin (2 x 100 mg für 7 Tage Doxycyclin). (level of evidence Ib) Ref.107, Ref.108, Ref.109 Schwangere werden mit Azithromycin (1g, Einmaldosis) behandelt. (level of evidence Ib) Ref.110
    Gonokokkeninfektionen werden mit einer Einmaldosis Ciprofloxacin oder Ceftriaxon behandelt. In jedem Fall müssen Sexualpartner mitbehandelt werden.

2.3 Kolpitis

    Eine Kolpitis lässt sich oft schon anhand von Anamnese und Symptombeschreibung diagnostizieren: Brennen, Schmerzen oder Juckreiz treten konstant, nicht nur beim Wasserlassen, auf. Meist besteht ein vaginaler Ausfluss. Die Behandlung erfolgt lokal, je nach Erreger. Nicht selten findet sich bei postmenopausalen Frauen eine atrophische Vulvovaginitis, bedingt durch Östrogenmangel (Indikation für eine lokale Östrogentherapie).

2.4 Prostatitis

    2.4.1 Diagnostik Eine akute Prostatitis lässt sich meist anhand der typischen Symptomediagnostizieren: Neben Schmerzen beim Wasserlassen und imperativem Harndrang bestehen Schmerzen in der Dammregion, insbesondere beim Stuhlgang, sowie Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl, bei Palpation ist die Prostata schmerzhaft.

    Eine chronische Prostatitis kann symptomarm verlaufen, oft sind rezidivierende HWI das einzige Symptom. Ein V.a. chronische Prostatitis bzw. rezidivierende HWI beim Mann sollte immer urologisch abgeklärt werden (s.o.). Psychogene Ursachen gelten jedoch als häufig, insbesondere bei jungen Männern.

    2.4.2 Therapie Patienten mit Prostatitis sollten zum Urologen überwiesen werden (level of evidence IV, Deutsche Gesellschaft für Urologie). Die Behandlung einer akuten Prostatitis (mit 2 x 960 mg Cotrimoxazol, alternativ Fluorochinolone) darf dadurch aber nicht verzögert werden.
    Eine chronische bakterielle Prostatitis stellt oft ein therapeutisches Problem dar.
    Ref.49

2.5 Reizblase

    2.5.1 Diagnostik Nicht selten lässt sich trotz starker und rezidivierender Beschwerden kein Infekt nachweisen. Die Reizblase ist eine Ausschlussdiagnose. Ein HWI sollte durch Urinkultur ausgeschlossen werden, ebenso eine Urethritis oder Kolpitis (einschließlich der durch Östrogenmangel bei postmenopausalen Patientinnen verursachten atrophischen Form), sowie ein Tumor des Urogenitalsystems.

    2.5.2 Therapie Parallel zur ungeklärten Ätiologie der Reizblase gibt es auch keine eindeutigen Therapieempfehlungen, wissenschaftliche Untersuchungen liegen nicht vor.

    Von größter Bedeutung ist sicherlich die hausärztliche Beratung. Bei postmenopausalen Frauen sollte eine lokale oder systemische Östrogenbehandlung erfolgen. (level of evidence IV) Ref.111 Psychotherapie oder körpertherapeutische Verfahren scheinen bei entsprechendem Kontext indiziert (level of evidence IV) Ref.112, es gibt jedoch keinen zweifelsfreien Nachweis ihrer Wirksamkeit. Eine Antibiotikatherapie ist manchmal erfolgreich, auch wenn kein Erreger gefunden wurde. Ref.113
    Invasive Verfahren wie Urethradilatation, Kryochirurgie oder andere instrumentelle Eingriffe sowie Operationen sind bei der überwiegenden Anzahl der Patientinnen sicher nicht indiziert, sondern können durchaus Schaden anrichten.

 

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Update:03/09/09

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