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Hypertonie Diagnostik Haupttext
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Hypertonie

Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie
Entwickelt durch das medizinische Wissensnetzwerk „evidence.de“
der Universität Witten/Herdecke

Version 1/2003
Eine Aktualisierung dieser Leitlinie ist nicht geplant (Stand September 2007)

Diagnostik Haupttext

Die hier vorliegende Version richtet sich an Ärzte und Gesundheitsfachleute.
Für Betroffene, Angehörige und Betreuer existiert eine
Patientenleitlinie.

Die Leitlinie Hypertonie in der Version 1/2003 nimmt Bezug auf andere nationale und internationale Leitlinien-Dokumente, die übersetzt, inhaltlich und formell überarbeitet und an hausärztliche Erfordernisse angepasst wurden. Eine Aktualisierung wird nicht mehr vorgenommen.
Impressum:
Entwicklung der Leitlinie, Autoren, Copyright...

Gliederung

    1. Einleitung
      1.1 Epidemiologie
      1.2 Versorgungsproblem
      1.3 Adressaten der Leitlinie / Ausschlusskriterien
      1.4 Ziele der Leitlinie
      1.5 Einteilung der Evidenz
      1.6 Wichtigste Quellen dieser Leitlinie
    2. Definition und Ätiologie der Hypertonie
      2.1 ICD-Klassifikation der Hypertonie
    3. Diagnose der Hypertonie
      3.1 Blutdruckmessung
        3.1.1 Blutdruckselbstmessung
        Tabelle 1: Häufige Fehler bei der Blutdruckmessung
        3.1.2 24-Stunden-Blutdruckmessung (Langzeitblutdruckmessung, ABDM)
        Tabelle 2: Normwerte bei der 24-Blutdruckmessung
      3.2 Empfehlungen: Blutdruckmessung
      3.3 Basisdiagnostik
        3.3.1 Anamnese und Familienanamnese
        3.3.2 Empfehlungen: Anamnese und Familienanamnese
        Tabelle 3: Wichtige Fragen bei Patienten mit arterieller Hypertonie
        3.3.3 Körperliche Untersuchung
        3.3.4 Empfehlungen: Körperliche Untersuchung
        Tabelle 4: Wichtige Aspekte der körperliche Untersuchung bei Hypertoniepatienten
        3.3.5 Laboruntersuchungen
        3.3.6 Empfehlungen: Laboruntersuchungen
        Tabelle 5: Empfohlene Basislaborparameter bei Patienten mit arterieller Hypertonie
        3.3.7 Technische Untersuchungen
      3.4 Weiterführende Diagnostik
      3.5 Empfehlungen: Weiterführende Diagnostik
      3.6 Risikoeinschätzung
      3.7 Empfehlungen: Risikoeinschätzung
    4. Therapie
      4.1 Therapieziele
      4.2 Empfehlungen: Therapieziele
      4.3 Prognose ohne Therapie
      4.4 Nicht-medikamentöse Maßnahmen
        4.4.1 Gewichtsreduktion
        4.4.2 Reduzierte Kochsalzzufuhr
        4.4.3 Eingeschränkter Alkoholkonsum
        4.4.4 Bewegungsübungen (Exercise-Training)
        4.4.5 Vermehrter Obst- und Gemüsekonsum
        4.4.6 Verminderte Aufnahme an Gesamtfett und gesättigten Fetten
        4.4.7 Weitere Ernährungsfaktoren
        4.4.8 Psychophysiologisch orientierte Therapie
        4.4.9 Senkung des kardiovaskulären Risikos
          4.4.9.1 Nikotinkarenz
          4.4.9.2 Ersatz der gesättigten durch ungesättigte Fette, erhöhter Fischölkonsum
        4.4.10 Durchführung nicht-medikamentöser Maßnahmen
      4.5 Empfehlungen: Nicht-medikamentöse Maßnahmen
      4.6 Pharmakotherapie der Hypertonie
      4.7 Pharmakotherapie kardiovaskulärer Risiken
        4.7.1 Acetylsalicylsäure
        4.7.2 Empfehlungen: Acetylsalicylsäure (ASS)
        4.7.3 Statine (HMG CoA-Reduktase- Hemmer, Lipidsenker)
        4.7.4 Empfehlungen: Statine (HMG CoA-Reduktase- Hemmer)
      4.8 Therapieresistente Hypertonie („Non Responder“)
      4.9 Empfehlungen: Therapieresistente Hypertonie
      4.10 Verlaufskontrollen
      4.11 Empfehlungen: Verlaufskontrollen
      4.12 Motivation und Compliance
        Tabelle 26: Empfehlungen, um Patienten zur Einnahme der Antihypertensiva zu bewegen
      4.13 Empfehlungen: Motivation und Compliance
    5. Besonderheiten
      5.1 Geriatrische Patienten und Hypertonie
      5.2 Empfehlungen: Geriatrische Patienten und Hypertonie
      5.3 Hypertonie und Diabetes
      5.4 Empfehlungen: Hypertonie und Diabetes
    6. Hypertensive Krise
      6.1 Definition
      6.2 Therapie der hypertensiven Krise
        6.2.1 Hypertensive Entgleisung (Dringlichkeit)
        6.2.2 Hypertensiver Notfall
      6.3 Substanzen
      6.4 Empfehlungen: Hypertensive Krise


1. Einleitung


    1.1 Epidemiologie

    Die arterielle Hypertonie gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und stellt nach einer Studie vom Anfang der 80er Jahre die zweithäufigste Diagnose bei Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten sowie die häufigste Diagnose bei Internisten in Deutschland dar [27]. Eine neuere Untersuchung zeigt, dass die Hypertonieprävalenz in Deutschland bei erwachsenen Männern bei knapp 30% und bei erwachsenen Frauen bei ca. 27% liegt [28].
    Ein erhöhter Blutdruck ist der bedeutsamste Risikofaktor für zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie einer der wichtigsten Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung (KHK), die periphere arterielle Verschlußkrankheit (pAVK) sowie für die Nieren- und Herzinsuffizienz [
    28, 144].
    Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bestimmen einen Großteil der Morbidität und Mortalität der deutschen Bevölkerung. Etwa 43% aller Todesfälle bei Männern und mehr als 50% aller Todesfälle bei Frauen in Deutschland sind Folge einer arteriellen Hypertonie; insgesamt mehr als 400.000 Todesfälle jährlich [
    29].


    1.2 Versorgungsproblem

    Ein wesentliches Versorgungsproblem stellt die Unter- und Fehlversorgung von Hypertonikern mit einer adäquaten medikamentösen Therapie dar, obwohl Antihypertensiva zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln von Allgemein- und praktischen Ärzten zählen (siehe Tabelle 17H: Verordnungen von Antihypertonika 2000) [2, 32, 33].
    Erhebungen aus Deutschland zeigen, dass bei 41% aller untersuchten Hypertoniker der Blutdruck zumeist durch inadäquate Dosierung oder Dosierungsintervalle nicht ausreichend eingestellt ist [
    33].

    Weitere Versorgungsprobleme zeigen sich im Bereich der Primärprävention und Erkennung / Diagnostik der Hypertonie [1, 2, 6, 9, 13]. Internationale Bemühungen, diese Situation zu verbessern, waren teilweise erfolgreich. In Deutschland sind diese Erfolge bisher (noch) nicht nachweisbar [31].

    Ein wichtiges Therapieziel im Hinblick auf nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen stellt die Vermittlung von Kompetenz für den Patienten dar, die ihn zur Übernahme von Eigenverantwortung befähigt.

    Wichtigstes therapeutisches Ziel der antihypertensiven Therapie sollte die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität sein [1, 2, 3, 4, 9, 10, 23]. Dabei kommt, neben neuen Blutdruck-Grenzwerten, der individuellen Einschätzung des kardiovaskulären Risikos eine zentrale Bedeutung zu [1]. Entsprechende Instrumente werden in dieser Leitlinie berücksichtigt (Tabelle 12H für Frauen und  Tabelle 13H für Männer).

    Ein möglicher Ansatz zur Verbesserung der Versorgung besteht in der Berücksichtigung evidenzbasierter Leitlinien zum Themenkomplex.


    1.3 Adressaten der Leitlinie / Ausschlusskriterien

    Patienten mit arterieller Hypertonie werden im Rahmen der hausärztlichen Versorgung behandelt und bedürfen nur in speziellen Situationen einer weitergehenden Betreuung im Sinne von fachärztlicher oder stationärer Versorgung. Daher richtet sich die Leitlinie primär an Ärzte in der hausärztlichen Versorgung.
    Innerhalb der Hintergrundinformationen (
    3.6H) dieser Leitlinie werden die Schnittstellen zu Facharzt und Klinik (Tabelle 10H) und Indikationen für die Ein- und Überweisung (Tabelle 11H) dargestellt.

    Diese Leitlinie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einzelne Themenkomplexe mussten ausgespart werden. Sie fokussiert auf die Diagnostik und Therapie der essentiellen Hypertonie beim Erwachsenen in der hausärztlichen Praxis. Nicht oder nur am Rande behandelt werden:

    • sekundäre Formen der Hypertonie und deren organische Ursachen
    • Schwangerschafts-Hypertonie
    • Hypertonie bei Kindern
    • (isolierte) pulmonale Hypertonie
    • perioperative Hypertonie


    1.4 Ziele der Leitlinie

    Diese Leitlinie möchte

    • die Primärprävention der Hypertonie und kardiovaskulärer Erkrankungen durch Förderung von Veränderungen in Hinblick auf Ernährungsverhalten und Lebensstil der gesamten Bevölkerung stärken.
    • das kardiovaskuläre Risiko behandelter Patienten durch nicht-medikamentöse Maßnahmen und den angemessenen Einsatz von Acetylsalicylsäure (ASS) und Statinen senken.
    • die Diagnostik und Therapie bisher nicht-diagnostizierter Hypertoniker (besonders derer mit hohem Risikoprofil) durch Routine-Screening und Steigerung des Bewusstseins für Hypertonie innerhalb der Bevölkerung verbessern.
    • den Anteil der Patienten mit antihypertensiver Therapie, die optimale Blutdruckwerte aufweisen, erhöhen.
    • die sinnvolle Auswahl von Medikamenten unterstützen, um die Compliance mit der Therapie zu fördern, Nebeneffekte zu minimieren und die Lebensqualität der Patienten zu steigern (siehe Tabelle 17H: Verordnungen von Antihypertonika 2000) .
    • die Primär- („Spätschäden vermeiden“) und Sekundärprävention („Spätschäden mildern“) nahtlos in den Versorgungsprozess integrieren, so dass ein umfassender Ansatz zur Förderung der Eigenverantwortung der Patienten verfolgt wird.
    • den bevorzugten Einsatz von Therapeutika mit sinnvoller Kosten-/Nutzen-Relation fördern.


    1.5 Einteilung der Evidenz

    Die Empfehlungen der Leitlinie sind - ihrer Relevanz entsprechend - in 3 Stufen (A, B, C) eingeteilt, die durch die Stärke der zugrunde liegenden Evidenz charakterisiert werden. Soweit möglich wird die zugrunde liegende Quelle angegeben. Nähere Einzelheiten finden Sie unter “Einteilung der Evidenz” (1.5H).


    1.6 Wichtigste Quellen dieser Leitlinie

    Die Leitlinie Hypertonie in der Version 1/2003 basiert auf anderen nationalen und internationalen Leitliniendokumenten, die übersetzt, inhaltlich und formell überarbeitet und an hausärztliche Erfordernisse angepasst wurden. Die wichtigsten sind:

    • Leitlinien-Info-Modul „Hypertonie“ der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ), 2002 [1]
    • Leitlinien-Clearing-Bericht „Hypertonie“ der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ), 2000 [2]
    • „Hypertension in older people“ des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), 2001 [3]
    • „Health Care Guideline: Hypertension diagnosis and treatment“ des Institute for Clinical Systems Improvement (ISCI), 2002 [4]
    • „Guidelines for management of hypertension: report of the third working party of the British Hypertension Society“ der British Hypertension Society (BHS), 1999 [5]
    • „Leitlinien für die Prävention, Erkennung, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie“ der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertonie Gesellschaft, 2001 [6]
    • „1999 Canadian recommendations for the management of hypertension“ der Canadian Medical Association (CMA), 1999 [7]
    • „Lifestyle modifications to prevent and control hypertension“ der Canadian Medical Association (CMA), 1999 [8]
    • „The sixth report of the Joint National Committee on prevention, detection, evaluation, and treatment of high blood pressure“ des National Institutes of Health (NIH), 1997 [9]
    • „Empfehlungen zur Therapie der arteriellen Hypertonie“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ), 1998 [10]
    • Weitere Leitlinien und Empfehlungen, sowie Reviews aus der Cochrane Library [11-26, 213]

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2. Definition und Ätiologie der Hypertonie

    Man unterscheidet die primäre, auch essentielle oder idiopathische Hypertonie von der sekundären, auf eine spezifische Ursache zurückzuführende Hypertonie.

    Die Diagnose der primären oder essentiellen Hypertonie stellt eine Ausschlussdiagnose dar. Für diese ca. 90% der diagnostizierten Hypertonien lässt sich keine kausale Ursache finden, eine multifaktorielle Genese wird angenommen. Sie gilt als typische Zivilisationskrankheit, deren Manifestation insbesondere vom individuellen Lebensstil abhängt. Vererbung ist ein prädisponierender Faktor, aber der exakte Mechanismus ist unklar. Umgebungsfaktoren (z.B. Natriumgehalt der Nahrung, Übergewicht, Stress) scheinen sich auf genetisch empfängliche Personen auszuwirken.

    Sekundäre Hypertonien nehmen insgesamt nur einen Anteil von ca.10% aller Hochdruckformen ein. Allerdings beruhen die Angaben über die Häufigkeiten von primären und sekundären Hypertonieformen meist auf Daten aus spezialisierten Zentren. Im hausärztlichen Bereich scheint das Auftreten von sekundären Hypertonieformen weitaus seltener zu sein. So fand eine kanadische Studie in hausärztlichen Praxen lediglich bei 4 von 665 Patienten eine ursächlich behandelbare Hypertonie (0,6%) [305].
    Ursächlich für einen nicht essentiellen Bluthochdruck finden sich parenchymatöse oder vaskuläre Nierenerkrankungen oder endokrine Ursachen wie das Phäochromozytom, der Morbus Cushing oder der Morbus Conn [
    30].
    Sie zu erkennen, ist umso wichtiger, da die meisten sekundären Formen des Bluthochdrucks kausal behandelt werden können [
    30]. Nach diesen Ursachen sollte gefahndet werden bei

    • klinischem Verdacht
    • krisenhaften Blutdruckanstiegen
    • Therapieversagern

    Weitere Informationen zu sekundären Hochdruckformen in den Hintergrundinformationen (2.H) und Tabelle 2H.

    Eine Definition der Hypertonie wurde von verschiedenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften willkürlich festgelegt; es existiert kein einheitlicher Schwellenwert, das kardiovaskuläre Risiko steigt nahezu linear mit dem systolischen und diastolischen Blutdruck an [212]. Allgemein wird ein Blutdruck von 140 mm Hg systolisch und 90 mm Hg diastolisch als Hypertonie bezeichnet.
    Die Definition des amerikanischen Joint National Committee (JNC VI) ist am weitesten verbreitet und wird in
    Tabelle 3H dargestellt [9].
    Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Grenzwerte während der letzten Dekaden ständig gesenkt wurden. Entscheidend ist aber nicht der isolierte Blutdruckwert des Patienten, sondern das jeweilige kardiovaskuläre Gesamtrisiko. Diese Informationen sind mit dem Patienten zu besprechen; über das weitere Vorgehen sollte gemeinsam entschieden werden (Shared decision making).
    Ein Hilfsmittel kann die korrespondierende
    Patientenleitlinie darstellen.


    2.1 ICD-Klassifikation der Hypertonie

    Der in dieser Leitlinie beschriebenen, essentiellen (primären) Hypertonie wird in der ICD10-Klassifikation die Nummer I10 zugewiesen. Weitere Hinweise entnehmen Sie bitte der Tabelle 4H [34].


3. Diagnose der Hypertonie

    Die Befunderhebung bei hypertensiven Patienten sollte vier Ziele verfolgen:

    • Bestätigung der Diagnose und eine Stadieneinteilung (Tabelle 3H)
    • Identifikation oder Ausschluss (Tabelle 5H) von sekundären Ursachen (Tabelle 2H)
    • Bestimmung von Endorganschäden (Tabelle 5H) und deren Ausmaß
    • Identifikation weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren (Tabelle 5H)

    Für die Klärung des ersten Zieles ist eine adäquate Blutdruckmessung unerlässlich.


    3.1 Blutdruckmessung

    Die indirekte Messung des Blutdrucks durch die Helferin oder den Arzt (Gelegenheitsmessung oder Praxismessung) stellt auch heute noch das wesentliche Verfahren zur Diagnostik einer arteriellen Hypertonie dar [6].
    In nahezu allen Leitlinien besteht Übereinkunft, wie der Blutdruck gemessen werden sollte [
    5, 6, 7, 9, 10, 46, 296].

    Bei der Durchführung ist auf Folgendes besonders zu achten:

    • Die erste Messung sollte an beiden Armen erfolgen, für weitere Messungen sollte der Arm mit dem höheren Wert benutzt werden. Grund: Bei 6% aller hypertensiven Patienten liegen Blutdruckdifferenzen von mehr als 10 mm Hg an beiden Armen vor [45].
    • Die Messung sollte nach 5-minütiger Ruhe in einem stillen Raum erfolgen.
    • Es sollte eine Standardmanschette von 12x24 cm (Breite x Länge), bei Oberarmumfang von ≥ 32 mm HG eine breitere, für Kinder eine schmalere verwendet werden. Tabelle 6H gibt den Zusammenhang zwischen Oberarmumfang und empfohlener Manschettengröße wieder.
    • Die Manschette sollte auf Herzhöhe sein, was besonders wichtig bei Unterarmmessgeräten ist.
    • Die Luft sollte langsam abgelassen werden (empfohlene Ablassgeschwindigkeit: 2-3 mm Hg pro Sekunde).
    • Der systolische Blutdruck entspricht dem Manschettendruck beim ersten Korotkoff-Geräusch, der diastolische Blutdruck beim Verschwinden des Korotkoff-Geräusches (Phase V). Die Phase V der Korotkoff-Geräusche sollte verwendet werden, da diese mit den direkten Messungen besser korreliert und unter verschiedenen Untersuchern besser reproduzierbar ist [44].
    • Zwischen aufeinanderfolgenden Messungen sollte mindestens 1 Minute verstreichen.
    • Die Messung erfolgt normalerweise in sitzender Position, für ältere Patienten, Diabetiker und bei Patienten mit Hinweisen auf eine orthostatische Dysregulation kann auch eine Messung im Stehen sinnvoll sein.

    Unter Hintergrundinformationen (3.1H) finden sich ausführliche „Empfehlungen zur Blutdruckmessung bei Erwachsenen“ [44].

    Es existieren etliche Faktoren, die die Blutdruckmessung beeinflussen können [7, 39, 40, 41, 42].
    So unterliegt der Blutdruck der meisten Individuen physiologischen Schwankungen während des Tages mit einem Minimum während Schlaf- und Ruhephasen und einem Anstieg bei einer Vielzahl von Aktivitäten. Angst und Schmerz sind Stressfaktoren, die den Blutdruck fälschlich höher erscheinen lassen können [
    56]. Weitere Einflussmöglichkeiten liegen in der Person des Untersuchers („Weisskitteleffekt“, „Praxishypertonie“) und im Messverfahren selbst begründet, z.B. bei der Verwendung der Standardmanschette bei adipösen Patienten. Eine ausführliche Darstellung von Einflussmöglichkeiten, potentiellen Fehlerquellen und deren Ausmaß zeigt die Tabelle 7H [46, 47-75, 296].

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      3.1.1 Blutdruckselbstmessung

      Eine Blutdruckselbstmessung durch den Patienten stellt eine sinnvolle Ergänzung zur Messung durch die Helferin oder den Arzt dar [6, 213]. Sie ermöglicht zahlreiche Messwerte an verschiedenen Tagen und dürfte somit mehr dem wirklichen Blutdruck des täglichen Lebens entsprechen. Zudem stellt sie ein Instrument zur Förderung von Eigenverantwortung und Patientenkompetenz dar.
      Sie sollte jedem Patienten empfohlen werden, lediglich bei ängstlichen und hypochondrischen Patienten, die dazu neigen, den Blutdruck zu oft zu messen und einzelnen Werten eine zu große Bedeutung zu geben, ist ein behutsames Vorgehen nötig bzw. von der Selbstmessung abzuraten [
      6].
      Mehrere Untersuchungen zeigen, dass die Resultate der Selbstmessung im Vergleich zu jenen der  Praxismessung eine engere Beziehung zu Organkomplikationen aufweisen, allerdings sind die meisten Studien zur Hypertonie mit Messungen durch qualifiziertes Fachpersonal durchgeführt worden [
      5, 215, 216].
      Zu beachten ist, dass sich bei Hypertonen im Mittel niedrigere selbstgemessene Blutdruckwerte finden, während bei Normotonen die häuslich gemessenen Blutdruckwerte kaum Unterschiede zu den beim Arzt gemessenen Werten aufweisen [
      214].
      Folgende Vorteile im Vergleich zur Arztmessung können angeführt werden [
      6]:

      • Aufdeckung einer „Praxishypertonie“ („Weißkitteleffekt“) bei erhöhten ärztlichen Messwerten, aber normalen Selbstmessungen,
      • Geringere Schwankungsbreite durch Mittelung über viele Messwerte und damit exaktere Klassifizierung,
      • Zuverlässsige und kostengünstige Therapieüberwachung,
      • Stärkung der Patientenautonomie und Übernahme von Eigenverantwortung,
      • Verbesserte Therapietreue.

      Patienten, die ihren Blutdruck selbst messen, sollten eine ausführliche Einweisung in die Messtechnik erhalten. Der Erfolg der Einweisung sollte wenigstens einmal nach 2-3 Wochen kontrolliert werden [6].


      Tabelle 1: Häufige Fehler bei der Blutdruckmessung

      • eine falsche Positionierung von Manschette oder Mikrofon
      • ein zu rascher Druckablass aus der Manschette
      • Nachpumpen
      • eine zu rasche Messwiederholung

      Weitere potentielle Fehlerquellen zeigt die Tabelle 7H [46, 47-75, 132].

      Zu achten ist darauf, dass der Messarm von beengender Kleidung frei gemacht wird und der Messort sich auch in Herzhöhe befindet. Hierauf ist vor allem bei Blutdruckmessungen am Handgelenk hinzuweisen [6].
      Besonderes Gewicht bei der Einweisung in die Selbstmessung sollte darauf gelegt werden, dass Patienten ihren Blutdruck als variable Größe verstehen lernen [
      6].
      Empfehlenswert ist eine Standardisierung der Messung: gleicher Messarm, gleiche Position des Gerätes etc.

      In größeren, z. B. jährlichen Abständen empfiehlt sich eine Überprüfung von Gerät und Messtechnik durch den betreuenden Arzt oder seine Helferin.

      Blutdruckmessgeräte, die am Finger messen, können bisher nicht empfohlen werden. Die Messergebnisse sind durch kalte oder schlecht durchblutete Finger zu leicht beeinflussbar. Automatische Blutdruckmessgeräte, die am Unterarm (Handgelenk) messen, sind ebenfalls problematisch. Die deutsche Hochdruckliga hat ein Gütesiegelprotokoll entwickelt, welches für die Prüfung von Oberarm-, Handgelenk- und Fingermessgeräten unabhängig von der Messmethodik (oszillometrisch, auskultatorisch) gilt. Nach diesen Kriterien wurde bisher erst eines der geprüften Handgelenkgeräte für die Heimnutzung empfohlen. Weitere Hinweise zu den Gerätetypen finden sich unter Hintergrundinformationen 3.1H.

      Der Patient sollte zumindest in der Anfangsphase der Betreuung den Blutdruck zweimal täglich messen und die Werte dokumentieren (Datum, Uhrzeit, Blutdruckwerte, Aktivität). Sinnvoll kann ein tabellarisches Tagebuch sein. Nur so ist eine genaue Zuordnung der Blutdruckveränderungen zu Änderungen der Therapie, physischen und psychischen Belastungen, Körpergewicht, Kochsalzzufuhr und anderen Einflussgrößen möglich [6].

      Generell ist darauf zu achten, dass sich die Patienten nicht zu stark auf den Blutdruck fixieren; zum Beispiel kann im Verlauf der Behandlung die Selbstmessung auf einen Messtag pro Woche eingeschränkt werden.
      Der in der Hochdruckbehandlung erfahrene Arzt wird den in korrekter Weise selbst gemessenen Werten seines Patienten in der Langzeitbetreuung angemessen berücksichtigen [
      6].

      Weitere Hinweise zur Selbstmessung finden sich in der Patientenleitlinie.

      Folgende Grenzwerte sollten nicht überschritten werden:
      bei der Praxismessung: < 140/90 mm Hg
      bei der Selbstmessung: < 135/85 mm Hg


      3.1.2 24-Stunden-Blutdruckmessung (Langzeitblutdruckmessung, ABDM)

      Die 24-Stunden-Blutdruckmessung hat im Vergleich zur Selbst- oder Gelegenheitsmessung in der Praxis eine hohe Messdichte über den Tag (alle 15 Minuten) und die Nacht (alle 30 Minuten) [5, 6,10, 303].
      Ihr kommt im Vergleich zur Gelegenheitsmessung eine größere prognostische Bedeutung zu, da eine engere Korrelation der Messergebnisse zur linksventrikulären Hypertrophie und anderen kardiovaskulären Komplikationen  besteht [
      5, 6, 219, 220, 221, 222, 223].
      Es liegen ausreichende Belege dafür vor, dass ein fehlender Blutdruckabfall in der Nacht häufiger zu Organschäden führt, als dies die mittleren Tageswerte erwarten lassen [
      6, 219, 224, 225].
      Allerdings wurden die meisten Outcome-Studien zur Hypertonie nicht mittels 24-Stunden-Blutdruckmessung, sondern durch klinische Messungen begleitet [
      5, 302].
      Eine retrospektive Studie fand keinen signifikanten Unterschied zwischen der 24-Stunden-Blutdruckmessung und der Messung durch eine qualifizierte nicht-ärztliche Fachkraft [
      303].

      Angewendet werden kann die 24-Stunden-Blutdruckmessung [5, 6]:

      • bei einer untypischen Blutdruckvariabilität
      • wenn trotz Dreifach- oder Mehrfach-Therapie Blutdruckwerte von über 150/90 mm Hg bei der Praxismessung auftreten
      • bei Symptomen einer Hypotonie, z.B. Schwindel
      • bei begründetem Verdacht auf eine „Weisskittelhypertonie“ („Praxishypertonie“)
      • zur Therapieoptimierung bei schwer einstellbaren Patienten
        Sie sollte an einem „typischen“ Tag, in der Regel einem Werktag durchgeführt werden.

      Prinzipiell wäre es wünschenswert, dass jeder neu entdeckte Hypertoniker zumindest einmal vor Therapiebeginn eine 24-Stunden-Blutdruckmessung erhält, um die Tag-/Nachtrhythmik zu überprüfen [6].
      Insbesondere bei stark schwankenden Blutdruckwerten während der Einzelmessungen sollte ein 24-Stunden-Blutdruckmessung durchgeführt werden [
      5, 6].
      Allerdings ist sie unnötig bei Patienten, die bei der Diagnosestellung „Hypertonie“ bereits Endorganschäden, kardiovaskuläre Komplikationen oder ein kardiovaskuläres 10-Jahresrisiko von über 15% (Hintergrundinformationen 3.6H) aufweisen: dort liegt bereits eine Therapieindikation vor [
      5].
      Auch bei einer milden Hypertonie (140-159/90-99) ohne kardiovaskuläre Komplikationen kann bei entsprechenden Verlaufskontrollen und falls keine Hinweise auf Blutdruckspitzen vorliegen, zunächst auf eine 24-Stunden-Blutdruckmessung verzichtet werden [
      5].
      Die Normwerte für die 24-Stunden-Blutdruckmessung sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.


      Tabelle 2: Normwerte bei der 24-Stunden-Blutdruckmessung (C)

       

      Normwerte in mm Hg *

      Tagesmittelwert (7 bis 22 Uhr)

      135/85

      Nachtmittelwert

      120/70

      24h-Mittelwert

      130/80

      Nach [6, 10, 217]  (* Patienten ohne Diabetes oder Nephropathie)

      Der Blutdruck zeigt normalerweise eine zirkadiane Rhythmik mit den höchsten Werten am Vormittag, einem zweiten Gipfel am späten Nachmittag und einem Abfall der systolischen Mittelwerte um 10 bis 15 %, sowie der diastolischen um 15 bis 20 % während der Nacht im Schlaf.
      Die zirkardiane Rhythmik ist auch bei den meisten Patienten mit primärer Hypertonie erhalten, allerdings auf einem erhöhten Niveau. Exogene Faktoren, vor allem die Aktivität des Patienten, können sie modifizieren, z. B. Schichtarbeit [
      6].
      Ein Absinken um weniger als 10-20 % der Blutdruckmittelwerte oder ein Blutdruckanstieg ist pathologisch und sollte weiter abgeklärt werden [
      6, 7, 9, 10].
      Ein fehlender Blutdruckabfall während des Nachtschlafes oder sogar ein Blutdruckanstieg werden beobachtet bei sekundärer Hypertonie, Patienten mit renalen, zerebrovaskulären und kardialen Hochdruckkomplikationen, bei Schwangerschaftshypertonie, Schlafapnoe, Asthma bronchiale, autonomer Insuffizienz und nach Herz- oder Nierentransplantation [
      6, 10, 135, 217, 218].
      Studien zur 24-Stunden-Blutdruckmessung zeigen, dass Patienten mit fehlender Nachtabsenkung („non-dipper“) im Vergleich zu  Patienten mit erhaltener physiologischer Nachtabsenkung („dipper“) eine höhere kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität aufweisen (Hintergrund
      3.1.2H) [76].

      Störungen während des Schlafes, z. B. durch den Messvorgang, haben keinen wesentlichen Einfluss auf den nächtlichen Blutdruckmittelwert. Zum Ausschluss einer sekundären Hypertonie reicht der Befund „fehlender nächtlicher Blutdruckabfall“ wegen der geringen Sensitivität von ca. 70 % nicht aus [6].

      Wird eine 24-Stunden-Messung durchgeführt, ist eine adäquate Anleitung des Patienten unumgänglich, denn für die Messung ist ein möglichst repräsentativer Tagesablauf erforderlich, d.h. im Regelfall wird sie an einem Werktag vorgenommen. Für die Zuordnung der Messwerte zu verschiedenen Tätigkeiten, Erlebnissen und zur Medikamenteneinnahme sollte der Patient ein möglichst standardisiertes Protokoll führen [6, 7]. Aufstehen, zu Bett gehen, Einnahme von Antihypertensiva und andere relevante Ereignisse sollten mit korrekter Uhrzeit notiert werden. Auch die Schlafqualität ist zu protokollieren. Darüber hinaus müssen die Bedienungselemente des Gerätes und der Messvorgang dem Patienten erläutert werden [6].

      Weitere Hinweise finden sich in der Patientenleitlinie.


    3.2 Empfehlungen – Blutdruckmessung

    Bei einem dem Arzt zuvor nicht bekannten Patienten sollte der Blutdruck zunächst an beiden Armen ermittelt werden. Diese Untersuchung sollte an verschiedenen Tagen wiederholt werden und stellt letztendlich die Grundlage für das weitere Vorgehen dar. Weitere Messungen sollten am Arm mit dem initial höheren Wert durchgeführt werden (C).

    Bei der Blutdruckmessung sind eine Vielzahl von Fehlerquellen zu berücksichtigen und nach Möglichkeit zu vermeiden (B).

    Patienten mit arterieller Hypertonie sollten die Empfehlung erhalten, ihren Blutdruck selbst zu messen und in ein Blutdruckprotokoll einzutragen. Dies gilt vor allem während der Phase der Blutdruckeinschätzung, zu Therapiebeginn oder nach erfolgter Umstellung bzw. bei einem kontrollierten Auslassversuch (C).

    Die 24-Stunden-Blutdruckmessung ist insbesondere bei Patienten mit einer untypischen Blutdruckvariabilität zu empfehlen (C).

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    3.3 Basisdiagnostik

    Bei allen hypertensiven Patienten sollten eine gründliche Anamnese und eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Neben der Diagnosebestätigung ist die Dauer und das Ausmaß der Blutdruckerhöhung zu erfassen und bereits durchgeführte Therapien sollten eruiert werden, um wertvolle Hinweise für die weitere Therapieplanung zu erhalten. In Abhängigkeit von den Befunden der Basisdiagnostik sollten dann weitere Untersuchungen veranlasst werden, insbesondere wenn der Verdacht auf eine sekundäre Hypertonie vorliegt (Tabelle 2H) [282].
    Hinweise zum Thema Kopfschmerz finden sich in der entsprechenden
    Leitlinie.


      3.3.1 Anamnese und Familienanamnese

      Folgende Punkte sind bei der Anamnese von hypertonen Patienten zu berücksichtigten [1, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 282]:

      Bei bereits bekannter Hypertonie:

      • Wie lange bekannt?
      • Werte bekannt? Wie hoch?
      • Womit vorbehandelt?
      • Unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen (siehe Kopfschmerzleitlinie [322]), Nasenbluten, Schwindel, Ohrensausen
      • Therapie abgesetzt? Warum (Nebenwirkungen)?
      • Einschränkungen der Lebensqualität durch Hypertonie und / oder deren Behandlung?
      • Medikamente, die eine Hypertonie auslösen oder verstärken können, z.B.
        • Nichtsteroidale Antirheumatika/Antiphlogistika (NSAR)
        • Orale Kontrazeptiva
        • Kortikosteroide und Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolismus)
        • Psychostimulantien, Amphetamine und Derivate, inklusive Appetitzügler
        • Sympathomimetika, z.B. ephedrinhaltige Nasentropfen
        • Erythropoetin
        • Anabolika
        • Kokain, Ecstasy
        • Monoaminoxidase (MAO)-Hemmer
        • Bromocriptin
        • Carbenoxolon
      • Kardiovaskuläre Risikofaktoren (Hintergrundinformationen 3.6H)
        • Rauchen
        • Diabetes mellitus
        • Schlechtes Lipidprofil (hohes LDL, niedrieges HDL, usw.)
        • Familienanamnese (Bluthochdruck, KHK, Myokardinfarkte, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Nierenerkrankung)
        • Alter
        • Geschlecht
      • Symptome und Erkrankungen, die auf Komplikationen / Endorganschäden einer Hypertonie hinweisen:
        • Schlaganfall, TIA, PRIND, Schwindel (zerebrale Durchblutungsstörungen), Synkopen
        • Demenz
        • Linksventrikuläre Hypertrophie, Herzinsuffizienz
        • Myokardinfarkt, Angina pectoris, Bypass-OP oder Angioplastie/ PTCA
        • periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
        • Funduseinblutungen oder Exsudate
        • Nierenfunktionseinschränkung, Proteinurie
      • Hinweise für sekundäre Hypertonieformen, z.B. Nierenerkrankung
      • Bestehende Kontraindikationen für (blutdrucksenkende) Medikamente
      • Psychosoziale Faktoren (Arbeitssituation und -bedingungen, familiäre Situation, Bildungsniveau, Stress)
      • Schwangerschaft
      • Gicht
      • Übergewicht (BMI-Berechnung in Tabelle 9H)
      • Alkoholabusus
      • Salzzufuhr
      • Bewegungsmangel
      • Blei
      • Lakritzkonsum (auch enthalten in Kautabak)
      • Koffeinabusus
      • Schlafverhalten (Schlaf-Apnoe-Syndrom) [135]


      3.3.2 Empfehlungen: Anamnese und Familienanamnese

      Bei Patienten mit arterieller Hypertonie sollten die Minimalkriterien der
      Tabelle 3 abgefragt werden (C).

      Tabelle 3: Wichtige Fragen bei Patienten mit arterieller Hypertonie

      Anamnese

      • Dauer und Ausmaß der Blutdruckerhöhung
      • Beschwerden
      • Herzinfarkt
      • Schlaganfall
      • TIA
      • Claudicatio intermittens
      • Nierenerkrankungen
      • Diabetes mellitus
      • Fettstoffwechselstörungen
      • Gicht
      • psychosoziale Situation
      • Medikamente
      • Vorbehandlung
      • Endorganschäden
      • kardiovaskuläre Risikofaktoren
      • Kontraindikationen für antihypertensive Pharmaka

      Familienanamnese

      • Hochdruck
      • Diabetes mellitus
      • Fettstoffwechselstörungen
      • Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen
      Nach [2, 4, 9,10]

       

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      3.3.3 Körperliche Untersuchung

      Folgende Punkte sollten bei der körperlichen Untersuchung von hypertonen Patienten berücksichtigt werden [3, 6, 9,10, 282]:

      • Blutdruckmessung an beiden Armen (bei V.a. Aortenisthmusstenose auch an den Beinen)
      • Inspektion:
        • Habitus (Gewicht, Größe, Body Mass Index: Tabelle 9H)
        • Hinweise auf Cushing-Syndrom, Alkoholabusus, Akromegalie, Hypothyreose, Struma, etc.
      • Auskultation:
        • Herz (Aortenisthmusstenose, Aorteninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Kardiomegalie, Klappenfehler)
        • Lunge (Herzinsuffizienz)
        • Karotiden (Karotisstenose)
        • Abdomen (Nierenarterienstenose)
      • Palpation:
        • Nierenlager, Blase, Prostata (Zystennieren, Harnstauung)
        • Aorta (Aortenaneurysma)
        • Leisten- und Fußpulse (pAVK, Aortenisthmusstenose)
        • Orientierende neurologische Untersuchung:
        • Lähmungen, Aphasie, Demenz (zerebrovaskulär)

      Ausführliche Hinweise zur Demenzdiagnostik finden sich in der Leitlinie Demenz [235].


      3.3.4 Empfehlungen: Körperliche Untersuchung

      Bei Patienten mit arterieller Hypertonie sollten die Minimalkriterien der Tabelle 4 untersucht werden (C).

      Tabelle 4: Wichtige Aspekte der körperliche Untersuchung bei Hypertoniepatienten

      Körperliche Untersuchung

      • Blutdruckmessung an beiden Armen, ggf. an den Beinen
      • Tasten der peripheren Pulse
      • Auskultation des Herzens, der Karotiden und des Abdomens
      Nach [2, 4, 9,10]

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      3.3.5 Laboruntersuchungen

      Einige Routinelaborkontrollen werden empfohlen, um Endorganschäden oder weitere Risikofaktoren zu identifizieren [3, 6, 9, 10].


      3.3.5.1 Blut

      Bei hypertensiven Patienten werden folgende Messparameter zur Erstuntersuchung empfohlen (C) [2, 3, 4, 6, 9, 10, 314] :

      • Elektrolyte (Natrium, Kalium) - Eine Hyperkaliämie lenkt den Verdacht auf eine zugrundeliegende Nierenerkrankung, eine Hypokaliämie auf einen Morbus Conn (primärer Hyperaldosteronismus).
      • Nierenfunktionsparameter (Kreatinin) – Hinweis auf Nierenerkrankungen; ein normaler Kreatininwert schließt eine Nierenerkrankung nicht aus.
      • Blutbild (Hämoglobin und Hämatokrit) – Ein erhöhtes mittleres Zellvolumen kann auf einen Alkoholabusus hinweisen, ein erhöhter Hämatokrit auf erhöhten Nikotinkonsum.
      • Cholesterin, LDL-, HDL-Cholesterin, Triglyceride – Wichtig zur Bewertung des kardiovaskulären Risikos.
      • Blutzucker – Identifikation eines bisher unentdeckten Diabetes mellitus, Bewertung des kardiovaskulären Risikos.
      • Thyroidea stimulierendes Hormon (TSH) – Ausschluss eines Hyperthyreose.
      • Gamma Glutamyl Transferase (y-GT) – Hinweis auf Alkoholabusus.


      3.3.5.2 Urin

      Ein Urinstatus sollte bei allen neu entdeckten Hypertonikern durchgeführt werden, denn eine Proteinurie, Mikroalbuminurie, Hämaturie oder korpuskuläre Bestandteile können auf eine zugrundeliegende Nierenerkrankung oder auf eine hypertensive Nephropathie hinweisen [3].
      Bei unklarem Befund können eine 24-Stunden-Sammelurin-Messung oder eine Kreatinin-Clearance indiziert sein [
      9].


      3.3.6 Empfehlungen: Laboruntersuchungen

      Bei Patienten mit arterieller Hypertonie sollten die Laborparameter der Tabelle 5 untersucht werden (C).

      Tabelle 5: Empfohlene Basislaborparameter bei Patienten mit arterieller Hypertonie

      Labor

      • Elektrolyte (Natrium, Kalium)
      • Nierenfunktionsparameter (Kreatinin)
      • Cholesterin (LDL- /HDL- Cholesterin)
      • Triglyceride
      • Blutzucker
      • TSH
      • Y-GT

      Urin

      • Teststreifen für Eiweiß und Blut

      Nach [2, 4, 5, 9,10]

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      3.3.7 Technische Untersuchungen


      3.3.7.1 Langzeitblutdruckmessung

      Eine 24-Stunden-Blutdruckmessung ist insbesondere bei Patienten mit einer untypischen Blutdruckvariabilität zu empfehlen. Einzelheiten finden sich unter Blutdruckmessung (3.1).


      3.3.7.2 Elektrokardiogramm (EKG)

      Für alle hypertensiven Patienten wird ein 12-Kanal-EKG empfohlen [1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10]. Es dient zum einen als Ausgangsbasis für den weiteren Verlauf der Erkrankung und der Therapie, zum anderen lassen sich eine schon vorhandene Myokardischämie, Störungen des Reizleitungssytems oder eine linksventrikuläre Hypertrophie (Bestimmung des Sokolow-Lyon-Index) identifizieren [3, 12].
      Weitere Hinweise finden sich unter den Hintergrundinformationen (
      3.3.7.2H) in Tabelle 8H.


      3.3.7.3 Empfehlungen: Elektrokardiogramm

      Bei allen Patienten mit arterieller Hypertonie sollte ein 12-Kanal-EKG durchgeführt werden (C).

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      3.3.7.4 Fundusbeurteilung (Spiegelung des Augenhintergrundes)

      Eine Fundusdiagnostik sollte bei Patienten mit neu diagnostiziertem Bluthochdruck erfolgen, wenn der Verdacht auf bereits länger bestehenden Bluthochdruck besteht (insbesondere wenn der diastolische Blutdruck 110 mm Hg übersteigt) [10]. Meist wird diese Untersuchung durch einen Ophtalmologen durchgeführt und dient zur Diagnose einer hypertensiven Retinopathie – Gefäßengstellungen (I°), Kaliberschwankungen der Arteriolen (II°) Netzhautischämie (Cotton-Wool-Herde), Exsudation und Blutung in das Netzhautparenchym (III°). 
      Bei langjährigem Hypertonus zeigen sich verbreiterte Reflexstreifen an den Arteriolen, Veränderungen an den Venen und Lipidablagerungen [
      1, 3, 6, 9, 10, 236].
      Patienten mit einer hypertensiven Retinopathie scheinen ein verdoppeltes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis aufzuweisen [
      308].


      3.3.7.5 Empfehlungen: Fundusbeurteilung

      Bei allen neu diagnostizierten Hypertoniepatienten mit Verdecht auf länger bestehenden Bluthochdruck sollte eine Fundusbeurteilung durchgeführt werden (C).

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      3.3.7.6 Abdomensonographie

      Eine Abdomensonographie zur Beurteilung der Nierengröße (z.B. Schrumpfniere), der Nebennieren (z.B. Tumor) und der Aorta (z.B. Aneurysma) kann durch erfahrene Ärzte in der hausärztlichen Praxis durchgeführt werden und wird von deutschsprachigen Leitlinien empfohlen [6, 10].
      Internationale Leitlinien empfehlen die Ultraschalluntersuchung nicht als Standarduntersuchung bei hypertonen Patienten, sondern nur bei entsprechenden Verdachtsmomenten [
      2, 5, 213].
      Bei erhöhten Nierenretentionswerten und / oder Verdacht auf eine Nierenarterienstenose sollten weiterführende Untersuchungen inklusive Duplexsonographie der Nierenarterien durch Spezialisten durchgeführt werden [
      6, 10,]. Bei einer Nierenarterienstenose scheint die Ballondilation der medikamentösen Therapie jedoch nicht überlegen zu sein [304] .


      3.3.7.7 Empfehlungen: Abdomensonographie

      Bei Patienten mit neu aufgetretener arterieller Hypertonie ist eine Abdomensonographie nicht erforderlich, es sei denn, es bestehen klinische Verdachtsmomente auf eine renovaskuläre Erkrankung (C).

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      3.3.7.8 Ergometrie (Belastungs-EKG)

      Bei der Ergometrie finden Blutdruckmessungen bei definierter Belastung statt. Es handelt sich um ein standardisiertes Testverfahren, welches reproduzierbare und damit vergleichbare Blutdruckwerte gewährleistet. Auf diese Weise wird die Beurteilung des Blutdruckes erleichtert und eine standardisierte Prüfung des Blutdruckverhaltens während körperlicher Aktivität ermöglicht. Die prognostische Bedeutung erhöhter Belastungsblutdrucke kann so besser abgeschätzt werden; allerdings existieren nur wenige Studien, die dies belegen [6].

      Folgende Vorteile einer ergometrischen Kontrolle des Blutdruckes im Vergleich zu Einzelmessungen können angeführt werden [6]:

      • Aufdeckung überschießender Belastungsblutdrucke
      • Verbessertes Einschätzen des individuellen kardiovaskulären Risikos oder das Aufdecken einer KHK durch belastungsabhängige Ischämie-Zeichen im EKG
      • Klärung, ob pektanginöse Beschwerden durch KHK oder erhöhten Blutdruck bedingt sind
      • Einschätzung der Belastbarkeit unter Therapie
      • Abklärung des Trainingszustandes mittels Herzfrequenz (Beurteilung, ob eine Medikation mit Betablockern möglich wäre)

      Weitere Hinweise finden sich unter Hintergrundinformationen (3.3.7.8H).

      Der ergometrischen Kontrolle des Blutdruckes kommt im Vergleich zur Gelegenheitsmessung auch eine größere prognostische Bedeutung zu. Zum einen besteht im Vergleich zum Ruheblutdruck eine engere Korrelation zur linksventrikulären Hypertrophie als wichtigem kardiovaskulären Risikofaktor [232, 233].
      Zum anderen zeigen zwei große Verlaufsuntersuchungen, dass die Messung des Blutdrucks während standardisierter Ergometrie der Gelegenheitsmessung bezüglich kardivaskulärer Mortaliät überlegen ist [
      228, 234].

      An blutdrucksenkende Medikamente sollte die Anforderung gestellt werden, dass sie neben der Normalisierung des Blutdruckes unter Ruhebedingungen auch überhöhte Belastungsblutdrucke zufriedenstellend senken. Dies ist jedoch nicht bei allen unter Ruhebedingungen antihypertensiv wirkenden Medikamenten in gleichem Maße der Fall; d.h., wenn unter einer ansonsten guten Blutdruckeinstellung Belastungsspitzen auftreten, sollte dies mittels Ergometrie überprüft werden [6, 226].


      3.3.7.9 Empfehlungen: Ergometrie

      Die Beurteilung des Blutdruckverhaltens während Belastung sollte immer erfolgen, wenn aus anderen Gründen bereits eine Ergometrie indiziert ist (KHK, Herzrhythmusstörungen, Frage der körperlichen Belastbarkeit) (C).

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      3.3.7.10 Echokardiographie

      Die Echokardiographie weist im Vergleich zum EKG eine deutlich höhere Spezifität bei der Entdeckung einer linksventrikulären Hypertrophie auf [1]. Sie dient zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer linksventrikulären Hypertrophie, wenn das EKG entsprechende Veränderungen zeigt, wie das oft bei jüngeren Patienten der Fall ist. Es liegen aber keine Hinweise vor, dass mit einer routinemäßigen Echokardiographiekontrolle das Outcome hypertensiver Patienten verbessert werden kann. Daher kann die Echokardiographie als routinemäßige Maßnahme nicht empfohlen werden, es sei denn, es besteht bereits der Verdacht einer linksventrikulären Hypertrophie oder einer Herzinsuffizenz (klinische Symptome und/oder Sokolow-Lyon-Index > 3,5 mV in den Ableitungen SV1 und RV5/RV6 im EKG, siehe auch 3.3.7.2H); dann sollte auf jeden Fall eine echokardiographische Untersuchung des Herzens erfolgen [12].
      Auch bei bereits bestehenden Endorganschäden ist sie zu erwägen [
      213].


      3.3.7.11 Empfehlungen: Echokardiographie

      Die Echokardiographie sollte bei Verdacht auf eine linksventrikuläre Hypertrophie, eine Herzinsuffizienz oder bereits bestehenden kardialen Endorganschäden durchgeführt werden (C).

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      3.3.7.12 Röntgen-Thorax

      Bei hypertensiven Patienten ist routinemäßig keine Röntgenaufnahme des Thorax erforderlich, es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine Herzinsuffizienz oder andere Begleiterkrankungen [1, 6, 12].


      3.3.7.13 Empfehlungen: Röntgen-Thorax

      Eine thorakale Röntgenaufnahme wird bei der Hypertoniediagnostik nicht empfohlen, es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine Herzinsuffizienz oder andere Begleiterkrankungen (C).

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    3.4 Weiterführende Diagnostik

    Eine intensive Diagnostik bei hypertensiven Patienten inklusive endokrinologischer Untersuchungen ist zu empfehlen bei [1, 10]:

    • Befunden in der Basisdiagnostik, die auf eine sekundäre Hypertonie (Tabelle 2H) hinweisen,
    • einer fehlenden Nachtabsenkung bei der 24-Stunden-Blutdruckmessung,
    • einer plötzlich aufgetretenen Hypertonie bei einem sonst normotonen Patienten,
    • Patienten unter 45 Jahren mit mittelschwerer und schwerer Hypertonie,
    • Resistenz auf eine Drei- oder Mehrfachkombination von Antihypertensiva.
      Hier sind dann meist Überweisungen zu Spezialisten (Nephrologen, Endokrinologen, etc.) angebracht, um die weiterführende Diagnostik durchzuführen, z.B. Duplexsonographie der Nieren, MR-Angiographie der Nieren oder Spiral-CT, etc.

    Hinweise zur weiterführenden Diagnostik finden sich unter Hintergrundinformationen 3.4H.


    3.5 Empfehlungen: Weiterführende Diagnostik

    Bei Hinweisen auf sekundäre Hypertonieformen, Therapieresistenz, einer plötzlich auftretenden Hypertonie bei jüngeren Patienten oder einer fehlenden Nachtabsenkung in der 24-Stunden-Blutdruckmessung sollte eine weiterführende Diagnostik und Einbeziehung von Spezialisten erfolgen (C).

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    3.6 Risikoeinschätzung

    Der Blutdruck an sich stellt nur einen von mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren dar, die auf Therapieentscheidungen Einfluss haben sollten. Besonders bei der Gruppe von Patienten mit milder Hypertonie (140-159/90-99 mm Hg) hängt das Risiko kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität mehr von den begleitenden Risikofaktoren als vom Blutdruckwert ab. Für diese Gruppe von Patienten könne keinen eindeutige Therapieempfehlungen gegeben werden, während bei anderen Gruppen von Hypertonikern meist eine eindeutige Indikation zur Therapie vorliegt.
    Um die Prognose und die Effizienz einer in Frage kommenden Therapie von hypertensiven Patienten adäquat einschätzen zu können, ist es erforderlich, das individuelle kardiovaskuläre Risiko zu ermitteln.
    Die hier vorgestellten Tabellen ermöglichen die Einschätzung des individuellen Risikos, innerhalb der nächsten 10 Jahre eine koronare Herzerkrankung – definiert als Angina pectoris, Myokardinfarkt, Koronarinsuffizienz oder Tod durch koronare Herzkrankheit – zu entwickeln.
    Für die Berechnung des kardiovaskulären Risikos stehen unterschiedliche Tabellen für Frauen (
    Tabelle 12H) und Männer (Tabelle 13H) zur Verfügung.


    3.7 Empfehlungen: Risikoeinschätzung

    Bei allen hypertensiven Patienten sollten die kardiovaskulären Risikofaktoren ermittelt und mindestens einmal jährlich neu bewertet werden (C).

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Eine Aktualisierung dieser Leitlinien ist nicht geplant (Stand September 2007)

 

 

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